Donnerstag, 13. Juni 2024

Die Macht der Negation.

J. Grützke
aus Die Presse, Wien, 6. 1. 202                                                     zuJochen Ebmeiers Realien; zu  Philosophierungen 

Menschen glauben eher an Aussagen mit Verneinungen
Über die Ursache der „Negativitätsverzerrung" rätseln die Forschenden noch.

Negative Aussagen werden eher als wahr beurteilt als positive. Dieser Effekt tritt insbesondere dann zutage, wenn die negative Aussage über eine Verneinung erzeugt wird, wie Forschende der Universität Basel in der Fachzeitschrift "Social Cognition" berichten. Wie frühere Arbeiten bereits gezeigt haben, stufen Menschen negativ ge-rahmte Informationen eher als wahr ein als positive - selbst dann, wenn die Aussa-gen inhaltlich faktisch identisch sind.

Dies bezeichnet die Fachwelt als Negativitätsverzerrung in der Wahrheitsbeurtei-lung. Der Kognitionspsychologe Benjamin Hilbig formulierte deshalb einst die gängige Redewendung "traurig, aber wahr" in "traurig, also wahr" um. Aber was macht eine Aussage überhaupt "traurig, also wahr"?

Dieser Frage widmeten sich Rainer Greifeneder, Professor für Sozialpsychologie an der Universität Basel, und seine Kollegin Mariela Jaffé in einer im Fachmagazin "Social Cognition" veröffentlichten Studie. Denn in Zeiten von Fake News sei es von entscheidender Bedeutung zu verstehen, wie Wahrnehmungen von Wahrheit entstehen, um die Gesellschaft vor Fehlinformationen zu schützen.

In einem Online-Experiment unter deutschsprachigen Teilnehmern konnten die Basler Forschenden zeigen, dass negativen Aussagen tatsächlich eher geglaubt wird. Der Satz "61 Prozent der deutschen Frauen sind mit ihrem Aussehen nicht zufrie-den" wird eher als wahr erachtet als der Satz "39 Prozent der Frauen sind mit ihrem Aussehen zufrieden". Zudem zeigte sich, dass Verneinungen eine besonders starke Triebkraft sind: "Nicht zufrieden" ist stärker als "unzufrieden".

Mehr Interpretationsspielraum

Die Forschenden vermuten, dass die Stärke einer negativen Aussage darin liegt, dass sie "den Bereich der möglichen Zustände vergrößert". Was sie damit meinen: "Es gibt eventuell mehr Wege, wie eine Person nicht zufrieden sein kann im Vergleich zu Wegen, wie eine Person zufrieden sein kann", so Jaffè laut einer Mitteilung der Universität Basel. Deshalb könne die verneinte Aussage plausibler erscheinen.

So ergab ein weiteres Experiment denn auch, dass negative Aussagen mehr Inter-pretationsspielraum zulassen. Manchmal, eher oder ein bisschen zufrieden wird demnach eher der Kategorie "unzufrieden" zugeteilt.

Über die Ursache der Negativitätsverzerrung rätseln die Forschenden noch. So könnte der Ursprung in der Evolution liegen: Bei einem Warnsignal rennt man besser einmal zu viel statt einmal zu wenig davon. Auch könne es sein, "dass wir negative Nachrichten eher gewohnt sind, positive hingegen schneller unter den Verdacht des Manipulationsversuchs geraten", sagte Jaffé.

Sowohl für Absender als auch Empfänger von Nachrichten sei es wichtig, sich über die Wirkung von negativ gerahmten Aussagen und Verneinungen bewusst zu sein. Allerdings erachtet es die Forscherin als verwerflich, wenn Verneinung manipulativ eingesetzt würden. Greifeneder und Jaffé zufolge wäre es auch interessant zu unter-suchen, ob sich ihre Ergebnisse für verschiedene Sprachen verallgemeinern lassen. (APA/sda)

 

Nota. - Dieses ist schließt alle andern Möglichkeiten aus. Dieses ist nicht lässt alle andern Möglichkeiten offen. Wer die Verneinung annimmt, ist auf der vergleichs-weise sicheren Seite - könnte man annehmen. Wenn es aber richtig ist, den Men-schen als einen wesentlich Handelnden - oder doch als einen wesentlich handeln-Sollenden - aufzufassen, ist die Positio immer noch sicherer: Man weiß wenigstens, was man ausprobieren soll, bei der Negatio weiß man nicht einmal das.

In Jedem Fall spielt sich das im kognitiven Raum ab, auf einem Feld, wo bereits re-flektiert wird: Schließlich geht es um gesprochene Sätze und nicht um Reflexe. Es auf stammesgeschichtliche Ursachen zurückzuführen, ist daher nicht angezeigt. Es scheint mir eher einer gesellschaftlichen Situation zu entsprechen, in der nur noch wenig entweder-oder vorkommt und man vorsichtshalber erstmal drauf- oder ab-haut, sondern einem komplexen Gewebe von Bedingungen, durch die man sich achtsam hindurchschlängeln muss.

Das klingt mir plausibler, doch seine Positivität beschränkt sich einsteilen darauf, dass der Forscher immerhin weiß, an welcher Fragstellung er am besten anfängt.
JE, 6. 1. 22

 

 

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