Samstag, 7. Oktober 2023

Wissenschaft, gesunder Menschenverstand und die Vernunft.

Sebastian Bremer, pixelio.de                                                                             zu  Philosophierungen

'Wissenschaft' unterscheidet sich von andern Weisen des Meinens darin, daß sie ein auf sei-ne Gründe hin überprüftes Wissen ist... Die Überprüfbarkeit ("Falsifizierbarkeit", nach Popper) ist ihr kardinaler pragmatischer Unterschied zu anderem Meinen: Sie ist Bedingung der Mitteilbarkeit. Nur wenn mein Wissen auf 'Gründen' beruht, kann ich es einem andern vermitteln: ihm die Gültigkeit meines Wissens "andemonstrieren"! Ich muß in der Begrün-dungskette meines Wissens einen 'Punkt' ausmachen, der dem andern bereits 'als gewiß be-kannt' ist (Wittgenstein). Daran kann ich anknüpfen und aus ihm Schritt vor Schritt mein Wissen "her leiten". Daher sind die Sätze 'Wissenschaft ist begründetes Wissen' und 'Wis-senschaft ist diskursives Denken' [nicht umkehrbar] gleichbedeutend. D.h. wirkliche Wissen-schaft ist schlechterdings nie "voraussetzungslos", sondern argumentiert immer ex conces-sis; denn "irgendwo muß man ja anfangen". [nach Kant: wirkliches Wissen ist immer dog-matisch; aber noch lange nicht dogmatistisch]

Das heißt aber auch, daß 'wissenschaftliches Denken' die Gegebenheit von Wissenschaft als einer kulturellen Dimension (gesellschaftliches Institut) allbereits voraussetzt; d.h. die Vor-handenheit einer wissenschaftlichen Öffentlichkeit. Denn wenn mein Anderer, dem ich das Wissen, das ich selber 'eingesehen' habe, andemonstrieren will, mir bereits solche 'Gründe' konzediert, die lediglich plausibel sind, dann enthebt er sich und ipso facto mich der Prü-fung der einander zugegebenen Gründe; so ist das vielleicht immer noch 'wahres' Wissen; aber nicht Wissenschaft: Wissenschaftlichkeit ist eine Weise der Darstellung - Darstellung "für" einen Andern (und wenn der 'Andre' auch ich selbst: mein kritisches Alter ego wä-re...)

aus e. Sudelbuch; 7. 6. 92

  • Wissenschaft, gesunder Menschenverstand und die Vernunft.
  • Wissenschaft und gesunder Menschenverstand. 
  • Apologie des gesunden Menschenverstands.

Notabene: In nichts unterscheidet sich der gesunde Menschenverstand von der Wissen-schaft als darin, dass er es nicht an jeder Stelle und in jedem Moment mit dem Überprüfen der Gründe so genau nimmt. Was nicht zur Sache gehört, kann übergangen werden, doch so hält es die Wissenschaft selber. Der Unterschied ist letzten Endes doch nur, dass der Wissenschaftler - zumindest, soweit er weiß - nur das Wissen selbst zum Zweck hat, wäh-rend sich der gesunde Menschenverstand mit unsern Alltagsgeschäften abplagt; da muss er und kann aber auch mal mit dem Ungefähr vorlieb nehmen.  
 

In beiden Reichen herrscht der Verstand. Verstand beurteilt die Zweckmäßigkeit der Mittel. Wenn ein ungefähres Ergebnis ausreicht, dann reicht auch ein ungefähres Verfahren, und so ist es im wirklichen Leben. Vernunft dagegen fragt, bevor sie die Mäßigkeiten prüft, nach den Zwecken selbst. Die Zwecke selbst jedoch erschöpfen sich nicht in den unmittelbaren Nützlichkeiten. Und dies, wie wir alle wissen, im gewöhnlichen Leben noch seltener als in der vornehmen Wissenschaft.
31. 7. 18

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