Mittwoch, 31. Juli 2024

Von der Skepsis.

vingtenaires                                                                        aus Philosophierungen

Auch die Sätze Nix gilt und Wahrheit gibt es nicht erheben Anspruch auf Geltung und Wahrheit.

Ein Zeuge Jehovas sagte mir, als ich mich als Atheisten zu erkennen gab, dann glau-ben Sie ja auch an was. Ich fragte: An was denn? Er sagte: Nichts. Auf meinen Ein-wand, Nichts sei nicht Etwas, blieb er die Antwort schuldig.

Dabei hatte er Recht. Ich glaube an die Wirklichkeit der Welt. Ich muss es wohl glauben, weil ich anders mein Leben nicht einen Tag führen könnte. Wenn er mir entgegnete, ohne den Glauben an Gott könne auch er sein Leben nicht einen Tag führen, würde ich ihm nicht widersprechen. Ich aber kann es.
12. 7. 15


Nachtrag.  Sobald er das Katheder verlässt, glaube auch der idealistische Philosoph an die Wirklichkeit der Welt, sagte Fichte, der es wissen musste. Er glaubt in seinem geschäftigen Alltag, und da darf er nicht bloß, da muss er. Würde er da alles begrün-det haben wollen, käme er vor lauter Fragen nicht zum Handeln, aber handeln muss er im Alltag.

Es ist aber nicht immer Alltag. Gottlob gibt es Feiertage. Und dann gibt es jene ganz außerodentlichen Situationen, mit denen keiner gerechnet hat. Die erfordern manchmal Entscheidungen, von denen man nicht weiß, wie weit sie führen werden. Man fragt sich nach dem Sinn nicht von diesem oder jenem, sondern des Lebens selbst. Den kann man schlechterdings nicht wissen, den müsste man glauben.

Die Frage ist nur, wem man ihn glaubt. Und dafür braucht man mehr als den Glau-ben selbst, nämlich Wissen, oder richtiger: Wissenwollen. Dabei lernt man dann, dass die Annahme eines An-sich außerhalb meiner Vorstellung, das man auffinden und verwahren kann, ohne Sinn ist. Da sagt der Skeptiker: "Wusst ich's doch!" 

Recht hat er: Es ist das einzige, was wir mit Sicherheit wissen können. Es bedeutet immerhin dies: Es gibt nichts und niemanden, dem wir glauben können - es sei denn, uns selbst; doch wenn wir das nicht tun, können wir wiederum... im Alltag nicht handeln. 

Man könnte also sagen, der Skeptiker hat zu sehr Recht, um noch Recht zu haben.
29. 8. 18

Donald W. Trump.


W für weirdo. 

 

 

Digitalität beginnt mit dem Sprechen.

einklang             zu öffentliche Angelegenheiten, zu Philosophierungen

Digitalität, der wir unsere diskursive Denkweise verdanken, beruht darauf, dass wir den Phänomenen, die uns in unserer Umwelt begegnen, gemeinsam willkürlich ge-wählte Zeichen anheften, die durch die Anordnung, in die wir sie willkürlich brin-gen, einen uns gemeinsamen intelligiblen Sinn erhalten. 

Wir nehmen Willkür zweimal an, erstens beim Entwerfen der Zeichen und zweitens beim Anordnen. Wobei Willkür im ersten Schritt nur ein anderes Wort für den Zu-fall wäre; nicht aber für eine willentliche Wahl. Echte Willkür ist es erst im zweiten Schritt: Die Anordnung der an sich bedeutungslosen Zeichen geschieht in der Er-wartung, dass die andern sie ebenso herauslesen, wie ich sie hineingelesen habe. Die Sprachfähigkeit der Menschen beruhte also auf seinem freien Willen.

Die obige Erörterung beginnt an einem Punkt, an dem Menschen oder ihre Vorfah-ren schon gesprochen haben. Dass das Denken der Menschen zumindestens die Weiterentwicklung ihrer Sprachen beeinflusst, liegt auf der Hand; für die Details gibt es Spezialisten. Dass Klang, Melodie, Rhythmus und folglich Atmung und Aus-drucksfähigkeit die Bedeutung des Gesprochenen modellieren, wird auch keiner be-zweifeln, doch braucht es dafür im Detail schon mehr Experten. Das sind aber fak-tische Fragen, die durch gewissenhafte Forschung aufgeklärt werden.

