aus derStandard.at, 21. 11. 2025 zu Jochen Ebmeiers Realien
Als Angeliki Spathopoulou während ihrer Masterarbeit in Harvard klar wurde, wie wenig über Schizophrenie bekannt ist, stand für sie fest: Sie wollte mehr Wissen über die Erkrankung gewinnen. Die Griechin ist Postdoktorandin im Labor von Frank Edenhofer an der Universität Innsbruck und möchte mithilfe von Gehirn-Modellen, sogenannte Organoide, die Krankheit Schizophrenie enträtseln. In ihrer Forschung am Institut für Molekularbiologie geht es auch darum, neue Diagnosemöglichkeiten zu entwickeln. Für ihre Arbeit wurde die Wissenschafterin kürzlich mit einem der mit 25.000 Euro dotierten L’Oreal For Women in Science Awards geehrt. Die zusammen mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), der Unesco und dem Wissenschaftsministerium vergebene Auszeichnung soll gezielt herausragende Wissenschafterinnen in ihrer Karriere unterstützen. "Die Preisverleihung war großartig, als würden wir alle gemeinsam die Wissenschaft feiern", erzählt Angeliki Spathopoulou.
"Schizophrenie wird immer noch stark stigmatisiert. Gleichzeitig wissen wir noch sehr wenig über die Krankheit, die aus einem Zusammenspiel von Umwelt und Genetik entsteht", erklärt Spathopoulou. Von Zwillingsstudien weiß man, dass die Genetik nicht allein ausschlaggebend für die Erkrankung ist: Es gab Zwillinge, bei denen ein Kind an Schizophrenie erkrankte, das andere nicht. Dieser Umstand macht die Erforschung der Krankheit alles andere als einfach. In ihrem Doktorat, das Spathopoulou ebenfalls an der Uni Innsbruck absolvierte, konnte sie mithilfe zweidimensionaler Organoide zeigen, dass bereits früh in der Entwicklung die Kommunikation zwischen den Nervenzellen gestört ist. Für ihre Studie arbeitete sie mit Stammzellen, die aus dem Gewebe von Schizophreniepatienten gewonnen wurden, und stellte deren Weg zur Nervenzelle nach.
Bei der Analyse fiel auf, dass die Vorläuferzellen der Neuronen Schwierigkeiten hatten, einen Neurotransmitter, die Gamma-Aminobuttersäure (Gaba), herzustellen. Dieser ist der wichtigste inhibitorische Neurotransmitter im Gehirn. Während andere Neurotransmitter aktivieren, bremst Gaba ab. Damit hilft er, das Orchester der elektrischen Signale im Takt zu halten. "Das zeigte uns, dass die Krankheit womöglich schon viel früher beginnt, als wir bisher dachten", erklärt Spathopoulou. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Molecular Psychiatry publiziert. Bis zum vollständigen Verständnis von Schizophrenie ist es aber noch ein weiter Weg. In einem nächsten Schritt möchte Spathopoulou die Krankheit in einem detailgetreueren 3D-Modell nachstellen. ...
Nota. - Was immer die Folgeforschungen erbringen werden: Gewiss ist wohl schon, dass auch die psychische Krankheit keine lineare Folge einer identifizierbaren Noxa ist, sondern sich in einer prozessierenden Reihe von Wechselwirkungen verschiede-ner Faktoren entwickelt. Den zeitlich frühesten dieser Faktoren mag man als Aus-gangsbedingung auffassen, nicht aber als Ursache in dem Sinne, dass die Reihe sich mit Notwendigkeit fortsetzen musste. Und einer dieser Faktoren ist in jedem Fall, was der Gesamtorganismus aus dieser Bedingung macht, und dabei spielen die be-wussten Lebensentscheidungen, die das Subjekt trifft, eine differenzierende Rolle. Welche Rolle das ist und in welchem Verhältnis sie zu den biologischen und den externen Faktoren steht, wird man in jedem Einzelfall erst noch bestimmen müs-sen. In keinem Fall wird man aber allein organische Determinanten mit einander verrechnen dürfen.
Insofern hat die referierte Untersuchung wegbereitende Bedeutung.
JE
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