Freitag, 14. Februar 2025

Die Einbildungskraft bei Kant.

Klicker, pixelio.de                                                            aus Philosophierungen

Einbildungskraft ist das Vermögen, einen Gegenstand auch ohne dessen Gegen-wart in der Anschauung vorzustellen. 

Da nun alle unsere Anschauung sinnlich ist, so gehört die Einbildungskraft, der subjektiven Bedingung wegen, unter der sie allein den Verstandesbegriffen eine kor-respondierende Anschauung geben kann, zur Sinnlichkeit; sofern aber doch ihre Synthesis eine Ausübung der Spontaneität ist, welche bestimmend, und nicht, wie der Sinn, / bloß bestimmbar ist, mithin a priori den Sinn seiner Form nach der Ein-heit der Apperzeption gemäß bestimmen kann, so ist die Einbildungskraft sofern ein Vermögen, die Sinnlichkeit a priori zu bestimmen, und ihre Synthesis der An-schauungen, den Kategorien gemäß, muß die transzendentale Synthesis der Einbil-dungskraft sein, welches eine Wirkung des Verstandes auf die Sinnlichkeit und die erste Anwendung desselben (zugleich der Grund aller übrigen) auf Gegenstände der uns möglichen Anschauung ist. Sie ist, als figürlich, von der intellektuellen Synthesis ohne alle Einbildungskraft bloß durch den Verstand unterschieden. 

Sofern die Einbildungskraft nun Spontaneität ist, nenne ich sie auch bisweilen die produktive Einbildungskraft, und unterscheide sie dadurch von der reproduktiven, deren Synthesis lediglich empirischen Gesetzen, nämlich denen der Assoziation, unterworfen ist, und welche daher zur Erklärung der Möglichkeit der Erkenntnis a priori nichts beiträgt, und um deswillen nicht in die Transzendentalphilosophie, sondern in die Psychologie gehört. 
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Kant, Kritik der reinen Vernunft,
B 151f.


 

Nota. - Kant hat das phänomenologische Verfahren in die Philosophie eingeführt: Er beobachtet, was die Intelligenz auf ihrem Wege wirklich tut, und zerlegt es ana-lytisch, um einen Sinn darin erkenntlich zu machen. Dann allerdings begnügt er sich mit einer Definition. So erhält er z. B. nacheinander die drei Grundvermögen theo-retische Vernunft, praktische Vernunft und Urteilsvermögen. Sie nach ihrer Herkunft alias Wesen zu befragen, hält er nicht für seines Amtes. Zwar deutet er die Möglich-keit an, dass es sich 'im Grunde' nur um verschiedene Handlungsweisen ein und desselben menschlichen Gesamtvermögens handeln könnte, aber er kommt darauf nicht wieder zurück.

Hier nun hat die Beobachtung die Einbildungskraft identifiziert: das Vermögen, einen Gegenstand auch ohne dessen Gegenwart in der Anschauung vorzustellen. So etwas kann die Intelligenz, wir können ihr dabei zusehen, aber woher sie kommt, 'was sie ist', ist nicht weiter zu eruieren. Und dass sie einmal produktiv, ein andermal nur reproduktiv tätig wird, muss lediglich definitorisch unterschieden werden. 

Dabei liegt eine Welt dazwischen, denn als bloß repoduktive fällt sie gar nicht in den Bereich der Philosophie, sondern der Psychologie. Als produktive Einbildungs-kraft jedoch, als "eine Wirkung des
Verstandes auf die Sinnlichkeit und die erste An-wendung desselben (zugleich der Grund aller übrigen) auf Gegenstände der uns möglichen Anschauung", fällt sie geradezu ins Zentrum der Transzendentalphilo-sophie!

Fichte hat sie folgerichtig zum menschlichen Grundvermögen erklärt, aus dem alle andern Tätigkeiten der Intelligenz abzuleiten sind.
JE,
15. 3. 15

 

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