Die anthrologogische Grundfrage 'Stammt das Denken aus dem Sprechen oder das Sprechen aus dem Denken?' ist aber nicht empirisch zu beantworten - weil naturge-mäß keine Denkmäler vorliegen. Die Vorstellung, dem Sprechen müsse ein Denken vorhergehen, lässt sich veranschaulichen mit allerlei expressiven Lauten und physi-schen Artikulationen, wie sie in den Gebärdensprachen kultiviert wurden. Die Spra-che selbst müssen letztere nicht neu erfinden, sondern nur nachahmen. Aber die Mittel dazu sind gegeben. Die Gegner dieser Hypothese müssten schon die grund-sätzliche mentale Kompetenz unserer Vorfahren bestreiten. Mit welcher Evidenz? 

Die umgehrte Annahme, das Denken habe sich aus dem Sprechen entwickelt, hat dagegen ein metaphysische Voraussetzung, für die sich definitiv keine Evidenz fin-det: dass das Sprechen fix und fertig im Menschenhirn präetabliert ist - und ergo einen an sich gegebenen Sinn zur Darstellung bringt. Soviel Weihrauch, wie ich da-für bräuchte, kann ich gar nicht inhalieren.
aus Sehe ich die Welt, wie ich sie nenne? JE, 7. 11. 23

Dienstag, 30. Juli 2024

Der aufrechte Gang? Das aufrechte Laufen.

um 530 v. Chr.
aus Die Presse, Wien, 21. 7. 2024                                                             zuJochen Ebmeiers Realien, zu Männlich

H. sapiens? H. currens!
Dass der Mensch sich durch Laufen zum Menschen gemacht hat, ist eine so alte wie umstrittene Hypothese. Nun wird sie von ethnologischen Befunden gestützt.
 

"In den alten Zeiten jagten wir den Elch, indem wir ihn auf Schneeschuhen nieder-liefen, wir konnten den ganzen Tag rennen, so wie Wölfe. Nun sind unsere jungen Männer faul geworden. Sie reiten auf ihren Hundeschlitten.“ Das berichtete Mitte des 19.  Jahrhunderts ein Indigener im Norden Amerikas, Ähnliches bekamen Eth-nologen rund um die Erde zu hören: In Borneo war man zu Fuß hinter Hirschen her, in Australien hinter Kängurus, und mancherorts wurde bis vor Kurzem noch so gejagt, in etwa von den San in Halbwüsten Südafrikas.

Dabei kann der Mensch etwas ausspielen, was ihn von anderen Säugetieren unter-scheidet, von seinen Ahnen auch: „Laufen machte uns menschlich – zumindest im anatomischen Sinn“, erklärten 2004 Dennis Bramble (University of Utah) und Daniel Lieberman (Harvard) (Nature 432, S. 345). Das knüpfte an die 20 Jahre zuvor von David Carrier (University of Michigan) entwickelte Hypothese an, der Mensch habe sich selbst erlaufen, und es wird nun – nach wieder 20 Jahren – von Eugéne Morin (Bordeaux) und Bruce Winterhalder (UC Davis) aufgefrischt, etwa mit ethnografischen Berichten wie dem eingangs zitierten (Nature Human Behaviour, 13.5.).

Unsere Ahnen erhoben sich nicht zum aufrechten Gang, sondern zum aufrechten Lauf

Das Laufen soll uns gemacht haben? Wir haben zwar auf kurzen Strecken wenig zu bieten, aber auf langen umso mehr: Selbst Topsprinter schaffen gerade 10,2 Meter pro Sekunde, und das nur 20  Sekunden lang, Geparden bringen es auf 29 m/s, Thompsons Gazellen auf 26,5, über lange Minuten. Aber auf Dauerläufen sind wir schier unermüdlich, manche Langstreckler bewältigen über Monate hinweg jeden Tag einen Marathon: Wir können nicht rasch flüchten, aber zäh verfolgen, etwa Gazellen so lang nachtrotten, bis sie zusammenbrechen. An Überhitzung.

