Montag, 8. Dezember 2025

Wer solche Freunde hat ...

Treffen in Schottland: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 27. Juli 2025 mit Donald Trump auf dem Trump Turnberry Golfplatz 
aus FAZ.NET, 8. 12. 2025                                                                               zu öffentliche Angelegenheiten

US-Sicherheitsstrategie  
„Den Widerstand innerhalb der europäischen Staaten stärken“
In ihrer neuen Sicherheitsstrategie legt die US-Regierung auf 29 Seiten ihre künftigen Zielsetzungen in der Sicherheitspolitik dar. Wir dokumentieren das Europa-Kapitel im Wortlaut.

... Amerikanische Regierungsvertreter haben sich daran gewöhnt, europäische Probleme vor allem in unzureichenden Militärausgaben und wirtschaftlicher Stagnation zu sehen. Daran ist zwar etwas Wahres, aber die wirklichen Probleme Europas sind noch tiefgreifender. Kontinentaleuropa hat an seinem Anteil am weltweiten BIP verloren – von 25 Prozent im Jahr 1990 auf 14 Prozent heute –, teilweise aufgrund nationaler und transnationaler Regulierungen, die Kreativität und Fleiß untergraben.

Der wirtschaftliche Niedergang wird jedoch von der realen und noch düstereren Aussicht auf den zivilisatorischen Untergang überschattet. Zu den größeren Problemen, mit denen Europa konfrontiert ist, zählen die Aktivitäten der Europäischen Union und anderer transnationaler Gremien, die die politische Freiheit und Souveränität untergraben, eine Migrationspolitik, die den Kontinent verändert und Zwietracht sät, die Zensur der freien Meinungsäußerung und die Unterdrückung der politischen Opposition, der Einbruch der Geburtenraten und der Verlust der nationalen Identität und des Selbstbewusstseins.

Sollten sich die aktuellen Trends fortsetzen, wird der Kontinent in 20 Jahren oder weniger nicht mehr wiederzuerkennen sein. Daher ist es alles andere als sicher, ob bestimmte europäische Länder dann über Volkswirtschaften und Streitkräfte verfügen werden, die stark genug sind, um verlässliche Verbündete zu bleiben. Viele dieser Nationen verschärfen derzeit ihren eingeschlagenen Kurs. Wir wollen, dass Europa europäisch bleibt, sein zivilisatorisches Selbstbewusstsein wiedererlangt und seine fehlgeleitete Fokussierung auf überbordende Regulierung aufgibt.

Dieser Mangel an Selbstbewusstsein zeigt sich am deutlichsten in den Beziehungen Europas zu Russland. Die europäischen Verbündeten genießen gegenüber Russland in fast jeder Hinsicht einen erheblichen Vorteil an „Hard Power“ – mit Ausnahme von Atomwaffen. Infolge des Krieges Russlands in der Ukraine sind die europäischen Beziehungen zu Russland inzwischen stark belastet, und viele Europäer betrachten Russland als existenzielle Bedrohung. Die Gestaltung der europäischen Beziehungen zu Russland wird erhebliches diplomatisches Engagement der USA erfordern, sowohl zur Wiederherstellung von Bedingungen strategischer Stabilität im eurasischen Raum als auch zur Verringerung des Risikos eines Konflikts zwischen Russland und europäischen Staaten.

Es ist ein Kerninteresse der Vereinigten Staaten, eine zügige Beendigung der Feindseligkeiten in der Ukraine zu verhandeln, um die europäischen Volkswirtschaften zu stabilisieren, eine unbeabsichtigte Eskalation oder Ausweitung des Krieges zu verhindern, die strategische Stabilität mit Russland wiederherzustellen und den Wiederaufbau der ­Ukraine nach den Kampfhandlungen zu ermöglichen, sodass sie als funktionsfähiger Staat überleben kann.

Der Krieg in der Ukraine hat den perversen Effekt gehabt, Europas, insbesondere Deutschlands, Abhängigkeit vom Ausland zu vergrößern. Heute errichten deutsche Chemieunternehmen einige der größten Verarbeitungsanlagen der Welt in China und nutzen dafür russisches Gas, das sie im eigenen Land nicht beziehen können. Die Trump-Regierung gerät in Konflikt mit europäischen Verantwortungsträgern, die unrealistische Erwartungen in Bezug auf den Krieg hegen und in instabilen Minderheitsregierungen sitzen, von denen viele grundlegende Prinzipien der Demokratie mit Füßen treten, um die Opposition zu unterdrücken. Eine große Mehrheit der Europäer wünscht sich Frieden, doch dieser Wunsch schlägt sich nicht in der Politik nieder – vor allem wegen der Aushöhlung demokratischer Verfahren durch diese Regierungen. Dies ist für die Vereinigten Staaten strategisch wichtig, gerade weil sich europäische Staaten nicht selbst reformieren können, wenn sie in einer politischen Krise gefangen sind. ...

 

Nota. - Amerika ohne den Beitrag Europas wäre Wilder Westen plus Gangs Of New York - ach nein, selbst letztere waren eine europäische Mitgift. Der amerikani-sche Minderwertigkeitskomplex gegenüber The Old Continent hat neben autoch-thonem Bereicherungstrieb nicht unwesentlich die amerikanische Weltpolitik be-stimmt. Hätte das mit Deutschland verbündete Japan nicht Pearl Habor bombar-diert, hätte Roosevelt seine Landsleute nur schwer dazu gekriegt, gegen den Natio-nalsozialismus in den Krieg zu ziehen. Doch als es so weit war, machte das Gefühl sich breit, eine historische Schuld abzutragen. Und als Europa von Osten her be-droht wurde, konnte der Bereicherungstrieb sich ganz gut mit der Aura schmücken, die eigenen Wurzeln zu beschützen.

Dass die USA sich im Kalten Krieg zur Schutzmacht des Westens aufwarfen, lag durchaus im eignen Interesse. Doch Europas ließ es sich gern gefallen, es sparte enorme Kosten. Seit Amerika nun nicht mehr Schirmherr der demokratischen Welt ist, sind ihm diese Kosten lästig, und großmütig stellen sie auch dies als einen Dienst an Europa dar: Sie wollen seine Identität wahren und vor Migration und Kulturverfall schützen.

Fast möchte man meinen, Trump und Hegseth verfügten über einen misskannten sarkastische Humor. Es ist ihnen in ihrer unverfrorenen historischen Unbedarftheit aber zuzutrauen, dass sie's ganz ernst meinen (oder drauf pfeifen).  Aber sie haben unvorsichtig ein Thema angesprochen: Was gibt es in Europa zu verteidigen?   

*

Migration ist dabei ein Thema, das uns allerdings bei den Ohren kneift: Hätte Europa im Herbst 2015 das Thema aufgegriffen, das Angela Merkel ihm leider ohne die nötige Deutlichkeit aufgebunden hat, stünden wir heute den MAGAken anders gegenüber. Es ist ein epochales Problem von globalen Ausmaßen, und kann nur in kontinentalen Dimensionen bemeistert werden. Es war der Moment, wo sich Europa zu einer Größe hätte zusammenraffen können und sollen, aber er wurde verpasst. Dass in diesen Dingen heut noch immer nur verzweifelte Flickschusterei machbar ist, ist schlimm genug.

Aber dass wir jetzt vor Trump&Co. wie dumme Jungens dastehen, ist tausendmal schlimmer.
JE

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