aus scinexx.de, 19. 2. 2025 Wenn wir uns kreativ betätigen, sind in unserem Gehirn gleich mehrere Regionen aktiv. zu Jochen Ebmeiers Realien
Enthemmt: Neurowissenschaftler haben einen umfassenden Schaltkreis im Gehirn entdeckt, der bei kreativen Tätigkeiten aktiv wird. Demnach brauchen wir zum Kreativsein mehrere Hirnareale, die je nach Aufgabe zusammenwir-ken. Sie alle hemmen dabei eine bestimmte Hirnregion im rechten Stirnhirn, die unsere Impulse kontrolliert. Um kreativ zu sein, müssen wir diesen „inne-ren Kritiker“ zeitweise ausschalten, berichtet das Team. Das erklärt auch, war-um bei Menschen mit bestimmten Hirnverletzungen die Kreativität gesteigert ist.
Kreativität ist eine wichtige Voraussetzung, um neue Ideen, Produkte oder Kunst-werke schaffen zu können. Doch wir brauchen Kreativität nicht nur für Innova-tionen, sondern auch in unserem Alltag, um Probleme lösen, improvisieren und uns an veränderte Bedingungen anpassen zu können. Doch welche Gehirnregionen sind entscheidend für unsere Kreativität? Und was passiert, wenn diese Areale verletzt werden? Frühere Studien hierzu kamen zu widersprüchlichen Ergebnissen.
Was passiert bei kreativen Aufgaben im Hirn?
Daher sind Julian Kutsche von der Charité – Universitätsmedizin Berlin und seine Kollegen diesen Fragen erneut nachgegangen. Dafür analysierten sie zunächst die Daten aus 36 verschiedenen Studien, die zwischen 2004 und 2019 veröffentlicht wurden. Diese umfassten per funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) aufgenommene Hirnscans von 857 Patienten, die während der Untersuchung verschiedene Aufgaben durchgeführt hatten. In diesen Aufnahmen suchten Kutsche und seine Kollegen nach jenen Hirnarealen, die bei kreativen Aufgaben wie Zeichnen, Schreiben oder Musizieren aktiv werden.
Die Ergebnisse glichen sie mit einem zweiten fMRT-Datensatz von 691 Menschen aus 30 weiteren Studien ab. Dann analysierten die Forschenden die Hirnscans von 56 Patienten, die eine Hirnverletzung erlitten hatten, sowie von 4.804 Menschen, die an einer neurodegenerativen Erkrankung litten, und verglichen die Aufnahmen mit denen der gesunden Testpersonen. Die Daten zu Hirnschäden stammten aus 189 separaten Studien.

Kreativitäts-Schaltkreis vereint verschiedene Areale
Die Auswertung enthüllte: Es gibt einen gemeinsamen neuronalen Schaltkreis, über den alle kreativen Aufgaben verarbeitet werden. „Wir fanden heraus, dass Kreativität nicht auf eine bestimmte Gehirnregion, sondern auf einen bestimmten Gehirnschaltkreis abgebildet wird“, berichtet Seniorautor Michael Fox vom Brigham and Women’s Hospital der Harvard University.
An diesem Schaltkreis beteiligt sind hunderte verschiedene Hirnareale. Welche Regionen jeweils aktiv sind, hängt von der kreativen Aufgabe ab. Das erklärt, warum frühere Studien unterschiedliche Areale für Kreativität entdeckt haben. Allen gemeinsam ist jedoch, dass diese Areale mit dem rechten Frontalpol verbunden sind, dem vordersten Punkt des hinter der Stirn sitzenden Frontallappens. Wenn die Patienten eine kreative Aufgabe durchführten, wurde demnach stets ein Teil des Kreativitäts-Schaltkreises aktiv, während zugleich der Frontalpol eine verminderte Aktivität zeigte, wie die Hirnscans enthüllten.