Vor der ist unter allen Tieren nur das geschützt, das Russel Newman 1970 den „schwitzenden Affen“ genannt hat, weil seine Haut kaum behaart und stattdessen mit Schweißdrüsen übersät ist (Human Biology 42, S.12). Aber bevor durch diese etwas fließt, muss der Körper in Gang gehalten werden, dafür sorgen Muskeln eines Typs, der auf Ausdauer spezialisiert wurde und heute noch in Ostafrika verbreitet ist, aus dem seit dem Äthiopier Bikila Abebe, der 1960 – barfuß – den Marathon in Rom gewonnen hat, alle Meister der Langstrecken kommen (während der Sprint von Läufern aus Westafrika bzw. Erben von Sklaven mit einem rascheren Muskeltyp beherrscht wird [Science 305, S. 637]).

Diese Muskeln haben einen molekularen Hintergrund, der scheinbar höchst entle-gen ist, den eines Gens für eine Sialinsäure für ein Enzym in den Zellmembran. Alle anderen Säuger haben ein und die gleiche Variante, erst und nur frühe Ahnen des Menschen haben die vor etwa zwei Millionen Jahren durch eine andere ersetzt, es diente vermutlich der Abwehr von Krankheiten. Aber es hatte weitreichende Konsequenzen für den gesamten Körper, etwa den ausdauernden Muskeltyp, das zeigte Ajit Varki (UC San Diego). Erst ist den molekularen Details nachgegangen (Pnas 107, 8939), und er hat die menschliche Variante Mäusen eingebaut, die dann länger liefen, trotz des Fells (Proc. Roy. Soc. B 2018.1656).

 

Nota. - Da fällt mir ein: Männer haben rund um den Erdball relativ längere Beine als Frauen - wegen ihres Oberschenkelknochens Femur. Ob sie die Pioniere unseres aufrechten Gangs waren, ist fraglich. Aber Pioniere des aufrechten Laufens waren sie gewiss - entweder, weil der Femur sie dazu prädestinierte, oder sie haben, weil sie Pioniere des Laufens waren, einen längeren Femur entwickelt. Der (sic) Mensch stammt, kann man wohl sagen, von den Männern ab.

PS. - Ach, und da fällt mir ein: Wild zu Tode hetzen kann nicht einer allein. Jagende Männer mussten von Anfang an kooperieren. Sachliche Kooperation ist eine kopfi-ge Angelegenheit, und keine bauchige wie gemütvolle Beziehungsarbeit.
JE

Kannst du das auch beweisen?

                                                     aus Philosophierungen

“Behaupten kann jeder”, sagte August Wilhelm Schlegel zu seinem Bruder Fried-rich, “aber man muss auch beweisen können.” Nein, entgegnete jener; beweisen kann jeder; behaupten muss man können.

*

Ob ich das auch beweisen kann?

Ich entsage dem Vergnügen, den Beweis zu versuchen, nur schweren Herzens, denn es wäre ein echtes Abenteuer geworden.

Ich fange die Frage vielmehr asketisch in einem Meta-Bereich ab und weise sie zu-rück: Ich war in der Vorhand, und ich habe geliefert. Jetzt sind die andern am Zug. Sie können entweder eine Erklärung vortragen, die meiner überlegen wäre, und ich müsste nachlegen. Oder sie könnten meine Erklärung widerlegen, dann müsste ich beschämt den Mund halten. Bloß eins können sie nicht: auf einen unmotivierten Nachschlag von mir rechnen.

Ich bestehe auf Einhaltung der Reihenfolge. Eine ungesicherte Erklärung hat einen logisch höheren Rang als keine Erklärung. Sie hat Vorrang vor den faulen feilen In-fragestellern.
•Mai 26, 2010

 

Nota - Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE

Montag, 29. Juli 2024

Sahra Wagenknecht greift Scholz an...

rnd                                                                zu öffentliche Angelegenheiten

... weil er Maduro nicht zu seiner Wiederwahl gratuliert.

Lieber Leser,
dies ist eine Falschmeldung! Sie haben sie doch nicht etwa geglaubt?!

 

 

Kunst entzweit den Menschen.

Jerzy Sawluk, pixelio.de    aus Geschmackssachen, zu Philosophierungen

Kunst entzweit den Menschen.
Schiller 

Kitsch lässt ihn ganz bei sich sein – und sich darin gefallen.

