Sonntag, 2. Juni 2024

Es gibt keine politische Moral.

                                               zu öffentliche Angelegenheiten

Politische Moral gibt es nicht. Moral sagt, was ich mir schulde, politisch heißt eo ipso öffentlich: Was ich der Öffentlickeit schulde, ist entweder Sache des Rechts - oder eben politisch, nämlich richtig oder falsch. Richtig oder falsch ist etwas nicht an und für sich, sondern in Hinblick auf die Maßstäbe, die man anlegt. Dabei stellt sich immer wieder die Frage: Welcher Gesichtspunkt wiegt schwerer, dieser oder jener? Das ist nicht an und für sich zu entscheiden, sondern immer wieder nur - in Hinblick auf die Maßstäbe. Welche Maßstäbe einer in der Politik anlegt, ist - eine politische Frage. Man kommt nicht umhin, einen obersten Maßstab anzulegen, denn wenn es den nicht gibt, dann gibt es - keine Maßtstäbe.

In persönlichen Angelegenheite darf, oder richtiger, muss wohl ein jeder seiner Maßstäbe selbst bestimmen; wer das nicht tut, kann nicht vorgeben, ein morali-scher Mensch zu sein. Wer der öffentlichrn Meinung frönt oder allgemeingültigen Werten, mag ein braver Kerl sein, aber ein verantwortliches Subjekt ist er nicht.

Politik ist aber, wie im Wort selbst anklingt, eine Sache von Staaten. In Staaten, wo die Öffentlichkeit einen Einfluss, nämlich eine Verantwortung für die Politik hat, und zumal in Demokratien, wo sie letzten Endens selber zu entscheiden hat, wird um die Über- und Unterodnung der Maßstäbe gestritten, und eben das heißt poli-tisch in specie. 

Entscheidungen dieser Art binden offenbar nur diejeingen, die sie getroffen haben. Staatliche Verfassung bindet auch die folgenden Generationen, weil nämlich die an-deren Länder nicht wüssten, wie sie ihre eigenen Maßstäbe jeweils bestimmen dür-fen. Logisch nicht, aber historisch hat das Aufkommen demokratischer Gemeinwe-sen die Ausbildung der Völkerrechts vorausgesetzt, nicht umgekehrt!

Die Anerkennung des Völkerrechts ist ein pragmatisches Gebot, wenn man an Stelle endloser Kriege auch längere Perioden von Frieden ermöglichen will; so nämlich ist das Völkerrecht entstanden, und übrigens auch die herrschende Mei-nung, dass überall Vernunft zu gelten habe. Auch ein in jeder Hinsicht unvernünf-tiges und unverfasstes Gemeinwesen kann sich zweckmäßig ans Völkerrecht halten; aber die andern Staaten wären gegen sich und die Welt verantwortungslos, wenn sie sich darauf verließen. Tatsächlich stehen Völkerrecht und Vernunft in einem Wech-selverhältnis - ausgesprocchen in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

* 

Noch vor kurzen herrschte weltweit die Ansicht, von nun an gälte das Völkerrecht, weil in der Welt die demokratisch verfassten Staaten ein ausschlaggebendes Über-gewicht hätten. Daran sind inzwischen Zweifel aufgekommen; Trump, Putin, Li und demnächst wohl Modi. Die Hierarchie der politischen Maßstäbe wird wieder deutlich: Um das Völkerrecht zu bewahren, sind überall demokratische Verfassun-gen zu stützen und, wo sie nicht gelten, einzuführen. Dies war der Sinn der Allge-meinen Erklärung der Menschenrechte.

Das ist Politik.

Ein jeder kann, und in demokratischen Gemeinwesen sollte er, eine moralische Meinung haben, der Bestand des Rechtsstaats und der bürgerlichen Freiheiten beruht letzten Endes darauf. Das ist das Verhältnis von Politik und Moral.

*

"Haben Sie nie gehört vom Unterschied zwischen Gesinnungsethik und Verant-wortungsethik?"

Doch, hab ich. Einen solchen Unterschied "gibt es" nicht. In die Welt gesetzt hat ihn Max Weber in seinem Vortrag Politik als Beruf, den er 1919 kurz vor seinem Tod gehalten hat. Er redet nicht für dich und mich, sondern für solche, die beab-sichtigen, Politik zu ihrer Lebensaufgabe zu machen und Mandate anzustreben. Die allerdings müssen ihn machen, jeden Tag und bei jeder politischen Entscheidung. Und jeder von ihnen für sich selber, wie jede andere ethische Wahl auch. Sie einem vorgegebenen Codex zu überlassen, wäre so unethisch wie unpolitisch.

 

 

Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Blog-Archiv

Nicht wirklich verzockt.

                                       zu   öffentliche Angelegenheiten So richtig verzockt hat er sich offenbar nicht. Zwar sind die ve...