aus Levana, oder Erziehlehre
...Das
ist der entscheidende Gedanke: Die Teilnahme am gesellschaftlichen
Leben setzt heute eine Menge Wissen voraus, das der Mensch nicht einfach
so nebenher und ganz von alleine erwirbt. Das ist weniger
selbstverständlich, als es klingt. Denn bis vor rund anderthalb
Jahrhunderten galt dieser Satz nur für die Angehörigen der herrschenden
Klassen. Deren Kinder brauchten immer eine ganz besondere Schule, die
sie später zum Herrschen - und dazu gehört das glaubwürdige
Repräsentieren der Herrschaft - befähigte. Und gleich an dieser Stelle
fällt auf: Eine Schule musste diese Schule nicht unbedingt sein, denn eine solche taugte wohl für werdende Kleri-ker,
nicht aber für künftige Krieger und Regenten. Doch einer
besonderen Lehrzeit im Dienst bei einem Fürsten mussten auch die Kinder
des Adels sich unterziehen.
Die
Kinder der einfachen Leute, und die waren die große Mehrheit, wuchsen
in den Haushalt ihrer Familie hinein, und die war in der agrarischen
Gesellschaft die eigent-liche Produktions- und Wirtschaftsstätte. Zum
Bauern wuchs man auf dem eigenen Hof heran. (Die Kinder der Tagelöhner
lernten Vieh hüten.) Das zünftige Hand-werk mit seinem ausgefeilten
Lehrlings- und Gesellensystem gehörte schon zu dem privilegierteren
Teil der städtischen Gesellschaften.
Und schließlich die kaufmännischen Patrizier waren die Gesellschaftsklasse, in der "die Schule" zur Norm
geworden ist. Die städtischen Bürgerschulen wurden, nach der
Reformation zumal, zum Grundbestand, auf dem unser heutiges Schulwesen
aufgebaut ist, auf sie geht das humanistische Gymnasium zurück, das zum
Paradig-ma der Schule wurde. Hier lernte man, was man als Bürger unter Bürgern wissen und können musste, als Berufsmensch, der sich unter seinesgleichen im Marktge-schehen zu
orientieren und behaupten wusste. Und als dann das Kapital in die In-dustrie zu fließen begann, wurden neben den Kaufleuten immer mehr
Ingenieure gebraucht. Die Realschulen machten den Gymnasien Konkurrenz,
und die speziali-sierten sich auf die Vorbereitung zum Höheren
Staatsdienst.
Dagegen war die Volksschule von Anbeginn Restschule. Die
bildete nicht zum Bürger, sondern konditionierte zum Untertan und
Tagelöhner. Lesen, schreiben, das Kleine Einmaleins und der Katechismus,
mehr wurde nicht benötigt. Das war der Typ des Proletariers, den die
Industrialisierung brauchen konnte.
Die
Geschichte der Schule im 20. Jahrhundert ist schließlich die
Geschichte, wie das Schulsystem immer mehr zum Schatten und zum
Wurmfortsatz der Verwaltungen wurde, der öffentlichen mehr noch als der
wirtschaftlichen. Mit der Explosion des Öffentlichen Dienstes
explodierten die Gymnasien, und mit wachsender Masse san-ken die
Maßstäbe.
Kehren wir zum Ausgangspunkt zurück: Die Aufgabe einer Schule ist es, Wissen zu vermitteln, das
der Mensch nicht einfach so nebenher und ganz von alleine erwirbt.
Setzt die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben heute mehr Wissen voraus
als frü-her, so dass eine längere Lernzeit erforderlich würde?
Jein.
Einerseits ist die Masse von Wissen, das einer heute braucht,
unermesslich, doch andererseits ist es so schnell überholt wie nie
zuvor, und man tut gut daran, es sich nicht allzu gut zu merken, damit
im Gedächtnis gleich Platz geschaffen werden kann, wenn neue
Nachrichten eintreffen; und was man grad eben nicht gewärtig hat, darauf
kann man jederzeit im Internet zugreifen.
Es ist nicht wirklich so, dass man heute (noch) mehr wissen muss als gestern; me-morieren bis der Kopf raucht ist jedenfalls so unangebracht wie nie. Aber man müsste besser wissen. Was damit gemeint ist? Aber das wissen Sie doch längst sel-ber! Gemeint ist, dass man das, was die (flüchtigen) Daten bedeuten, gründlicher verstehen
sollte - denn dann fällt man nicht jedesmal in Verwirrung, wenn man die
alten Daten gegen neue auswechseln muss. Der Haken sei der, dass man
das Verste-hen der Schüler nicht mit einem Test erheben kann? Da haben Sie nun auch wieder Recht.
Und wenn man bei PISA I zuerst noch annahm, mit den 'Kompetenzen zur Welt-erschließung' sei Verständnis gemeint gewesen, wurde bald klar, dass lediglich die Testmethode des Multiple choice mit dem Brecheisen durchgesetzt werden sollte.
Dieses
hinzugefügt habend, kann ich mich den Ausführungen von Prof. Schirlbauer weitgehend anschließen; doch nicht ohne anzumerken, dass
es wohl in der Natur der Schule selber liegt, dass sie mehr zum Memorieren neigt als zum verstehen-Lehren.
8. 7. 15
Nota. Das
obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie
der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht
wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE
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