Vor dem Beginn der Moderne in der Romantik gab es keinen Unterschied von Kunst und Kitsch. Es gab lediglich gelungene und weniger gelungene Werke; ge-lungen nach der aufgewandten Kunstfertigkeit und gelungen nach dem darin wal-tenden Geschmack. Der Geschmack mochte mehr oder weniger gebildet sein – doch allein danach ließ sich ein guter von einem schlechten Geschmack unter-scheiden.

Erst als die Menschen, nämlich die modernen Menschen ihre Entzweiung mit sich als ihre aufgegebene Bestimmung zu erachten begannen, konnten die Werke nach aufreizenden und nach versöhnenden unterschieden werden.

Der mit sich entzweite Mensch ist der reflektierende Mensch – das mit freiem Willen begabte souveräne bürgerliche Subjekt, das sich einer ganzen Welt gegen-über gestellt sieht; ohne zu wissen, was es dort verloren hat. Wer immer von den Zumutungen einer entzweiten Existenz Entspannung sucht, wird zu den versöh-nenden Werken der Künstler greifen. Wann immer einer daraus einen Habitus werden lässt, kommt ein Kitschmensch zur Welt.

Nicht zuviel Schönheit macht den Unterschied. Sondern es gibt eine Schönheit, bei der einem nur wohl ist; und eine Schönheit, die einen außer sich bringt, und das kann auch eine Dvorak-Symphonie und auch ein Sonnenuntergang.

Wo das Selbst sich gefällt, ist Kitsch, und wo das Andre überwältigt, ist Kunst.


PS. Schillers Unterscheidung zwischen anspannender und schmelzender Schönheit bedeutet etwas anderes; aber vielleicht nicht etwas ganz anderes?
September 26, 2010 

Sonntag, 28. Juli 2024

Das Abholkommando.

                      zu Geschmackssachen

Als Kunst empfinden wir nur, was uns irgendwie befremdet.

Kitsch holt uns dort ab und bringt uns ganz zu uns selbst zurück; und manch einem wird dabei schwül.

 

Ein kleines bisschen befremdet immer wieder auch Spitzweg; mit Absicht.

Samstag, 27. Juli 2024

Erleuchtung.


 aus spektrum.de, 27. 7. 2024                                                                                         zu Philosophierungen

Woher das Licht der Erkenntnis stammt
Licht steht für Vernunft und Erkenntnis. Anders als man annehmen könnte, geht das Bild aber nicht auf das Christentum zurück. Es ist deutlich älter, erklärt unser Kolumnist.

Licht ins Dunkel bringen. Sachverhalte erhellen. Einleuchtende Erklärungen finden. Wenn wir über Philosophie, Wissenschaft oder das menschliche Erkenntnisstreben ganz allgemein reden, greifen wir oft auf Ausdrücke zurück, die etwas mit Licht zu tun haben. Woher kommt das?

Man könnte annehmen, dass die christliche Religion etwas damit zu tun hat. Schließlich bezeichnete sich Jesus dem Johannes-Evangelium zufolge selbst als das »Licht der Welt«, und das nizänische Glaubensbekenntnis (das ausführlichere der beiden in den großen christlichen Kirchen üblichen) spricht von ihm bis heute als »Licht vom Licht«. Doch das Neue Testament ist nicht der Ursprung dieser Vorstellung. Dann vielleicht das Alte? In Psalm 119 etwa steht der auch für Taufsprüche beliebte Vers »Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.« Hier ist also das Wort Gottes das Licht – und nicht die menschliche Vernunft.

Tatsächlich wird die Metapher von Vernunft als Licht an der wohl berühmtesten Stelle ihrer Wirkungsgeschichte eher gegen das Christentum mobilisiert: Die intellektuelle, tendenziell kirchenkritische und in Teilen dem Atheismus zugeneigte Bewegung des 18. Jahrhunderts, die wir im Deutschen »Aufklärung« nennen, trägt in vielen Sprachen das Licht bereits im Namen: »Enlightenment«, »Les Lumières«, »Ilustración«, »Illuminismo«, »Verlichting«, »Просвещения« sind nur einige Beispiele.

