Montag, 13. November 2023

Werten-in-actu.

 
aus scinexx.de, 10. 11. 2023                                                                           zuJochen Ebmeiers Realien   zu Philosophierungen

Wo Unwohlsein im Gehirn entsteht
Verständnis neuronaler Strukturen eröffnet bessere Therapiechancen bei Parkinson

Neue Erkenntnisse aus dem Gehirn: Forschende haben herausgefunden, in welchem Hirnareal Unbehagen und Abneigung entstehen. Sie entdeckten, dass eine Aktivierung des Nucleus subtha-lamicus in Mäusen ein starkes Unbehagen hervorruft. Da diese Gehirnregion bei Parkinson-Patien-ten therapeutisch stimuliert wird, könnte die Studie erklären, warum bei der Behandlung von Parkinson teils depressive Nebenwirkungen auftreten. Demnach könnte dieses Hirnareal auch eine Rolle bei der Entstehung von Depressionen spielen. Die Ergebnisse könnten somit zu besseren Behandlungen von Parkinson und anderen Krankheiten führen

Bei der Parkinson-Krankheit ist die Gehirnregion des Subthalamus (Nucleus subthalami-cus), die willkürliche Bewegungen und unser Verhalten steuert, übermäßig aktiv. Die Sti-mulation dieser Gehirnregion mit implantierten Elektroden „korrigiert“ dies und beseitigt bei Parkinson-Patienten oft sehr gut das typische Zittern und andere motorische Beschwer-den dieser neurodegenerativen Erkrankung. Bei einigen Patienten treten jedoch Nebenwir-kungen wie schwere Depressionen auf. Warum das so ist, hat nun eine Forschungsgruppe herausgefunden  

Forschende um Gian Pietro Serra von der Universität Uppsala untersuchen seit Längerem anhand von Mäusen, was passiert, wenn der Subthalamus durch tiefe Hirnstimulation akti-viert wird. In einer früheren Studie fanden sie bereits heraus, dass Mäuse, deren Subthalamus auf diese Weise aktiviert wird, der Stimulation zu entkommen versuchen. 

Gezielte Aktivierung des Nucleus subthalamicus

Nun haben Serra und sein Team genauer untersucht, warum ihre Testmäuse die Hirnstimulation offenbar als unangenehm empfanden. Dafür verwendeten sie eine optogenetische Methode, um gezielt den Nucleus subthalamicus von Mäusen und kein anderes Hirngewebe zu stimulieren. Mit Licht aktivierten oder deaktivierten sie dabei im Gehirn von gentechnisch veränderten Mäusen einzelne Neuronen, die lichtempfindliche Proteine auf ihrer Oberfläche trugen.

Mithilfe von spezifischen molekularen Markern unterschieden die Forschenden dabei den Nucleus subthalamicus exakt von seinen umgebenden neuronalen Strukturen. Dadurch konnten sie untersuchen, wie einzelne Neuronen im Gehirn der Mäuse durch das Licht beeinflusst wurden und wie sich die Mäuse verhielten, wenn die Neuronen mehr oder weniger aktiv waren.

Mäuse vermeiden Gefühl des Unwohlseins

Die Versuche zeigten: Wird der Subthalamus bei den Mäusen stimuliert, erzeugt dies bei den Tieren offenbar ein ausgeprägtes Unwohlsein. Sie reagieren mit einem Gefühl der Abneigung oder Angst. Das erkannten die Forschenden daran, dass die Tiere wiederholt ihr Fell im Gesicht pflegten – ein Verhalten, das aus früheren Studien bekannt ist.

 Überraschenderweise vermieden die Tiere die Versuchssituation jedoch nicht nur während der Aktivierung des Nucleus subthalamicus, sondern auch, wenn diese Hirnregion in einem späteren Versuch nicht aktiviert wurde. Die Forschenden schließen daraus, dass die Mäuse sich das erlebte Unbehagen merkten und vorsichtshalber die Situation vermieden. Die Assoziationen der erlebten Situation mit dem negativen Gefühl waren demnach stark genug, um das Verhalten aufrechtzuerhalten.

„Unsere Studie zeigt, dass diese Region des Gehirns bei Stimulation an Abneigungs- und Vermeidungsverhalten beteiligt ist“, erklärt Seniorautorin Åsa Wallén-Mackenzie von Universität Uppsala. Damit haben sie und ihre Kollegen nun den Ort im Gehirn identifiziert, der Unwohlsein und Abneigung erzeugt: den Nucleus subthalamicus. Zudem haben sie neuronale Schaltkreise identifiziert, die diese Region mit dem emotionalen System des Gehirns verbinden, das bei starkem Unwohlsein aktiv wird.

Zusammenhang mit Depression und Parkinson

Das Gefühl der Abneigung erfüllt den Forschenden zufolge eine biologisch wichtige Funktion: Sie lässt Tiere und uns Menschen Dinge meiden, die uns ein schlechtes Gewissen bereiten. Aus früheren Studien ist jedoch auch bekannt, dass eine starke Aktivierung des Abneigungssystems des Gehirns bei uns Menschen zu Depressionen führen kann.

