aus spektrum.de, 9. 11. 2023 Beim Tauziehen würde wohl ein Roboter gewinnen – aber nur wenn er genau dafür gebaut wurde. zuJochen Ebmeiers Realien zu Philosophierungen
Warum der Mensch Robotern überlegen ist
Zwar
gelingen Maschinen spezielle Bewegungen überragend schnell oder
präzise, und einzelne Komponenten mögen robuster und stärker sein. Aber
eine umfassende Analyse zeigt nun: Wenn es darum geht, unsere
alltägliche Welt zu bewältigen, liegen wir konkurrenzlos vorn –
zumindest noch.
Maschinen
haben schnellere und stärkere Komponenten, und einzelne
Bewegungsabläufe meistern sie perfekt. Doch Menschen sind vielseitiger
und daher besser für eine abwechs-lungsreiche Umgebung gerüstet. Selbst
die 27 leistungsfähigsten Roboter, die sich mit uns vergleichen lassen,
schlagen uns womöglich in speziellen Disziplinen, aber können uns im
Allgemeinen nicht übertrumpfen. Das zeigt jetzt eine umfassende Analyse,
die Robert Riener, Professor für Sensomotorische Systeme an der
Eidgenössischen Technischen Hoch-schule Zürich, gemeinsam mit zwei
Kollegen durchgeführt hat.
Anlass zu der im November 2023 im Fachjournal »Frontiers in Robotics and AI« pub-lizierten
Untersuchung war der enorme technische Fortschritt in den vergangenen
Jahr-zehnten. Längst lassen wir an Förderbändern und bei anderen sich
wiederholenden Ferti-gungsschritten Industrieroboter für uns schuften.
Sowohl bei schweren Werkstücken als auch bei Präzisionsarbeit leisten
sie viel mehr, als Menschen möglich wäre. Inzwischen übernehmen Roboter
immer mehr Aufgaben jenseits von Produktions- und Lagerhallen.
Staubsaugerroboter rollen durch zahllose Wohnzimmer, zunehmend bringen
Lieferroboter Waren oder Speisen, und zumindest testweise werden bereits
komplexere, humanoidere Maschinen Teile des Alltags, etwa als
Assistenten in der Pflege.
Solche Entwicklungen »schüren in der
Gesellschaft Vorurteile bis hin zu Ängsten«, schreiben Riener und seine
Kollegen mit Verweis auf Untersuchungen zu Technophobie.
Zwar gibt es noch keinen Anlass, dystopische Szenarien wie aus
Sciencefiction-Filmen à la »Terminator« zu fürchten, bei denen
überlegene Maschinen die Menschen in absehbarer Zeit schlechthin obsolet
machen. Aber angesichts der raschen Fortschritte fragen die
Wissenschaftler: »Wo wir stehen wir heute? Können Roboter Menschen
bereits bei typi-schen menschlichen Tätigkeiten ersetzen?« Auf der
systematischen Suche nach Antworten waren zunächst Kriterien nötig,
anhand derer ein Vergleich überhaupt sinnvoll möglich ist.
Jeder
Roboterarm lässt sich kraftvoller und ausdauernder machen, indem man
ihn vergrö-ßert und die Energiequelle verstärkt. Irgendwann passt er dann
aber durch keine Tür mehr. Maschinen kommen auf Rädern schneller und
effizienter voran als Menschen auf Beinen, scheitern aber an einem Hindernis wie einer Treppe.
Um in einer Umgebung zu agieren, die von Menschen für Menschen
geschaffen wurde, müssen Roboter daher gewisse Kriterien erfüllen: Sie
brauchen unter anderem gewisse Mindest- und Maximalmaße, sollen Dinge
greifen können und außerdem Beine haben (das dürfen allerdings durchaus
mehr als zwei sein), auf denen sie Barrieren überwinden können.
So blieben unter tausenden existierenden Robotern letztlich
nur 27 übrig, die alle Kriterien erfüllen (im Zweifelsfall mit einfachen
Aufrüstungen wie Armverlängerungen). Die 13 jüng-sten davon wurden im
Lauf der letzten knapp zehn Jahre der Öffentlichkeit vorgestellt.
Da-runter »Spot« des US-amerikanischen Robotik-Unternehmens Boston Dynamics, der seit 2020 kommerziell verfügbar ist und durch spektakuläre Werbevideos im Internet zu einiger Berühmtheit gelangte.