Schon lange vor Christi Geburt wurden Vergleiche zwischen dem menschlichen Geist und Licht gezogen, etwa in Aristoteles’ Werk »Von der Seele« (»Peri psychês«, zirka 350 v.Chr.). Dort wird ein Aspekt der menschlichen Seele beschrieben, der im Denken Sachen schafft, ähnlich wie Licht Farben schafft: Potenziell Farbiges wird schließlich auch erst dadurch farbig, dass Licht darauf fällt. Da Aristoteles über Jahrhunderte hinweg der meistrezipierte Philosoph im christlichen Raum (und darüber hinaus) war, könnte man ohne Weiteres davon ausgehen, dass seine Worte eine bleibende Wirkung hinterlassen haben.

Aber auch Aristoteles hat das Lichtmotiv nicht erfunden. Es taucht bereits eine Generation früher bei seinem Lehrer Platon auf, der in einem seiner berühmtesten Gleichnisse, dem Sonnengleichnis, in seinem wahrscheinlich einflussreichsten Werk »Politeia« das Verhältnis von Sonne und Sehsinn mit dem zwischen dem Guten und der menschlichen Vernunft vergleicht. Demnach sind Sehsinn und Licht nicht die Sonne selbst, sondern ihr nur ähnlich. Und entsprechend sind Erkenntnis und die erkennbare Wahrheit dem Guten zwar ähnlich, aber nicht mit ihm gleichzusetzen. Das Gute steht über der Erkenntnis und der Wahrheit.

Die Idee, dass eine externe, positiv bewertete »Lichtquelle« notwendig ist, damit der Mensch schlüssig denken und richtig handeln kann, wurde über verschiedene Instanzen von der griechischen Philosophie schließlich auch ans Christentum weitergereicht. Dort ist »das natürliche Licht« ein feststehender Ausdruck für die menschliche Fähigkeit, aus eigener Kraft zu Erkenntnissen zu gelangen – die nach mittelalterlicher christlicher Vorstellung freilich in letzter Konsequenz von Gott verliehen wird. René Descartes (1596–1650), der traditionell als Begründer der neuzeitlichen Philosophie europäischer Tradition gilt, schränkte das »natürliche Licht« dann wiederum auf die Fähigkeit ein, das zu erkennen, was »klar und deutlich gesehen« wird.

Spätestens mit der Entwicklung der wissenschaftlichen Optik im 17. Jahrhundert hat das Licht als philosophische Metapher einen neuen Akzent bekommen. Statt als abstraktes, alles erfüllendes Prinzip mit übernatürlicher Abkunft wird das Licht nun als physikalisches Phänomen zum Thema und ebenfalls zur Metapher. Das zeigt etwa der berühmte Brief des Literaten Heinrich von Kleist an seine Verlobte Wilhelmine von Zenge vom 22. März 1801. Dort erläutert er die Erkenntnistheorie von Immanuel Kant mit dem Vergleich: »Wenn alle Menschen statt der Augen grüne Gläser hätten, so würden sie urtheilen müssen, die Gegenstände, welche sie dadurch erblicken, sind grün«.

In allerjüngster Zeit gibt es wieder andere, allgegenwärtige Lichtphänomene, nämlich Flächen aus Pixeln. Es wundert daher nicht, dass für bestimmte philosophische oder theoretisch-physikalische Konzepte, die davon ausgehen, dass die Raumzeit eine Struktur aus diskreten Teilen aufweist, der Vergleich der Realität mit einem mehrdimensionalen Display aufgekommen ist. Die diskreten Elemente wären darin gewissermaßen die Pixel. Der Mensch ist ein Augentier. Ob in der Antike oder in der Neuzeit: Seine Neigung, das, was mit dem Sehen zu tun hat, als Modell für allerhand Abstraktes zu nehmen, ist offensichtlich ungebrochen.

 

Nota. - Der dem Prinzen Siddhartha Gautama zugewiesene Ehrentitel Buddha bedeutet nichts anderes als der Erleuchtete. Er lebte von 563-483 v. Chr. und war eher eine Zeitgenosse des Heraklit als des Aristoteles. Eines der Symbole der persi-schen Zarathustra-Religion ist das Heilige Feuer, und ist gewiss etliche Jahrhunder-te älter. 
Diesmal haben Sie sich nicht viel Mühe gegeben, Herr Warkus. Sommerloch?
JE

 Hl. Feuer der Zoroastrier
 

Achtung - die wollen dich abholen.

Dykes* March;    zu öffentliche Angelegenheiten

Psychologie und Philosophie scheiden sich an der Frage nach der Wahrheit.