Kreativität hemmt den „inneren Kritiker“
Diese Entdeckung nährt die Theorie, dass Kreativität erst dann entsteht, wenn eine andere Hirnfunktion abgeschaltet wird. Denn der rechte Frontalpol ist wichtig für ein regelbasiertes Verhalten und dessen Überwachung. Die Hirnforscher vermuten daher, dass bei kreativer Betätigung die Selbstüberwachung, Selbstbewertung und Selbstzensur gehemmt werden, so dass freie Assoziationen und neue Ideen freier fließen können.
„Um kreativ zu sein, müssen wir vielleicht unseren inneren Kritiker ausschalten, um uns zu erlauben, neue Richtungen zu finden und sogar Fehler zu machen“ sagt Koautor Isaiah Kletenik vom Brigham and Women’s Hospital der Harvard University.

Hirnverletzungen können Kreativität steigern
Bei einigen Menschen mit Hirnverletzungen oder neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson oder ALS sind Teile dieses neu kartierten Schaltkreises beschädigt. Erstaunlicherweise waren aber nur manche der Patienten dadurch weniger kreativ, andere zeigten sogar eine gesteigerte Kreativität, wie die Hirnforscher feststellten. Ein kreativeres Verhalten war unter anderem mit Läsionen am Frontalpol sowie zwei Demenzformen (svPPA und bvFTD) verbunden.
Kutsche und seine Kollegen schließen daraus, dass die Kreativität gemindert oder gesteigert wird, je nachdem welcher Teil des Kreativitäts-Schaltkreises betroffen ist. „Diese Ergebnisse könnten helfen zu erklären, wie einige neurodegenerative Erkrankungen zu einer Abnahme der Kreativität führen können, während andere eine paradoxe Steigerung der Kreativität zeigen können“, so Kletenik.
Kann die Kreativität gezielt stimuliert werden?
Mit den neuen Erkenntnissen darüber, wie Kreativität entsteht und im Hirn verarbeitet wird, könnten künftig auch Methoden entwickelt werden, um das Gehirn gezielt so zu stimulieren, dass die Kreativität gesteigert wird. Folgestudien sollen dafür näher untersuchen, welche Rolle die einzelnen Hirnareale des Kreativitäts-Schaltkreises und insbesondere der rechte Frontalpol spielen. (JAMA Network Open, 2025; doi: 10.1001/jamanetworkopen.2024.59297)
Quelle: Brigham and Women’s Hospital, Harvard University
Nota. - Im Alltag gilt uns als kritisch einer, der immer auf der Lauer liegt, ein Haar in der Suppe zu finden, und dem man es einfach nicht recht machen kann. Dabei kommt kritisch von griechischen krínein her und bedeutet ganz seriös prüfen, beurteilen, ab-wägen.
Doch ist die Umgangssprache psychologisch nicht so weit von den Tatsachen entfernt. Aber um Psychologie geht es dabei gar nicht, sondern um Denken, und da geht es nicht um Neigungen und Motive, sondern um Gründe und Zwecke.
Und die Zwecke sind in der Vorhand. Die Eindildungkraft sprudelt nur so, wenn sie gut gelaunt ist, und bringt manche unverhoffte Figur hervor. Das Urteilsvermögen hat eine Menge Begriffe am Lager, und die legt es kühl und sachlich an die schäumenden Geistesprodukte an. Gute Laune schiebt es zweckmäßiger Weise beiseite, während ein bisschen Griesgram gar nicht schaden kann.
Denn auf das Ergebnis beider kommt es an. Die Menschen machen sich Vorstellungen, weil sie in keine genetisch vorsortierten Umwelt mehr zuhause sind, sondern in einer offenen Welt, in der jederzeit Entscheidungen zu fällen sind, die sich im Leben bewähren müssen.
Je häuslicher die Menschen sich in den Nischen der Welt eingerichtet haben, umso wenigr können sie falsch machen. Sie dürfen ihre Einbildungkraft ruhig ein wenig sprudeln lassen und dem Miesepeter gelegentlich den Mund verbieten. Entscheidend wird immer die Gelegenheit sein. Und um die zu beurteilen, sind beide zugleich erforderlich.
Welche pädagogischen Lehren sich daraus ergeben, liegt so flach auf der Hand, dass ich es nicht aufzuschreiben brauche.
JE
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