aus welt.de 13. 5. 2024 alle leitenden Neuronen in einem Teil der Gehirnprobe zu Jochen Ebmeiers Realien
Auf Basis eines echten Hirnfragments eines Menschen haben US-Forschende ein extrem detailliertes 3D-Computermodell von Teilen der Großhirnrinde erzeugt. Der rekonstruierte Bereich ist dabei nur einen Kubikmillimeter groß, wie das Team um Alexander Shapson-Coe vom Center for Brain Science der Universität Harvard im Fachblatt „Science“ schreibt.
Aufgrund der enormen Komplexität unseres Gehirns finden sich aber schon in diesem winzigen Ausschnitt Dutzende Millionen einzelner Strukturen. Das Modell beinhaltet 57.000 Zellen (darunter rund 16.000 Neuronen), 23 Zentimeter an Blutgefäßen und 150 Millionen Synapsen, wie Shapson-Coe und sein Team berichten. Auch sogenannte Gliazellen, die unter anderem Stütz- und Versorgungsaufgaben im Nervengewebe übernehmen, sind zu sehen. Zudem kann man Myelin, die isolierende Schicht um die Fortsätze der Nervenzellen, erkennen.
Solche detaillierten Aufnahmen des Gehirns – einschließlich von Neuronen und deren Verknüpfungen - sind wichtig, um die Funktionsweise des Gehirns zu verstehen. „Das menschliche Gehirn ist ein äußerst kompliziertes Gewebe. Bislang ist aber nur wenig über seine zelluläre Mikrostruktur, wie beispielsweise die synaptischen Schaltkreise, bekannt“, schreibt das Team. Aber: Unterbrechungen dieser Schaltkreise seien wahrscheinlich mit verschiedenen Erkrankungen des Gehirns verbunden.
Als Vorlage für das Modell diente ein winziges Stück des sogenannten Temporallappens der Großhirnrinde eines lebenden Menschen. Hirnchirurgen hatten das Fragment einer 45-jährigen Frau entnommen, um bei einer operativen Behandlung von Epilepsie Zugang zu einem bestimmten Bereich im Hippocampus zu bekommen. Das entnommene Fragment würde rein rechnerisch 1000 Mal in einen Würfel mit einem Zentimeter Seitenlänge passen.
Ein einzelnes Neuron (weiß) und alle Nervenfortsätze anderer Neuronen, die mit ihm verbunden sind
Mithilfe von Elektronenmikroskopie durchleuchtete das Team um Shapson-Coe das Hirnfragment Schicht für Schicht. Dabei entstanden 1400 Terabyte an Daten. Daraus konstruierte die Forschungsgruppe dann das dreidimensionale Computermodell. Es ist im Internet frei zugänglich, auch interessierte Laien können sich also mit etwas Übung durchs Gehirn scrollen.
Die Forscher um Shapson-Coe haben mit ihrem 3D-Modell schon erste Erkenntnisse erlangt. So zählten sie im abgebildeten Bereich doppelt so viele Glia- wie Nervenzellen. Der am häufigsten vorkommende Zelltyp seien sogenannte Oligodendrozyten. Diese Zellen gehören zu den Gliazellen, umgeben die Fortsätze der Neuronen, die für die Weiterleitung von elektrischen Signalen zuständig sind, und bilden dort die isolierende Myelinschicht.
Die Forscher hoffen, dass auch andere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen das neue Hirnmodell nutzen. „Weitere Studien mit dieser Anwendung könnten wertvolle Einblicke in die Geheimnisse des menschlichen Gehirns bringen.“ Zwar steckten Bemühungen, Daten zur Konnektivität neuronaler Schaltkreise zu verstehen, noch in den Kinderschuhen. „Aber dieser Petabyte-Datensatz ist ein Anfang.“
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