Mittwoch, 20. September 2023

Wo die Vernunft wirklich herkam.

                                                        zu Philosophierungen

Vernunft im Leben 

Ihren Aufstieg zur westlichen Großmacht verdankt die Vernunft weder Galileo und Des-cartes noch Newton und Leibniz. Sie war vielmehr die Folge des Europäischen Bürger-kriegs, der im 17. Jahrhundert weite Teile des Kontinents verheerte. Ob die konfessionelle Zersplitterung seine Ursache oder mehr ein Vorwand war, wird kaum zu entscheiden sein, gewiss ist aber: Wer seinen Glauben ins Feld führte, goss Öl ins Feuer. Eine Rückkehr zu friedlichem Waren- und Geistesverkehr konnten nicht die verfeindeten Bekenntnise, son-dern nur eine geistige Autorität vermitteln, die über ihnen stand.

Ohne die geistigen Vorarbeiten von Hugo Grotius hätten die in Münster und Osnabrück versammelten europäischen Diplomaten sich kaum auf den Westfälischen Frieden ver-ständigen können: "Etsi deus non daretur" - so, als ob es Gott nicht gäbe. Und auch Thomas Hobbes' Entwurf eines absolutistischen Zwangsstaats war ein rationalistisches Friedensprojekt, denn ob Leviathans Haupt nun ein militärischer Usurpator oder ein legitimer Erbfürst war, interessierte ihn gar nicht. Sowohl das auf Naturrecht gegründete vertragliche Völkerrecht als auch die Absolute Monarchie waren Kinder der Vernunft. Ohne sie kein Vernunftzeitalter, keine Aufklärung.

Was ist Vernunft? 'Das, was bleibt, wenn das Dogma entfällt': ein Medium, das erlaubt, unterschiedslos über Alles zu urteilen, während die religiösen Dogmen immer wieder nur Besonderungen hervorriefen. Die elementare Vorstellung von Vernunft ist die einer absoluten Geltung.

Die Sache selbst war nicht neu, eine grobe Ahnung davon längst da, so dass eine Definition sich erübrigte. Denn was vernünftig in specie war, würde sich immer im täglichen Gebrauch einer Fähigkeit konkretisieren, die allen gemeinsam war, sensus communis.

- Vernunft, fernunst von ahd. ferniman, vernehmen. Wahrheiten hören, verstehen [=emp-fangen, passiv!]

- ratioraisonreason: von lat. reor, rechnen, später: kombinieren, erwägen [ratiocinatio bei Cicero: vernünftige philosophischer Überlegung; Römer: Juristik und Anwaltsrhetorik wichtiger als Philosophie; Recht bekommen vor Recht haben [aktiv!]

- bei ratio wird eher an messbare Verhältnisse gedacht, bei Vernehmen eher an Qualia; das eine aktiv konstruierend, das andere mehr passiv 'nehmend'.

Vernunft der Gelehrten 

- Wogegen ratio/Vernunft in ihrem Gebrauch den Anspruch auf Wahrheit schon mitbrin-gen, im ersten Fall mathematisch konstruierend, im zweiten dunkel raunend.

Plato hatte dóxa von epistémê unterschieden, aber eine Vernunft im kategorialen Unter-schied zu anderen intellektiven Modi kannten die Griechen nicht; die Grenzen etwa zwi-schen noûs und lógos blieben fließend. Noûs und davon abgleite nóein bezeichnet eher die subjektive Seite des Für-wahr-Erkennens. Die christliche Dogmatik bevorzugte daher den Logos als GOttes Wort. Neben der Theologie war für eine selbstständige philosophische Spekulation kein Platz.

von einem Notizblatt, vermutl. Sommer 2009

 

Das Obige sollte anscheinend fortgesetzt werden: mit dem Eingang der Vernunft in die spekulative Philosophie. Davon bin ich wohl abgekommen und der Zettel verlor sich in meinen Papieren. Hier nur soviel:

Als das Vernunftzeitalter begann.

Den Versuch, Vernunft zu kodifizieren und ihren Gebrauch unter den Gelehrten verbind-lich zu machen, hatte René Descartes schon 1637, mitten im Dreißigjährigen Krieg, mit dem Discours de la méthode unternommen. Seine Absicht war es ausdrücklich, jenseits der widerstreitenden Einzelmeinungen einen allgemeinen und zwingenden Maßstab zu setzen, an dem der Meinungsstreit schlechterdings und für jeden einsichtig entscheidbar wäre. Er war als Reiteroffizier am Krieg selber beteiligt gewesen und stand dem Problem noch näher als die in Münster und Osnabrück versammelten europäischen Diplomaten.

15. 10. 20


 

Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. J E

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Blog-Archiv

Pausen sind gut und nötig; der Pausenhof ist ein Übel.

                                                          aus Levana, oder Erziehlehre Die Schule ist ein Ort, der Kinder in einer so ...