                                                                  aus Philosophierungen

Die kategorische Unterscheidung philosophischer und psychologischer Betrachtung ist nichtsdestoweniger nur eine operative. Es geht ja in jedem Fall um das wirkliche Wissen. 

Die Unterscheidung betrifft die Frage nach der Notwendigkeit. Die Psychologie be-obachtet, wie soundsoviele Menschen unter ihren je gegebenen Lebensumständen (ggf. im Labor) tatsächlich denken. Die philosophische Fragestellung will ergrün-den, ob sie mit Notwendigkeit so denken oder nur zufällig; also ob sie auch anders denken könnten, wenn... wahre Ergebnisse erzielt werden sollen. Die Frage nach der Wahrheit der Denkresultate und die nach der Notwendigkeit sind der Sache nach ein und dasselbe.

Nur unter der Voraussetzung, dass wahre Denkergebnisse überhaupt möglich sind, lässt sich richtiges von falschem Denken unterscheiden. Die psychologische Unter-suchung kann sich allenfalls auf die Pragmatik des Denkens erstrecken: wie und wieweit aus Erfolg und Misserfolg des Denkens "im praktischen Leben" gelernt wird.


aus e. Notizbuch, 7. 12. 1994


In der Sache bin ich heute klüger. Die Notwendigkeit eines Denkens entscheidet in keiner Weise über die Wahrheit seiner Resultate. Wenn man unter Wahrheit nämlich eine Überein-stimmung zwischen der Vorstellung und ihrem Gehalt versteht; oder zwischen der Bedeu-tung eines Dings und seinem Sein. Das gibt es nicht nur nicht, sondern es hat nicht einmal Sinn. Was soll das heißen: der Geruch der Aprikose stimmt mit ihrem spezifischen Gewicht überein? Das ist einfach Quatsch.

Die Frage kann allenfalls sein, ob ich über die Schritte, durch die ich zu meinem Urteil über die Bedeutung des Dinges gekommen bin, Rechenschaft ablegen und zeigen kann, dass ich die gebotene Vorsicht habe walten lassen. Da die Bedeutung der Sache kein Objektivum ist, sondern eine Zurechnung, kann es gut sein, dass ich mich mit dem Einen oder Andern nicht über sie einigen kann. Denn die Bedeutung der Sache für mich hängt ab vom Zweck, den ich mit ihr verbinde. Verständigen sollten wir uns können, wenn wir den Zweck teilen. Andernfalls müssten wir uns um den Zweck streiten.

Der oben angesprochene Unterschied zwischen Psychologie und Philosophie ist der: In der Philosophie geht es um unter gegebenen Bedingungen notwendige Ur-teile. Das wären solche, die - unter den gegebenen Bedingungen - jeder mit jedem teilen müsste. In der Psychologie geht es um die Meinungen, Ansichten und Gefüh-le, die ein Individuum oder eine Gruppe von Individuen zufällig haben. Das eine hat mit dem andern so viel und so wenig zu tun wie das Ding mit seiner Bedeutung.
31. 10. 18

 
Merke: Wahr kann nicht das Denken selber sein, sondern allenfalls richtig in Hin-blick auf diesen oder jenen Zweck. Wahr kann allerdings der Bericht über das Den-ken sein - aber nur, soweit er ausweist, wovon es ausgegangen ist. Und das kann nicht der Psychologe empirisch ergründen, sondern muss der kritische Philosoph spekulativ rekonstruieren.


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Freitag, 26. Juli 2024

Ist das Kunst oder Kitsch?

Lars Theuerkauff, „Flut 4“ (2024).
aus tagesspiegel.de 26. 7. 2024                                                                                                zu Geschmackssachen
 
Lars Theuerkauff nutzt die KI zum Malen
Dem Wisch-und-Weg des Doomscrolling setzt der Berliner Künstler aufwühlend stille Bilder von Menschen und Landschaften entgegen. 

Von Michaela Nolte

 

Das Wörterbuch in deinem Kopf.

Bunte Buchstaben formen einen menschlichen Kopf, Illustration.  
aus tagesspiegel.de, 25. 7. 2024                                                                        zuJochen Ebmeiers Realien

Mitspieler für Experiment gesucht:  
Wie sind Wörter in unserem Gedächtnis organisiert?
Schon seit Langem versuchen Forscher herauszufinden, wie Sprache verarbeitet und gespeichert wird. Jetzt ruft eine Gruppe in Deutschland zu einem kurzen Online-Mitmachspiel auf.

