aus welt.de, 5. 1. 2024 zu öffentliche Angelegenheiten
im Interview mit Andrea Seibel
... WELT: In einem Fernsehinterview sagten Sie, die Menschheit hätte sich die letzten 300.000 Jahre nicht entwickelt. Wie meinen Sie das?
Notroff: Das bezog sich auf unseren Intellekt. Technologisch und auch gesellschaftlich ist da natürlich eine Entwicklung nachvollziehbar. Aber was unsere grundlegende Einstellung betrifft, unsere sozialen Fähigkeiten, Problemlösungsstrategien, Anpassung an Veränderung oder das Hervorbringen von Innovationen, da unterscheiden wir uns gar nicht so sehr von unseren Vorfahren, die vor 300.000 Jahren als Jäger durch die Landschaft gezogen sind. Das ist nicht als Herabwürdigung unserer selbst gemeint, sondern soll diese Vorfahren viel mehr aus dem Nebel ins Licht hole.
Notroff: Ja, ein Begriff, der mir Bauchschmerzen bereitet. Intellektuell verfügten sie über die gleichen Voraussetzungen wie wir. Im Grunde sind wir diese Menschen – oder vielmehr sind diese Menschen wir. Archäologische Funde führen uns das vor Augen: Das Bedürfnis, Kunstwerke zu schaffen beispielsweise, das sich in Funden bis weit in die Eiszeit widerspie-gelt, wie der gut 35.000 bis 40.000 Jahre alten geschnitzten „Löwenmensch“-Skulptur aus der Schwäbischen Alb. Oder die womöglich noch älteren in Indonesien entdeckten Höhlen-malereien.
WELT: Mich beeindruckte Ihre Erwähnung behinderter frühzeitlicher Menschen und deren Integration.
Notroff: Ja, auch für unsere Fähigkeit zu Empathie, zu Rücksicht auf Schwächere finden wir im archäologischen Befund Belege. Etwa einen Neandertaler, der vor gut 50.000 Jahren im heutigen Irak lebte. Wir wissen nicht, was ihm im Kindesalter zugestoßen ist, aber die an seinem Skelett ablesbaren Knochen- und Schädelbrüche zeigen, dass es ihn nicht nur den rechten Unterarm, sondern wohl auch einen Teil von Gehör und Sehkraft kostete. Dass er, der sich so kaum selbst versorgen und vor Gefahren schützen konnte, ein für seine Zeit hohes Alter von 40 Jahren erreichte, dürfte er auch der Pflege und Fürsorge seiner Gruppe zu verdanken haben. ...
Nota. - Ja ja, ich weiß - Adam war kein Ackerbauer, und das ist ein Riesenunterschied; näm-lich weil der anders als noch der Jäger Abel schon sesshaft war, statt aus einer Nische in die Andere zu wandern. Und das hat einen großen Sprung in den Sozialverhältnissen gezeitigt: Eigentum und Zusammenleben. Seit dieser 'neolithischen Revolution', nämlich dem Auf-kommen der Arbeitsgesellschaft, haben sich unsere Gattungsbedingungn nicht grundlegend verändert. Doch mit dem Niedergang der Arbeitsgesellschaft kommt wirklich Neues auf uns zu.
JE
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