Das heißt aber auch, daß 'wissenschaftliches Denken' die Gegebenheit von Wissenschaft als einer kulturellen Dimension (gesellschaftliches Institut) allbereits voraussetzt; d.h. die Vor-handenheit einer wissenschaftlichen Öffentlichkeit. Denn wenn mein Anderer, dem ich das Wissen, das ich selber 'eingesehen' habe, andemonstrieren will, mir bereits solche 'Gründe' konzediert, die lediglich plausibel sind, dann enthebt er sich und ipso facto mich der Prü-fung der einander zugegebenen Gründe; so ist das vielleicht immer noch 'wahres' Wissen; aber nicht Wissenschaft: Wissenschaftlichkeit ist eine Weise der Darstellung - Darstellung "für" einen Andern (und wenn der 'Andre' auch ich selbst: mein kritisches Alter ego wä-re...)
aus e. Sudelbuch; 7. 6. 92
Notabene: In nichts unterscheidet sich der gesunde Menschenverstand von der Wissen-schaft als darin, dass er es nicht an jeder Stelle und in jedem Moment mit dem Überprüfen der Gründe so genau nimmt. Was nicht zur Sache gehört, kann übergangen werden, doch so hält es die Wissenschaft selber. Der Unterschied ist letzten Endes doch nur, dass der Wissenschaftler - zumindest, soweit er weiß - nur das Wissen selbst zum Zweck hat, wäh-rend sich der gesunde Menschenverstand mit unsern Alltagsgeschäften abplagt; da muss er und kann aber auch mal mit dem Ungefähr vorlieb nehmen.
aus e. Sudelbuch; 7. 6. 92
- Wissenschaft, gesunder Menschenverstand und die Vernunft.
- Wissenschaft und gesunder Menschenverstand.
- Apologie des gesunden Menschenverstands.
In beiden Reichen herrscht der Verstand. Verstand beurteilt die Zweckmäßigkeit der Mittel. Wenn ein ungefähres Ergebnis ausreicht, dann reicht auch ein ungefähres Verfahren, und so ist es im wirklichen Leben. Vernunft dagegen fragt, bevor sie die Mäßigkeiten prüft, nach den Zwecken selbst. Die Zwecke selbst jedoch erschöpfen sich nicht in den unmittelbaren Nützlichkeiten. Und dies, wie wir alle wissen, im gewöhnlichen Leben noch seltener als in der vornehmen Wissenschaft.
31. 7. 18
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