 „Dass der Subthalamus Abneigungs- und Vermeidungsverhalten hervorruft, ist daher eine wichtige Erkenntnis. Sie erweitert unser Verständnis des emotionalen Systems des Gehirns und wie die Hirnaktivität zu psychiatrischen Symptomen wie Depression und Apathie führen kann“, sagt Wallén-Mackenzie. „Außerdem könnte es erklären, warum bei Menschen mit Parkinson-Krankheit, die mit tiefer Hirnstimulation behandelt werden, solche Nebenwirkungen auftreten können.“

Hoffnung auf verfeinerte Therapie bei Parkinson

Damit liefern diese Ergebnisse nicht nur neue Erkenntnisse darüber, wo im Gehirn Unwohlsein und Abneigung entstehen, sie könnten auch von praktischem medizinischem Nutzen sein. „Da wir nun zeigen können, dass der Subthalamus eine direkte Verbindung zur Abneigung hat und mit dem Depressionszentrum des Gehirns verbunden ist, können wir diese Nebenwirkungen bei der Behandlung von Parkinson-Patienten neurobiologisch verstehen und erklären“, sagt Serra.

„Unsere Studie ebnet den Weg für eine verbesserte klinische Präzision dieser Behandlungen“, erklärt Mackenzie. Ziel sei es, die Krankheitssymptome zu behandeln, ohne schwere Nebenwirkungen zu verursachen. Das könnte auch bei anderen Krankheiten wie Tremor, Tourette sowie Zwangs- und Essstörungen hilfreich sein, die ebenfalls durch Stimulation des Subthalamus behandelt werden. Weitere Studien sind jedoch nötig, um aufzudecken, welche Neuronen innerhalb des Subthalamus an dem beobachteten Vermeidungsverhalten und Depressionen beteiligt sind. (Cell Reports, 2023; doi: 10.1016/j.celrep.2023.113328)

 Quelle: Schwedischer Forschungsrat; 10. November 2023 - von Claudia Krapp

 

Nota. - Ist am Ende gar der Subthalamus die Quelle des ästhetischen Vermögens bei uns Menschen? Und warum dann nur bei uns und nicht auch bei Tieren - Mäusen zum Beispiel? Wenn Menschen Hunger oder Durst empfinden, dann essen oder trinken sie. Und wenn sie frieren, suchen sie sich ein warmes Plätzchen; Mäuse ja wohl auch, dazu brauchen sie kei-nen Subthalamus. Da senden Sinneszellen Signale an Neurone, die senden ihrerseits Signale an andere Sinneszellen; Reize und Reaktionen, so geht das Leben seinen Weg. 

Nämlich wenn ungute Folgen bereits eingetreten sind. Das wäre aber doch ein recht beschwerliches Leben, an dem nicht jedes Individuum wirklich hängen könnte. 'Na ja, sie lernen eben', sagt der Verhaltensforscher; Konditionierung! Das ist bloß ein Wort. Wie geht das in specie vor sich? Jetzt wissen wirs: Das macht der Subthalamus. Er reagiert offenbar auf subtile Sinnesreize im Vorfeld von Stimulus/Response. Erwartung spielt eine Rolle, sie affiziert anscheinend den ganzen Organismus und hat die Reize schon gewissenmaßen ein-gefärbt, bevor sie bei den Neuronen ankommen.

Wie soll man das anders nennen denn eine vorausschauende Wertung? 

Dass wir sowas können, wussten wir, jetzt wissen wirs noch besser. Aber dass Tiere das auch können, haben wir nicht geahnt. Werten, bevor eine Erfahrung gemacht wurde; wäh-rend sie noch gemacht wird, das nennt man ästhetisches Vermögen - und galt als das aus-schließend menschliche Privileg. Man sollte also annehmen, eine phylogenetisch ganz rezente Neuerwebung. 

Und jetzt schon bei den Mäusen!

Die Frage ist aber nicht, wo die Anlage dazu herkommt, sondern wie weit sie es wo ge-bracht hat; und da kommen eine ganze Reihe anderer Anlagen mit ins Spiel, aber vor allem: eine ganze Reihe von Gelegenheiten und Versuchungen. Die verlocken sie, damit etwas anzufangen.

Atmen tun Mäuse auch. Aber Saxophon spielen können sie nicht


Zur Abrundung noch dies:

Dieses Werten-in-actu steht im Modus der Negation. Nicht was als besonders erfreulich vorhergesehen wird, kann der Subthalamus anzeigen, sondern im Gegenteil: was besser zu vermeiden ist. Normal ist, dass sich das Individuum seines Lebens freut. Das ist anschei-nend der Default Modus eines lebendigen Organismus. Die Störung ist ein Unfall, vor dem gewarnt wird. Das Individuum erhält Gelegenheit, in letzter Sekunde noch auszuweichen. Ein Ja ist lebenspraktisch ein ausgebliebenes Nein. 
JE

 

 

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