
aus scinexx.de, 5. 12. 2025 zu Jochen Ebmeiers Realien
Entstand der Homo sapiens in Südafrika?
DNA-Analysen zeigen uraltes und einzigartiges Erbgut bei steinzeitlichen Afrikanern.
Verlagerte Wurzeln: Die Wiege des Homo sapiens stand möglicherweise woanders als gedacht – im tiefen Süden Afrikas statt in Ostafrika. Indizien dafür liefern DNA-Analysen steinzeitlicher Jäger und Sammler aus Südafrika. Sie enthüllen, dass das Erbgut dieser Menschen uralte und einzigartige Genvarianten enthielt. Diese Population blieb zudem mehr als 200.000 Jahre isoliert, wie Forschende in „Nature“ berichten. Das spricht für einen sehr frühen Ursprung – und eine Schlüsselrolle für die Entwicklung unserer Art.
Die Wiege des Menschen stand in Afrika – so viel scheint klar. Doch wo in Afrika unsere Spezies, der Homo sapiens, entstand, ist bisher strittig. Lange galt Ostafrika als unser Ursprungsort, weil einige der ältesten Fossilien des Homo sapiens dort gefunden wurden. Aber 2011 weckte eine DNA-Studie daran erste Zweifel. Sie enthüllte, dass einige Naturvölker im Süden Afrikas ein überraschendes altes und variantenreiches Erbgut besitzen. Eine solche Vielfalt ist zeugt normalerweise von tiefen Wurzeln und fehlenden genetischen Flaschenhälsen durch vergangene Migrationen.

Wo stand die Wiege des Homo sapiens?
Noch verwirrender wurde die Lage, als im Jahr 2017 die ältesten bekannten Fossilien des Homo sapiens entdeckt wurden. Denn die 300.000 Jahre alten Relikte fanden sich nicht in Ostafrika oder Südafrika, sondern in Marokko – und damit in einem Teil Afrikas, von dem niemand eine so frühe Präsenz unserer Vorfahren erwartet hätte. Anfang 2025 legten DNA-Vergleiche dann auch noch nahe, dass unsere Spezies aus zwei Gründerpopulationen entstanden sein könnte.
Was aber bedeutet dies für unsere Herkunft? Neue Hinweise auf die Wiege des Homo sapiens liefern nun weitere DNA-Daten – und wieder stammen sie aus Südafrika. Forschende um Mattias Jakobsson von der Universität Uppsala haben dort die DNA von 28 Menschen untersucht, die vor 10.200 bis 150 Jahren im südlichen Afrika lebten. Sie verglichen deren Genome mit denen von früheren und heutigen Menschen aus anderen Populationen in Afrika, Europa und Asien.
Einzigartiges Genom
Die Analysen enthüllten: „Alle von uns untersuchten Steinzeit-Menschen aus Südafrika zeigen eine DNA-Zusammensetzung, die außerhalb der genetischen Bandbreite moderner Menschen liegt“, berichten Jakobsson und sein Team. „Sie bilden ein Extrem in der Spanne der menschlichen Genvielfalt.“ Diese urzeitlichen Afrikaner trugen demnach zahlreiche Genvarianten in ihrem Erbgut, die es nirgendwo sonst auf der Welt gab und gibt.

Auch die genetische Vielfalt innerhalb dieser prähistorischen Population Südafrikas war überraschend hoch. „Im Erbgut dieser wenigen Menschen finden wir die Hälfte aller bekannten menschlichen Genvarianten. Alle anderen Populationen teilen sich die andere Hälfte“, berichtet Jakobsson. Damit bestätigen die neuen Analysen die Resultate der früheren DNA-Studie von 2011: Auch sie deuten darauf hin, dass die menschlichen Wurzeln in Südafrika besonders weit zurückreichen.
Ursprünglich und 200.000 Jahre lang isoliert
„Diese urzeitlichen Genome verraten uns, dass das südliche Afrika eine Schlüsselrolle für die Entwicklung des Menschen gespielt haben muss – vielleicht sogar wichtigste überhaupt“, sagt Jakobsson. Tatsächlich ergaben weitere Analysen, dass viele der bei diesen Steinzeit-Afrikanern gefundenen Genvarianten für die frühe Entwicklung des Homo sapiens entscheidend gewesen sein könnten. Sie umfassen Gene, die die Hirnentwicklung und kognitiven Fähigkeiten förderten, aber auch Varianten, die die Menschen hitzetoleranter machten.
Hinzu kommt, dass die Gene dieser Population extrem alt sind und sich im Laufe der Jahrtausende kaum verändert haben, wie die DNA-Vergleiche zeigten. Obwohl die untersuchten Toten vor frühestens 10.700 Jahren lebten, scheint ihre Population schon vorher fast 200.000 Jahre lang isoliert gelebt zu haben. „Es gibt keinerlei Indizien für eine Einwanderung oder einen Austausch mit anderen Populationen“, erklärt Jakobsson.

Entwickelte sich der Homo sapiens in Südafrika?
Zusammengenommen legen diese Ergebnisse nahe, dass unsere Spezies vielleicht in Südafrika entstanden ist. Denn die Vorfahren der dort lebenden Naturvölker teilten sich offenbar als erste Gruppe vom gemeinsamen Vorfahren aller Homo-sapiens-Populationen ab. Die neuen Daten widersprechen damit auch früheren Annahmen, nach denen der anatomisch moderne Mensch erst vor rund 50.000 Jahren nach Südafrika einwanderte und die dort vorkommenden archaischen Vorläufer unserer Art ablöste
„Mithilfe immer besserer DNA-Analysen beginnen wir allmählich, die Beziehungen früher Menschenpopulationen zu entschlüsseln“, sagt Koautorin Carina Schlebusch von der Universität Uppsala. „Das hilft uns dabei zu verstehen, wie der anatomisch moderne Mensch sich auf dem afrikanischen Kontinent entwickelt hat.“ (Nature, 2025; doi: 10.1038/s41586-025-09811-4)
Quelle: Nature, Uppsala University, University of Johannesburg; 5. Dezember 2025 - von Nadja Podbregar

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