Montag, 22. Juli 2024

Der wichtigste Bildungsort ist die Familie.

Vater und Tochter sprechen über eine Aufgabe
aus scinexx.de, 11. 7. 2024                                                                                    zu Levana, oder Erziehlehre

Wie Eltern das wissenschaftliche Denken ihrer Kinder prägen
Studie weist erstmals Einfluss der elterlichen Einstellungen nach

Prägende Denkmuster: Die Eltern beeinflussen das wissenschaftliche Denken ihrer Kinder stärker als gedacht, wie Entwicklungspsychologen herausgefun-den haben. Der Einfluss des Elternhauses liegt dabei nicht primär in der In-telligenz oder Kompetenz der Erziehungsberechtigten, sondern allein in ihrer Einstellung gegenüber Wissen und Bildung. Die Förderung des wissenschaftli-chen Denkens von Kindern sollte demnach nicht länger ausschließlich den Schulen zugeschrieben werden. Vielmehr sollten auch Eltern ihre Einstellung überdenken und ihre Kinder aktiv fördern.

Wenn Kinder experimentieren, Daten sammeln und interpretieren oder wissen-schaftliche Phänomene ergründen, lernen sie schon im Kindergarten und der Grundschule spielerisch eine rationale, zielführende Herangehensweise an Pro-bleme und Forschungsfragen. Diese Kompetenz und Sichtweise, das wissenschaft-liche Denken, wird in unserer Gesellschaft mit ihren vielfältigen globalen Heraus-forderungen immer wichtiger. Denn viele Probleme erfordern ein systematisches und logisches Vorgehen, um Hypothesen zu formulieren, diese zu testen und aus den Beweisen Schlussfolgerungen zu ziehen.

„Während manche Kinder allerdings schon früh geschickt darin sind, sinnvolle Experimente durchzuführen, Muster in Daten zu deuten oder wissenschaftliche Fragen zu erkennen, offenbaren andere Kinder ein begrenztes Verständnis in diesen Bereichen“, sagt Christopher Osterhaus von der Universität Vechta. Obwohl alle Kinder zur Schule gehen und die Förderung des wissenschaftlichen Denkens vor allem den Schulen zugeschrieben wird, entwickeln Kinder nicht im selben Maße wissenschaftliche Kompetenzen.

Welche Rolle spielen die Eltern?

Warum das so ist und ob das Elternhaus dabei eine Rolle spielt, hat Osterhaus nun zusammen Susanne Koerber von der Pädagogische Hochschule Freiburg analysiert. Über fünf Jahre hinweg untersuchten die Entwicklungspsychologen dazu insgesamt 161 Grundschulkinder aus Deutschland im Alter von fünf bis zehn Jahren. Dabei testeten die Forschenden die Kinder jährlich auf ihre wissenschaftlichen Denkfähig-keiten sowie ihre Sprachkompetenz und Intelligenz und verglichen die Entwicklung der Kinder.

Gleichzeitig erfassten Osterhaus und seine Kollegen Merkmale der Familien, wie das Bildungsniveau der Erziehungsberechtigten und ihren sozioökonomischen Status. Außerdem befragten sie die Eltern zu ihren Überzeugungen und Einstel-lungen in Bezug auf Wissen – was sie beispielsweise von Wissenschaft halten, wie Wissenschaftler vorgehen und was ein Mensch ihrer Meinung nach überhaupt wissen kann.

Auf die Einstellung kommt es an

Die Analyse ergab, dass die Wissens-Vorstellungen der Eltern sich langfristig darauf auswirken, wie gut ihre Kinder wissenschaftlich denken können. „Unsere Untersu-chungen haben ergeben, dass Kinder aus Familien mit weiter fortgeschrittenen er-kenntnistheoretischen Ansichten während der gesamten Grundschulzeit bessere Leistungen erbringen als ihre Altersgenossen“, schreiben die Psychologen.

Die elterlichen Überzeugungen hatten sogar dann noch einen Einfluss, wenn die Bildung der Eltern und die generellen kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten der Kinder berücksichtigt wurden. Es kommt demnach nicht auf den Wissensschatz und die Intelligenz der Eltern und Kinder an, sondern vor allem auf deren Ein-stellung gegenüber Wissen, wie das Team ermittelte.

„Was uns wirklich überrascht hat, war die langanhaltende Wirkung der elterlichen Einstellungen“, sagt Osterhaus. „Kinder, deren Eltern ein Verständnis davon hat-ten, dass sich Wissen ändern kann und dass es abhängig ist von sozialen und kultu-rellen Bedingungen, waren nicht nur vor Eintritt in die Schule besser, sondern zeig-ten über den gesamten Zeitraum der Studie eine bessere Entwicklung beim wissen-schaftlichen Denken im Vergleich zu ihren Altersgenossen aus Familien mit weniger unterstützenden Einstellungen.“

Eltern haben größeren Einfluss als die Schule

Die Psychologen schließen aus dieser Beobachtung, dass die Schule nicht in dem Maße ausgleichend zum Elternhaus wirkt, wie allgemein angenommen wird. „Die Effekte der elterlichen Einstellungen auf das wissenschaftliche Denken der Kinder werden durch schulische Einflüsse nicht vollständig ausgeglichen“, so Osterhaus.

Wie die Eltern ihre Einstellungen zu Wissen und Wissenschaft an ihre Kinder weitergeben, wurde in der Studie allerdings nicht untersucht. Die Psychologen nehmen aber an, dass Kinder diese Haltung unbewusst, beispielsweise über Ge-spräche im Alltag, vermittelt bekommen.

Aktive Förderung könnte Kinder noch weiterbringen

Diese Erkenntnisse könnten nun Eltern und Erziehungsberechtigten helfen, die wissenschaftliche Bildung ihrer Kinder noch besser zu fördern. Ein unterstützendes Umfeld könnte Kinder neben der Schule auch zu Hause ermutigen, offene Fragen und ihnen neue Phänomene zu erkunden, und somit die wissenschaftlichen Denk-fähigkeiten der Kinder erheblich stärken, so die Psychologen. Je bewusster sich Eltern und Betreuende ihres Einflusses seien, desto besser könnten sie aktiv zur Entwicklung ihres Kindes beitragen.

„Wir möchten mit unserer Forschung Gespräche über den Wert eines unterstüt-zenden Umfelds für die forschende Haltung von Kindern zu Hause anregen“, so Osterhaus. „Dieser Dialog kann Eltern dazu befähigen, eine aktivere Rolle bei der Förderung der Neugier, des kritischen Denkens und der Problemlösungsfähigkeiten ihrer Kinder zu spielen – was letztendlich eine solide Grundlage für lebenslanges Lernen und Erfolg im 21. Jahrhundert schafft.“

Folgestudie in Japan geplant

Langfristiges Ziel der Forschenden ist es, mit ihren Erkenntnissen Bildungsprakti-ken und Förderprogramme so zu optimieren, dass sie die wissenschaftlichen Denk-fähigkeiten von Kindern stärken. Um herauszufinden, ob ähnliche Ergebnisse wie in Deutschland auch in anderen kulturellen Umgebungen auftreten, planen Oster-haus und seine Kollegen eine Folgestudie mit Grundschulkindern aus Japan. (Developmental Science, 2024; doi: 10.1111/desc.13474)

Quelle: Universität Vechta, 11. Juli 2024 -

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