Haben wir eine große, unerforschte Bibliothek im Kopf? Denken Sie an das Wort „Eis“ – vielleicht kommt Ihnen die nächste Eisdiele, heiße Sommertage oder zugefrorene Straßen in den Sinn? Diese verschiedenen Assoziationen zeigen, wie unterschiedlich Wörter in unserem Gedächtnis verankert sein können.

Genau das wollen Forscher nun herausfinden. Jede Bürgerin und jeder Bürger kann helfen durch Beteiligung an einem fünf Minuten dauernden Spiel, das im Internet unter diesem Link aufgerufen werden kann.

40.000
Wörter kennt im Schnitt jeder Erwachsene.

Die Sprach- und Gedächtnisforscher – darunter ein Team des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin – beschreiben das Gehirn als „mentales Lexikon“, in dem der Wortschatz eines Menschen abgespeichert ist.

Mentales Lexikon

„Ein durchschnittlicher Erwachsener kennt rund 40.000 Wörter, die in seinem mentalen Lexikon gespeichert sind“, betonen sie. „Dieses Lexikon ermöglicht es uns, schnell und effektiv zu kommunizieren, da wir alle eine ähnliche Vorstellung von den Bedeutungen und Verwendungen dieser Wörter haben.“

Offenbar bilden die Wörter – jenseits ihrer neutralen Bedeutung – in der grauen Hirnmasse Netzwerke, die mit persönlichen Erfahrungen und Assoziationen verknüpft sind.

Beispielsweise das Wort „Wiese“: Vielen Menschen fallen dabei spontan Begriffe wie Blumen, Frühling oder Spaziergang ein. Wer aber unter Heuschnupfen leidet oder Angst vor Zecken hat, hat unwillkürlich ganz andere Assoziationen wie Niesen, tränende Augen oder mögliche Krankheiten. Ein Gartenbesitzer denkt vielleicht daran, dass er dringend den Rasen mähen muss.

Im Netzwerk abgelegt

„Freie Assoziationen werden in der Psychologie und in der Sprachforschung eingesetzt, um zu verstehen, wie Gedanken und Sprache organisiert sind“, sagt der Kognitionswissenschaftler Samuel Aeschbach. Es bestehe die Vorstellung, dass Wörter im Gedächtnis nicht isoliert, sondern in einem Netzwerk abgelegt seien. „Wenn eine Person ein Wort hört oder liest, werden damit verbundene Wörter oder Konzepte im Gedächtnis leicht verfügbar“, erläutert der Doktorand des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung.

 

Wer sich am Forschungsprojekt beteiligen will, muss lediglich fünf Minuten investieren. Es geht darum, zu 18 Begriffen die ersten drei Assoziationen aufzuschreiben, die einem spontan einfallen. Beispielsweise: Hecht? Karpfenteich – Fisch – Angler. Oder beten? Kerzen – Rosenkranz – Dürers Hände.

 

Ein spontaner Selbsttest des Autors zeigt, dass mehr als 20 der 54 von ihm genannten Begriffe von den bisherigen Teilnehmern sehr häufig gewählt wurden. Komplett einzigartig war keine einzige Assoziation. Seit dem Start des Projekts vor mehr als zehn Jahren ist die Datenbank von über 24.000 Menschen gefüllt worden.

Regionale Unterschiede

Durch die Analyse dieser Assoziationen wollen die Forschenden herausfinden, wie nah oder fern diese Wörter im Gedächtnis abgespeichert sind und wie das mentale Lexikon strukturiert ist. „Wir möchten Daten von möglichst vielen verschiedenen Menschen in unterschiedlichen Regionen sammeln, um auch die Vielfalt der Wortbedeutungen abzubilden“, so Aeschbach.

