... Erinnert
sich niemand, dass die Gesundheitsmystik in den achtziger Jahren mit
dem grünalternativen Lebensstil aufgekommen ist? Gesundes Brot, Ying und
Yang, Körner und Kräutertee und um Himmels Willen keine Chemie! Sie
strickten in Naturwolle, liefen in Birkenstocklatschen und schoben immer
ein Fahrrad mit sich rum. - Das waren Leute, die noch ein paar Monate
zuvor für den Sieg im Volkskrieg auf die Straße gegangen waren, die
internationale Solidarität hochleben ließen und auf ihren Versammlungen
die Massenlinie beschworen; und im Morgengrauen standen sie wieder vor
den Fabriktoren und verteilten klassenkämpferische Flugblätter. Bis dann
der Ruf "endlich mal an mich selber denken!" den Zauber brach und sich
alle, vom Druck befreit, bedenkenlos dem zuwenden durften, was ihnen
eigentlich immer das Liebste gewesen war: dem Selbst.
Auf
dem Vulkan hatten sie grad mal einen Sommer getanzt, eben genug, um
sich wirklich wichtig fühlen zu können: Das war eine nützliche Vorübung;
"Wie komm ich mir vor?" hatte obendrüber auf den Transparenten
gestanden.
Egozentrik ist
die seelische Grundverfassung der Angestelltenzivilisation. "Erfolg"
brau-chen sie ja gar nicht der Konkurrenz wegen, sondern um sich vorzukommen! Denn worin könnte in der Angestelltenwelt Erfolg denn anders bestehen? Was gibt es da denn zu lei-sten? Gegen
den Leistungsterror, gegen den Konsumzwang - das war der gleitende
Über-gang vom antiautoritären Revoluzzertum zu grünalternativer Erhaltung
der Schöpfung, sie wollten "wie das Wasser sein" und plapperten wie
Bächlein. Aber da ist die Metapher schon am Ende, denn die Bächlein
drehen sich nicht um sich selbst.
Kommentar zu Selbstoptimieren als Sinngebung, JE, 3. 8. 15
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