Mittwoch, 18. Oktober 2023

Degenerierte Vernunft: tot oder lebendig?


aus spektrum.de, 18. 10. 2023

»DEGENERIERTE VERNUNFT
Reizvoll, aber nicht lebendig
Eine kurzweilige, hochrelevante und originelle Analyse des Unterschieds zwischen künstlicher und menschlicher Intelligenz.


von Ronald Sladky

Künstliche Intelligenz verändert unser Leben und unsere Arbeitswelt radikal. Nicht ver-wunderlich ist es daher, dass sich viele besonders reißerisch mit technischen Dystopien auseinandersetzen. Wildgewordene autonome Killerroboter oder die Zentralisierung von Macht und Information sind selbstverständlich wichtige Themen – allerdings bereits seit Jahrzehnten Teil des Diskurses. »Degenerierte Vernunft« bietet etwas erfreulich anderes: eine sensible Analyse des Unterschieds zwischen künstlicher und menschlicher Intelligenz.
Jörg Phil Friedrich
Degenerierte Vernunft
Künstliche Intelligenz und die Natur des Denkens
Verlag: Claudius Verlag, München 2023
ISBN: 9783532628928 | Preis: 20,00 €

Jörg Phil Friedrich ist nicht nur Philosoph und Publizist, sondern auch seit mehr als 25 Jahren als Softwareentwickler tätig, was ihn zu realitätsnahen und verständlichen Funktions-analysen von KI und maschinellem Lernen befähigt. Kurz und elegant diskutiert er Alan Turings Vorschläge, wie wir testen könnten, ob sich ein System intelligent verhält. Danach geht er auf John Searles Argument ein, dass intelligentes Verhalten allein noch nicht aus-reicht, um sagen zu können, dass ein System tatsächlich intelligent ist, also wirkliches Ver-ständnis hat. Friedrich findet, dass wir noch unabsehbar weit von dieser sogenannten starken KI entfernt sind.


Im Gegensatz zu künstlichen Aromen und Kunstschnee, die durchaus als echt durchgehen könnten, sei KI wie eine künstliche Blume: oberflächlich betrachtet reizvoll und funktional, aber eben nicht lebendig. Die derzeit realisierbare, schwache KI generiere keine eigenstän-dige Bedeutung und spiele ihre Stärken nur in jenen Bereichen der menschlichen Intelligenz aus, die von formalen Abläufen und vorhersehbaren Erwartungen geprägt sind. Vielleicht könne sie uns daher von lästigen Routineaufgaben befreien, damit wir die wilde Schönheit der menschlichen Vernunft entfalten können, also mehr Zeit und Energie für sinnstiftende Kreativität und Zwischenmenschliches haben? Kurzweilig, gut lesbar, hochrelevant und originell.

PS. - Der Ausdruck 'degenerierte' Vernunft ist absolut treffend. Was degeneriert, verleugnet seinen Ursprung und springt in eine neue Entwicklungslinie über. Generiert wurden die intelligenten Maschinen von einem lebendigen Organismus, der als Schnittpunkt von Hirn und Leib Vernunft entwickelt hat. Einen solchen Schnittpunkt, der die Intelligenz mit der Welt vermittelt, hat die Maschine nicht. Sie ist genetisch "aus der Bahn gesprungen".
JE  



Nota. Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE

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