 

Nota. - Dass Wörter in einem eignen, exklusiven Netzwerk miteinander assoziiert sind, ist schon wichtig zu wissen. Doch eigentlich müsste man herausfinden, wie sie dorthin gelangt sind. Aufrollen könnte man die Frage vielleicht so: Wie erkenne ich - 'erkennt mein Ohr' -, was ein Wort ist und was bloß ein Klang? Mit einem andern Wort (sic), woran erkenne ich Bedeutung an Tönen? Ja ja natürlich - "am Gebrauch". Wörter werden von bloßen Klängen nach ihrem Gebrauch unterschieden. Und wie wird der Gebrauch unterschieden? Und vor allem: von wem?! - Es wär der Stein der Weisen.
JE

 

Ein großer Bluff.

faz      zu öffentliche Angelegenheiten

Die Frankfurter Allgemeine schreibt: "1000 Dollar jeden Monat ohne Gegenlei-stung: Die Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens erhoffen sich durch solche Zahlungen positive gesellschaftliche Veränderungen. Doch ein großes Experiment zerstört diesen Traum..."

Das hat viel Geld gekostetet, aber die interessierten Gegner lassen sich's was ko-sten. Denn es war klar, dass es in die Hosen gehen musste - weil es sollte: Der Zweck des bedingungslosen Grundeinkommens ist ja nicht, die Menschen zu ver-ändern, sondern die Gesellschaft. Nämlich so, dass die unausweichlichen Folgen der digitalen Revolution nicht in assistierte Massenarbeitslosigkeit führt, sondern auf eine höhere Stufe der Zivilistion. Und die wird die Menschen allerdings ver-ändern - aber in dieser Reihenfolge, und nicht umgekehrt.

Vernunft ist eine scharfe Sache.

                                                     zu  Philosophierungen

Vernunft ist keine warme Brühe, sondern eine scharfe Sache; die verträgt nicht jeder.
2. 1. 22


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Donnerstag, 25. Juli 2024

Und was ist mit der tierischen Intelligenz?

                                                                         zu Philosophierungen

Gestern schrieb ich:

"Es geht um Einbild
ung. Sind deren Möglichkeiten wirklich ohne Grenzen? Dann wäre die menschliche Intelligenz der künstlichen theoretisch doch überlegen. Prak-tisch würde sie freilich bei jedem möglichen Wettbewerb vor ihr schlappmachen; wie oben im Go-Spiel."

Das muss man ergänzen: Die Überlegenheit der menschlichen über die tierische In-telligenz wäre
nur eine faktische und, evolutionär betrachtet, zufällige: Träumen wer-den Tierkinder auch müssen, denn sie können sowenig sehen wie Menschenföten. Es habe keinen evolutionären Grund gegeben, das Träumen nach der Geburt wie-der abzuschaffen, sagt Ernst Pöppel. Reicht das aus: dass kein Grund da war? Nimmt man nicht an, dass Fähig-keiten, die nicht gebraucht werden, schließlich verkümmern? 

Es sollte einen Grund gegeben haben, die Fähigkeit zum Träumen bei den erwach-senen Menschenindividuen nicht absterben zu lassen; nämlich den, dass sich die Fä-higkeit, noch nie Gesehenes einzubilden, in der befremdlichen 'Welt' bewährt hat, nachdem die Menschen ihre angestammte 'Umwelt' im Regenwald verlassen hatten.

Eine solche Bewährungsprobe gab es für andere Tierarten nicht.

Aber dass Tiere im künstlichen Milieu des Beobachtungslabors gelegentlich Fähig-keiten entwickeln, die bei ihren freilebenden Artgenossen nie zuvor beobachtet wurden, könnte darauf hinweisen, dass auch bei ihnen die Fähigkeit zu freiem Ein-bilden noch nicht wieder völlig abgestorben ist.

4. 1. 17

 

Nachtrag. - Dass der Eintrag vom Vortag ein wenig dünn geraten war, ist mir also schon tags drauf aufgefallen. Aber ich habe nur dürftig nachgebessert: Es war keine Schwäche im Detail, sondern ein Irrtum in der Größenordnung, oder richtiger: in der semantischen Ebene. Es ging nicht um 'das, was' betrachtet wird, sondern dar-um, 'von wo aus'; es geht nicht um die Objektebene, sondern um die Meta-Ebene: die Reflexion eben; und die gibt es nur für die Intelligenz natürlicher Menschen, weil sie nicht nur zwischen Daten, sondern als Leib in der Welt der Andern exi-stiert.
21. 7. 21
 



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Mittwoch, 24. Juli 2024

Der hat was auf der Hinterhand...

                                    zu öffentliche Angelegenheiten

...und wartet nur auf den richtigen Augenblick.
Der ist aber schon vorbei.

 

 

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