Dienstag, 12. September 2023

Ganz richtig im Kopf ist doch keiner.

 A. Neumann                                                    zuJochen Ebmeiers Realien

Dass jeder Mensch ein bisschen anders ist, dass die Grenzen des Normalen ein wenig flie-ßen, dass Genie und Wahnsinn bei einander liegen - das sind alles Alltagstrivialitäten, die niemand bestreitet, weil sonst das tägliche Zusammenleben äußerst strapaziös wäre.

Doch muss man sich klarmachen: Das gilt nicht nur für das Ungefähr unserer alltäglichen Begegnungen, sondern in einem strengen Sinn.

Nicht alle Lebern sind gleich, nicht alle Herzen, nicht alle Schilddrüsen, nicht alle Blind-därme. Aber alle von ihnen - nein, der letzte 
nicht - haben im Organismus eine bestimmte Funktion, und wenn sie die in auffälliger Weise nicht erfüllen, sind sie krank.

Für unser Gehirn - so, wie es heute ist, unsere stammesgeschichtlich jüngste Erwerbung - gilt das nicht. Welche genau die Funktionen sind, die es zu erfüllen hätte, kann kein Ana-tom, kein Neurologe, kein Hirnforscher und kein Irrenarzt uns sagen; denn ab wann ein Organismus nicht mehr funktionsfähig ist, ist bei uns längst nicht mehr eine biologische, sondern eine soziokulturelle Frage; und im äußersten Falle eine technologische. Was bei uns irre, was genial und was stinknormal ist, ist vielfältig historisch bedingt - auch das in dieser Abstraktheit eine Trivialität, doch mit den Trivialitäten ist es, wie Friedrich Schlegel einmal bemerkte, so, dass man gerade die Binsenwahrheiten immer wieder mal aussprechen muss, damit nicht in Vergessenheit gerät, dass sie doch Wahrheiten sind.
Kommentar zu Ganz richtig im Kopf ist doch keiner. 26. 12. 16




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