aus scinexx.de, 27. 2. 2025 Fluoreszierende Bakterien der Art
Pseudomonas fluorescens können durch über Genera-tionen hinweg wirkende
Selektion die Fähigkeit zur schnelleren Evolution entwickeln. zu Jochen Ebmeiers Realien
Selektion auf zwei Ebenen
Der Clou dabei: Durch diesen Ablauf wirkt die Selektion auf zwei Ebenen. „Bei den Individuen begünstigt sie diejenigen mit gerade passenden Phänotypen“, erklären Barnett und sein Team. „Bei den Stammeslinien haben diejenigen Vorteile, deren Merkmale die Entstehung adaptiver Phänotypen begünstigen.“ Wenn die Selektion auch auf dieser Ebene wirkt, müssten die Bakterien im Laufe des Experiments demnach eine verbesserte Fähigkeit schneller Anpassung und Mutation entwickeln.
Und tatsächlich: Im Laufe der Generationen bildete sich eine Bakterienlinie heraus, die sich besonders schnell an die wechselnden Bedingungen anpassen konnte. Ihre Zellen entwickelten schneller die Mutationen, die sie für die jeweilige Umwelt brauchten. „Obwohl die Selektion im kleinen Maßstab schnell wachsende Zellen begünstigt, waren die erfolgreichsten Bakterienlinien diejenigen, die die zu den zukünftigen Bedingungen passenden phänotypischen Varianten erzeugen konnten“, berichten Barnett und seine Kollegen.
Hypermutation als Anpassungs-Turbo
Die Ursache für diese „Anpassung ans schnelle Anpassen“ zeigte sich im Genom dieser Bakterienlinie: Im Laufe der Generationen hatten ihre Zellen einen hypermutierbaren DNA-Abschnitt entwickelt. Dieser Genort besitzt eine bis zu 10.000-mal höhere Mutationsrate als normal und kann daher sehr schnell die Funktion eines zentralen Regulatorgens verändern. Dieses wiederum wirkt auf weitere Gene, die die für die Anpassung wichtigen Merkmale steuern, wie die Forschenden erklären.
Für die Bakterien bedeutet dies: In den Populationen mit diesem hypermutierbaren Locus steigt die Wahrscheinlichkeit, dass zumindest einige Zellen die Mutationen tragen, die beim Wechsel der Bedingungen günstig sind. Dadurch überlebt die Population als Ganzes, obwohl sie sich bei jedem Wechsel aufs Neue umstellen muss. Der hypermutierbare Locus ist darauf optimiert, diese Merkmalsveränderung schnell und umkehrbar auszulösen.
Evolution kann eine „Voraussicht“ entwickeln
Die Selektion hat demnach dafür gesorgt, dass diese Bakterienlinie auf zukünftige Veränderungen vorbereitet ist. „Indem wir die Evolution eines hypermutablen Locus nachweisen, zeigen wir, dass es bei der Anpassung nicht nur um das Überleben in der Gegenwart geht, sondern auch um die Verfeinerung der Fähigkeit, sich in der Zukunft anzupassen“, sagt Barnett. Damit stellt das Experiment die klassische Annahme in Frage, nach der die Evolution ohne Voraussicht abläuft.
„Unsere Ergebnisse bieten einen faszinierenden Einblick in die Art und Weise, wie die Evolution eine Art ‚Voraussicht‘ erlangen kann“, ergänzt Barnetts Kollege Paul Rainey. Die natürliche Auslese kann demnach die genetische Architektur so verändern, dass Organismen ihre Anpassung beschleunigen können. Diese Fähigkeit zur schnelleren Evolution könnte beispielsweise erklären, warum sich viele Krankheitserreger so schnell an Medikamente oder neue Wirte anpassen können. (Science, 2025; doi: 10.1126/science.adr2756)
Quelle: Science, Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie; 27. Februar 2025 - von Nadja Podbregar
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