Mittwoch, 10. Januar 2024

Was war denn das?

Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, und Bundeskanzler Olaf Scholz (r, SPD) äußern sich bei einer Pressekonferenz nach ihrem Gespräch im Bundeskanzleramt. 
aus Tagesspiegel.de, 10. 1. 2024                                                                                                          zu öffentliche Angelegenheiten

Scholz fordert mehr Militärhilfe für die Ukraine 
Europa muss sich von den USA emanzipieren 
Falls Donald Trump die Wahl gewinnt, fallen die USA als Führungsnation der Ukrainehilfe aus. Der Vorstoß von Kanzler Scholz ist daher richtig: Europa muss jetzt mehr Verantwortung übernehmen.
 
Ein Kommentar von Christoph von Marschall
 
Es sind ungewohnte Töne aus dem Mund des Kanzlers. Er fordert mehr Waffen für die Ukraine. Bisher galt er als der Zauderer. Die geplanten Lieferungen „sind zu gering“, sagt Olaf Scholz.

Nun würden viele die Ankündigung erwarten: Deshalb liefert Deutschland Taurus-Marsch-flugkörper. Die blieb aber aus. Die Taurus rückt der Kanzler weiter nicht heraus. Das ist der Haken an seinem ansonsten erfrischenden Vorstoß. Scholz fordert mehr Militärhilfe von anderen, allen voran von den EU-Partnern.

Dabei muss man ihm allerdings zugutehalten: Deutschland ist bereits der größte Helfer in der EU. Und plant, seine Waffenlieferungen 2024 im Vergleich zum Vorjahr zu verdoppeln

Da ist die Aufforderung an andere große EU-Staaten wie Frankreich, Italien und Spanien berechtigt. Sie leisten nur einen Bruchteil der deutschen Hilfe. Deutschland allein wird die Lücke zwischen dem, was Kiew erhält, und dem, was es benötigt, nicht füllen können.

Eine doppelte Kraftanstrengung ist jetzt gefordert: von Deutschland, von Europa und von Scholz als Regierungschef der größten Volkswirtschaft der EU. Die Lage der Ukraine ist über die letzten Monate immer brenzliger geworden.

Die USA sind seit Kriegsbeginn 2022 der mit Abstand wichtigste Geber von Militärhilfe. Doch die ist endlich. Der US-Kongress ist blockiert, die Republikaner tragen die Ukraine-hilfe seit Herbst nicht mehr mit wegen des heraufziehenden Wahljahres.

Und das ist nur ein Vorgeschmack, was auf Jahre hinaus droht, falls Donald Trump die Wahl gewinnt. Dann fallen die USA als Führungsnation der Ukrainehilfe aus. Wer gleicht das aus, politisch wie militärisch, wenn das erklärte Ziel erreicht werden soll: Wladimir Putin darf den Krieg nicht gewinnen, seine Aggression nicht belohnt werden?

Europa muss die US-Hilfe ersetzen

Die Konsequenz, das macht Scholz mit seinem Vorstoß klar, darf nicht sein: Dann verliert die Ukraine den Krieg und Putin triumphiert. Sein Ziel lautet: Europa muss Verantwortung von den USA übernehmen.

Schon bevor auf die US-Hilfe kein Verlass mehr war, hatten sich die Erfolgsaussichten der Ukraine bedenklich verschlechtert. Die für das Frühjahr 2023 geplante Gegenoffensive verzögerte sich immer weiter, weil der Westen Panzer und anderes Gerät zu spät lieferte.

Parallel verschaffte sich Russland mithilfe des Iran große Mengen von Drohnen. Das ver-änderte die Lage an der Front und minderte den Kampfwert der Panzer. Die geplante Be-freiung besetzten Gebiets gelang nicht im erhofften Ausmaß.

Kann Europa das leisten, auch ohne die USA als Führungsmacht? Das ist eine Frage des Wollens und der konse-quenten Anpassung an eine veränderte Weltlage. Deutsche und andere EU-Bürger leben in einem Zwiespalt.

Es war bequem, sich darauf zu verlassen, dass die USA die Sicherheit Europas garantieren. Aber angesichts des Kriegs in der Ukraine und des Risikos, dass Trump die US-Wahl ge-winnt, will die Mehrheit, dass Europa seine Zukunft aus eigener Kraft absichert.

Die ökonomischen Voraussetzungen sind vorhanden. Die EU hat die gleiche Wirtschafts-kraft wie die USA. Und siebenmal so viel wie Russland. Wenn sie es ernst meint, dass Putin nicht gewinnen darf, weil er bald darauf den nächsten Krieg beginnt, hat sie die Ressourcen, um sicherzustellen, dass die Ukraine den Abnutzungskrieg länger durchhält als er.

Es fehlt an zwei Dingen. Europa muss mehr in Sicherheit und eine eigene Waffenproduk-tion investieren. Und es braucht verlässliche Entscheidungsmechanismen.

Dass die EU sich von einem Staat – in diesem Fall Ungarn unter Viktor Orbán ­– über lange Zeit daran hindern lässt, Putins Angriffskrieg effektiv zu begegnen, ist ein Skandal. Die 26 EU-Partner könnten sein Veto mit der Drohung aushebeln, die Ukrainehilfe aus nationalen Budgets statt aus EU-Kassen zu finanzieren.

Der Vorstoß des Kanzlers war überfällig. Die Emanzipation Europas ist die beste Versiche-rung für den Fall einer zweiten Trump-Präsidentschaft.

 

Nota. - Nimmt er die Welt auf den Arm? Er sagt nichts, was er nicht seit einem Jahr wissen musste. Oder wollte er sagen: Leute wie uns müsst ihr nicht ernstnehmen - ? Wir kommen immer erst, wenn's schon fast zu spät ist: der Reputation wegen. Scholz als Vorreiter Euro-pas - er ist ja nicht einmal Vorreiter der deutschen Regierung.
JE

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