Mehr als die Summe ihrer Teile
Charakteristische
Kennzahlen verschiedener Systeme wie Masse und Energiebedarf brach-ten
die Forscher durch Umrechnung auf gemeinsame Nenner: Ein Kilogramm
menschliche Muskeln kann etwa 50 Watt Leistung aufbringen, ein gleich
schwerer technischer Aktor wie ein hydraulischer Zylinder leicht das
Zehnfache. Tatsächlich erwiesen sich bei der Analyse die einzelnen
robotischen Komponenten den biologischen gegenüber oft als überlegen –
Antriebe leisten mehr, Sensoren sind empfindlicher und Stützstrukturen
robuster. Doch wenn man sie zu einem Gesamtsystem zusammenbauen, mit
Energie und eventuell noch mit Hydraulikflüssigkeit versorgen und kühlen
muss, sieht die Rechnung schon weniger vorteilhaft aus.
Bereits
beim einfachen Gehen in typischem menschlichem Tempo schnitten die
22 Robo-ter, die dazu fähig sind, nicht gut ab. Sobald die Forscher die
Geschwindigkeit ins Verhältnis zur Masse, zur Größe oder zur Ausdauer
setzten, konnten sich die von der Evolution zum Laufen optimierten
Zweibeiner gut gegen die Maschinen behaupten. Einzelnen Robotern, die
speziell dazu konstruiert sind, gelang noch eine respektable Leistung.
Insbesondere ein Exemplar namens Cassie, das an der Oregon State
University entwickelt wurde, könnte Menschen davonlaufen – allerdings
besteht der Roboter praktisch nur aus zwei Beinen..
Einer der aktuell besten humanoiden Roboter mit Beinen, Torso und Armen ist »Atlas« von Boston Dynamics.
Während Cassie zum Gehen etwa 200 Watt benötigt (Menschen brau-chen etwa
450 Watt), konsumiert Atlas bei gleichem Tempo das Zehnfache. In einem
Wett-lauf gegen Menschen wäre Atlas unterlegen: Weder kann er so schnell
rennen, noch hält seine Batterie länger als eine Stunde durch.
Evolutionär auf Effizienz optimiert
Als
einen möglichen Grund für die Diskrepanz führen die Forscher um Riener
an, dass biologische Gewebe elastische Strukturen enthalten. Bindegewebe
wie Sehnen und Bänder federn Stöße ab, speichern Energie und können sie
später wieder nutzbringend freisetzen. Die meisten humanoiden Roboter
enthalten den Wissenschaftlern zufolge keine solchen Komponenten –
bislang zumindest.
Zu ähnlichen Ergebnissen kamen die
Wissenschaftler, als sie Treppensteigen, das Anheben oder Greifen von
Gegenständen oder andere spezielle Bewegungsabläufe betrachteten. Stets
gibt es einige Roboter, die einzelne Tätigkeiten meistern, aber keiner
auf so vielseitige Weise wie der Mensch.
Dennoch
merken die Autoren an, dass Roboter im Lauf der letzten Jahre immer
geschickter und leistungsfähiger wurden und erwarten weitere
Durchbrüche. Außerdem müsse es nicht unbedingt erstrebenswert sein,
einen Roboter zu konstruieren, der möglichst alle Disziplinen
beherrscht. Analog zur Arbeitsteilung im menschlichen Sozialgefüge
könnten schließlich auch jeweils spezialisierte Maschinen bestimmte
Aufgaben bedarfsgerecht gemeinsam meistern. Trotzdem wäre es selbst für
solche Szenarien weiterhin nötig, zunächst mehr Funktionen in den
einzelnen Robotern unterzubringen – sonst würden die Verbünde zu groß
und schwer.
Mit neuen Konzepten zu kompakteren Bauweisen
Eine
eindeutige Antwort auf die Frage, warum es noch nicht gelungen ist, aus
den für sich genommen schnelleren und stärkeren technischen Komponenten
einen überlegenen Roboter zu konstruieren, haben Riener und seine
Kollegen nicht gefunden. »Ein begrenzender Faktor«, so spekulieren sie,
»könnte darin bestehen, die strukturellen Bestandteile auf menschliche
Skalen zu bringen und sie in ein kompaktes Design zu integrieren.« In
unseren Muskeln steckt die Energieversorgung bereits in Form von
molekularen Energieträgern. Künstliche Aktoren brauchen sperrige Akkus,
Kabel, Kompressoren und Schläuche. Dazu kommen jede Menge Sensoren, wo
wir feines Nervengewebe haben. Immerhin: Maschinelles Lernen
könnte dabei helfen, Bewegungen flüssiger, vorausschauender und
effizienter durchzuführen. Weniger klobig wird ein Roboter dadurch aber
nur bedingt.
