Dienstag, 30. Juli 2024

Der aufrechte Gang? Das aufrechte Laufen.

um 530 v. Chr.
aus Die Presse, Wien, 21. 7. 2024                                                             zuJochen Ebmeiers Realien, zu Männlich

H. sapiens? H. currens!
Dass der Mensch sich durch Laufen zum Menschen gemacht hat, ist eine so alte wie umstrittene Hypothese. Nun wird sie von ethnologischen Befunden gestützt.
 

"In den alten Zeiten jagten wir den Elch, indem wir ihn auf Schneeschuhen nieder-liefen, wir konnten den ganzen Tag rennen, so wie Wölfe. Nun sind unsere jungen Männer faul geworden. Sie reiten auf ihren Hundeschlitten.“ Das berichtete Mitte des 19.  Jahrhunderts ein Indigener im Norden Amerikas, Ähnliches bekamen Eth-nologen rund um die Erde zu hören: In Borneo war man zu Fuß hinter Hirschen her, in Australien hinter Kängurus, und mancherorts wurde bis vor Kurzem noch so gejagt, in etwa von den San in Halbwüsten Südafrikas.

Dabei kann der Mensch etwas ausspielen, was ihn von anderen Säugetieren unter-scheidet, von seinen Ahnen auch: „Laufen machte uns menschlich – zumindest im anatomischen Sinn“, erklärten 2004 Dennis Bramble (University of Utah) und Daniel Lieberman (Harvard) (Nature 432, S. 345). Das knüpfte an die 20 Jahre zuvor von David Carrier (University of Michigan) entwickelte Hypothese an, der Mensch habe sich selbst erlaufen, und es wird nun – nach wieder 20 Jahren – von Eugéne Morin (Bordeaux) und Bruce Winterhalder (UC Davis) aufgefrischt, etwa mit ethnografischen Berichten wie dem eingangs zitierten (Nature Human Behaviour, 13.5.).

Unsere Ahnen erhoben sich nicht zum aufrechten Gang, sondern zum aufrechten Lauf

Das Laufen soll uns gemacht haben? Wir haben zwar auf kurzen Strecken wenig zu bieten, aber auf langen umso mehr: Selbst Topsprinter schaffen gerade 10,2 Meter pro Sekunde, und das nur 20  Sekunden lang, Geparden bringen es auf 29 m/s, Thompsons Gazellen auf 26,5, über lange Minuten. Aber auf Dauerläufen sind wir schier unermüdlich, manche Langstreckler bewältigen über Monate hinweg jeden Tag einen Marathon: Wir können nicht rasch flüchten, aber zäh verfolgen, etwa Gazellen so lang nachtrotten, bis sie zusammenbrechen. An Überhitzung.

Vor der ist unter allen Tieren nur das geschützt, das Russel Newman 1970 den „schwitzenden Affen“ genannt hat, weil seine Haut kaum behaart und stattdessen mit Schweißdrüsen übersät ist (Human Biology 42, S.12). Aber bevor durch diese etwas fließt, muss der Körper in Gang gehalten werden, dafür sorgen Muskeln eines Typs, der auf Ausdauer spezialisiert wurde und heute noch in Ostafrika verbreitet ist, aus dem seit dem Äthiopier Bikila Abebe, der 1960 – barfuß – den Marathon in Rom gewonnen hat, alle Meister der Langstrecken kommen (während der Sprint von Läufern aus Westafrika bzw. Erben von Sklaven mit einem rascheren Muskeltyp beherrscht wird [Science 305, S. 637]).

Diese Muskeln haben einen molekularen Hintergrund, der scheinbar höchst entle-gen ist, den eines Gens für eine Sialinsäure für ein Enzym in den Zellmembran. Alle anderen Säuger haben ein und die gleiche Variante, erst und nur frühe Ahnen des Menschen haben die vor etwa zwei Millionen Jahren durch eine andere ersetzt, es diente vermutlich der Abwehr von Krankheiten. Aber es hatte weitreichende Konsequenzen für den gesamten Körper, etwa den ausdauernden Muskeltyp, das zeigte Ajit Varki (UC San Diego). Erst ist den molekularen Details nachgegangen (Pnas 107, 8939), und er hat die menschliche Variante Mäusen eingebaut, die dann länger liefen, trotz des Fells (Proc. Roy. Soc. B 2018.1656).

 

Nota. - Da fällt mir ein: Männer haben rund um den Erdball relativ längere Beine als Frauen - wegen ihres Oberschenkelknochens Femur. Ob sie die Pioniere unseres aufrechten Gangs waren, ist fraglich. Aber Pioniere des aufrechten Laufens waren sie gewiss - entweder, weil der Femur sie dazu prädestinierte, oder sie haben, weil sie Pioniere des Laufens waren, einen längeren Femur entwickelt. Der (sic) Mensch stammt, kann man wohl sagen, von den Männern ab.

PS. - Ach, und da fällt mir ein: Wild zu Tode hetzen kann nicht einer allein. Jagende Männer mussten von Anfang an kooperieren. Sachliche Kooperation ist eine kopfi-ge Angelegenheit, und keine bauchige wie gemütvolle Beziehungsarbeit.
JE

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