Donnerstag, 31. Oktober 2024

Das Schema der Schemata.

Bunte Linien und flächige Muster vor Formeln
aus spektrum.de, 30. 10. 2024   Formeln, die unsere Welt beschreiben, weisen ein unerwartetes Muster auf  .  zu ... Realien

Zipfsches Gesetz
Unerwartete Muster in physikalischen Gleichungen entdeckt
Das Zipfsche Gesetz beschreibt eigentlich, wie Worte in Texten verteilt sind. Überraschenderweise folgen auch mathematische Symbole in physikalischen Formeln diesen Regeln.


In den 1930er Jahren stolperte der Linguist George Kingsley Zipf über einen unerwarteten Zusammenhang. Er untersuchte, wie häufig welche Wörter in verschiedenen Texten vorkommen – und fand dabei stets das gleiche Muster vor. Einfache, kurze Wörter wie »die«, »der« oder »und« tauchen doppelt so häufig auf wie etwas längere Begriffe wie »aber«, »doch« und »kann«. Dieses Potenzgesetz ist inzwischen als Zipfsches Gesetz bekannt und lässt sich in allerlei verschiedenen Sprachen beobachten. So macht im Englischen der Artikel »the« etwa sieben Prozent eines langen Textes aus, während das zweithäufigste Wort »of« ungefähr halb so oft vorkommt. Nun haben Forscher um Andrei Constantin von der University of Oxford das Zipfsche Gesetz auch bei mathematischen Symbolen in physikalischen Formeln gefunden. Ihre Ergebnisse haben sie im August 2024 in einer noch nicht begutachteten Arbeit veröffentlicht.

Constantin und sein Team haben dafür Formeln aus drei verschiedenen Quellen untersucht: »The Feynman Lectures on Physics«, einer Lehrbuchreihe des US-amerkanischen Physikers Richard Feynman aus den 1960er Jahren; der Wikipedia-Seite »List of scientific equations named after people« und der »Encyclopaedia Inflationaris«, einem Übersichtsartikel über das Gebiet der Inflation in der Kosmologie. Diese drei Quellen unterscheiden sich stark voneinander. Die Vorlesungen von Feynman decken ein breites Feld der Physik ab – von klassischer Mechanik und Elektrodynamik bis hin zu Quantenphysik – und enthält mehr als 100 Gleichungen, während die Wikipedia-Sammlung teilweise sehr spezifische und nicht allzu verbreitete Formeln beschreibt. Die »Encyclopaedia Inflationaris« stellt wiederum 71 verschiedene Potenziale vor, die unser Universum kurz nach dem Urknall auseinandergetrieben haben könnten.

Indem sie jedes mathematische Symbol und jede physikalische Größe einer Formel wie einzelne Wörter innerhalb eines Textes behandelten, haben die Forscher eine Form des Zipfschen Gesetzes vorgefunden. Dabei haben sie jedoch nur Formeln berücksichtigt, die keine Ableitungsoperatoren oder Integrale enthalten. Ihrer Analyse zufolge ist die Häufigkeit N der einzelnen Symbole in den ersten beiden Datensätzen proportional zu e-r/3 ≈ 0,72r, wobei r die dazugehörige Rangfolge beschreibt. Das heißt, das häufigste Symbol taucht etwa 1,4-mal öfter auf als das zweithäufigste und knapp doppelt so häufig wie das dritthäufigste. Die »Encyclopaedia Inflationaris« weist eine leicht unterschiedliche Gesetzmäßigkeit vor: Dort skaliert die Häufigkeit N mit e-r/4 ≈ 0,79r.

Die verbreitetsten Symbole in Formeln

Die am häufigsten verwendeten Symbole in allen Datensätzen sind Variablen wie Ort, Zeit oder Geschwindigkeiten, die 26 bis 31 Prozent der untersuchten Formeln ausmachen. Das zweithäufigste Symbol ist die Multiplikation, meist durch einen Punkt · ausgedrückt, gefolgt von Zahlenwerten wie 2, 3 oder π sowie der Division beziehungsweise einem Bruchstrich. Dass diese Symbole die häufigsten Vertreter sind, hat die Fachleute nicht überrascht. Doch dass sie in jedem der Datensätze dem Zipfschen Gesetz folgen, hatten sie nicht erwartet. »Selbst Operatoren, die nicht so häufig vorkommen – die Exponential- und die Logarithmusfunktion sowie die hyperbolischen und trigonometrischen Funktionen – folgen alle demselben Gesetz. Das ist überraschend«, sagte Constantin zu »New Scientist«.

»Wie beim Zipfschen Gesetz in der Linguistik sind die zu Grunde liegenden Mechanismen, die zu den beobachteten Mustern führen, unklar«, schreiben die Fachleute in ihrer Veröffentlichung. Einerseits könnten kulturelle Faktoren dazu führen, dass Menschen sowohl bei gesprochenen Sprachen als auch bei wissenschaftlichen Formulierungen denselben Mustern folgen. »Andererseits ist es verlockend zu glauben, dass die beobachtete Beziehung einen tieferen Aspekt der physikalischen Gesetze widerspiegelt – ein Gesetz über die physikalischen Gesetze selbst«, schreiben die Forscher. 

 

Nota. - Wie Sie's drehen und wenden: All die Formeln und Schemata sind ja wohl von heute lebenden Menschen erarbeitet worden, deren Wahrnehmungs- und Denk-apparate sich über Jahrmillionen Jahre unter denselben Bedingungen "unserer Welt" ausgebildet haben. Überraschend wäre nur, wenn ihnen strukturell nichts gemein-sam wäre.  

Mancher ist verlockt, darüberhinaus noch manch anderes zu glauben, einen intelli-genten Designer zum Beispiel; und manche sind nicht einmal Wissenschaftler.
JE 

 

 

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