Die Zukunft der Robotik liegt in der Kooperation, nicht in der Konkurrenz
Ein
Weg zu einer deutlich kompakteren Integration könne den Forschern
zufolge sein, bei den Designs zusätzlich zu aktuell bereits hoch
entwickelten Komponenten wie Elektromotoren und Hydraulik auf
fundamental neue Prinzipien zu setzen. Beispielsweise macht seit gut einem Jahrzehnt das Gebiet der Weichrobotik viel versprechende Fortschritte.
Dennoch wäre es nicht nur eine Herausforderung, solche Konzepte zur
Anwendungsreife zu bringen, sondern obendrein, sie durch passende
Schnittstellen mit den bestehenden extrem leistungsfähigen Bauteilen zu
verbinden.
Daher ist trotz einiger beeindruckender und zuweilen
Angst einflößender Werbevideos von Robotik-Unternehmen noch lange kein
übermächtiger Terminator in Sicht. Bei vielseitigen Herausforderungen
kann keine Maschine den Menschen ersetzen. Vielmehr machen die
Entwicklungen sogar zuversichtlich: Roboter werden nun gerade autonom
genug, um die Menschen ohne allzu aufwändige Steuerung bei alltäglichen
Aufgaben zu unterstützen, die für uns zu kräftezehrend, gefährlich oder
kleinteilig wären. Die Zukunft der Robotik liegt in der Kooperation,
nicht in der Konkurrenz.
Nota. - Der Mensch hat sich zu einem mit Absichten, nämlich mit Willen begabten Orga-nismus entwickelt. Eine Maschine entwickelt sich nicht: Nämlich nicht sich. Die Vorfahren der Menschen waren vollständig entwickelte Orgnismen in ihrer Umwelt. Nämlich vollstän-dig für diese Umwelt entwickelt: fit, sagte Darwin aus Englisch. Es waren Veränderungen in dieser Umwelt - welche, ist im Detail strittig -, die sie veranlasst haben, sich neu und anders zu fitten (so hieß das in altem Englisch).
Der natürliche Organismus kommt aus einem Ensemble naturgegebener Bedingungen her, die ihn ermöglicht haben - und ihm ermöglichen oder eben nicht, sich auf veränderte Be-dingungen umzustellen. Er wird Bedingungen, die ihn beschädigen, möglichst umgehen und Bedingungen, die für seinen Bestand ohne Bedeutung sind, unbeachtet lassen. Wird Bedingungen, die ihm nützen - die seinem Überleben und seiner Fortpflanzung nützlich sind -, aufsuchen und nach Kräften kultivieren. Je mehr er dabei mit ähnlichen Organismen kooperieren kann, wird er daran gehen, den Stoffwechsel mit seiner Umwelt zu organisieren - das heißt, die Arbeiten auf jene zu verteilen, die sie am erfolgreichsten verrichten. Die In-dividuen, die sich in der Kooperation bewähren, werden sich in den entstehenden Gemein-wesen besser behaupten und mehr Nachfolger finden, als andere. Kooperation wird selber zum Selektionsprinzip.
Menschliche Intelligenz entwickelt sich auf diesen Grundlagen. Aus Kooperation erwächsst das Kant'sche Apriori. Die Maßstäbe, nach denen sie ihre Leistungen nachträglich bewerten kann, hat sie sich selber vorgegeben: in actu entwickelt.
Nichts dergleichen ist der maschinellen Intelligenz originär. Ihr menschlichen Designer mö-gen es ihr fix und fertig einprogrammieren - es wird immer Manches unter Vielem sein, aber niemals a priori, niemals Bedingung alles Folgenden, sondern bloß möglicher Gesichts-punkt. Und eine Welt wird ihm so nie entstehen, sondern immer nur ein aporistisches Flick-werk einzelner Probleme, nie ein Horizont; nie ein Raum seines Wirkens.
Denn dies ist die Bedingung für alle meine Möglichkeiten: die selbstverständliche Anschau-ung meiner als einem, der in der Welt mit andern zusammenwirken muss, um selber zu be-stehen.
Das kann eine Maschine mir nicht nachmachen. Sie mag das eine oder andere meinen, aber ein Bewusstsein macht sie daraus nicht.
JE
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