Dienstag, 9. Januar 2024

Der Aufstieg der Männer seit der Bronzezeit.

An einem deutschlandweit einzigartigen Familiengrab aus der Steinzeit mit Überresten von vier Menschen werden in Eulau bei Naumburg (Sachsen-Anhalt) letzte Arbeiten vor einer Komplettbergung vorgenommen (Archivfoto vom 27.07.2005). In dem mehr als 4.000 Jahre alten Grab sind ein etwa 50-jähriger Mann, eine etwa 45-jährige Frau und zwei Kinder bestattet, die etwa 6-8 Jahre und zwei Jahre alt waren. Eine internationale Expertengruppe hat mit der Entschlüsselung genetischer Merkmale der Steinzeitmenschen von Eulau begonnen. Mit modernen Analyseverfahren soll die wichtige Frage sozialer Strukturen aufgeklärt werden. Die Forscher wollen unter anderem Wissen, woher diese Menschen kamen, ob sie sesshaft waren oder nur auf der Durchreise, wie sie aussahen und welche Krankheiten sie hatten. Foto: Waltraud Grubitzsch dpa/lah (zu Korr.-Bericht lah "Vaterschaftstest nach 4400 Jahren bei Steinzeitmenschen von Eulau" vom 13.01.2006) +++ dpa-Bildfunk +++  
aus welt.de, 3. 3. 2021     zu öffentliche Angelegenheiten, zu Männlich    Skelette von Mann und Frau der Schnurkeramiker bei Naumburg

Am Ende der Steinzeit wurden neue Paarungs-Regeln eingeführt
Neue Untersuchungen an Skeletten zeigen, dass vor 4500 Jahren Männer in Mitteleuropa einen Status erlangten, mit dem sie Abstammungslinien ganzer Gruppen beherrschten. Neue Macht-hierarchien könnten dieses Paarungsverhalten erklären.
 
Mit dem Beginn des technischen Fortschritts endete offenbar das klassenlose Paradies. Auf dieses pointierte Fazit ließe sich das Ergebnis neuer genetischer Analysen bringen, die Wissenschaftler an uralten Skeletten gemacht haben, die im heutigen Böhmen geborgen wurden. Die menschlichen Überreste werden auf die Zeit zwischen 3000 und 2200 v. Chr. datiert, in jene Epoche also, in der in Mitteleuropa Gruppen begannen, Werkzeuge nicht mehr aus Stein, sondern aus Kupfer zu formen, das durch Beimischung von Arsen oder Zinn bald zu Bronze wurde.

Vor etwa 5000 Jahren haben Menschen in Böhmen vermutlich neue Paarungsregeln entwickelt, sagt Lukas Papac vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena. Gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und weiteren Kooperationspartnern untersuchte er das Erbgut von 271 Menschen, die hauptsächlich in der späten Jungsteinzeit und der frühen Bronzezeit lebten. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift „Science Advances“ veröffentlicht.

Die älteren Toten werden der sogenannten Schnurkeramik-Kultur zugerechnet, benannt nach dem typischen Muster ihrer Keramik. Deren Erzeuger werden auf die Jamnaja-Kultur zurückgeführt, die sich in der südrussischen Steppe auf die Domestikation des Pferdes gründete und im 3. Jahrtausend v. Chr. nach Westen wanderte. Bei Schnurkeramik-Männern aus dieser Zeit konnten die Wissenschaftler fünf unterschiedliche Abstammungslinien nachweisen. Daraus lässt sich schließen, dass das Recht zur Fortpflanzung nicht oder kaum eingeschränkt war.

Jüngere Tote jedoch waren fast alle Träger einer einzigen Y-Chromosomen-Linie. Sie stammten also praktisch alle vom selben Mann ab. Man könne sich vorstellen, dass in der Zeit neue Paarungsregeln eingeführt wurden, bei denen nur eine kleine Anzahl von Männern den Großteil der Nachkommen gezeugt hat, sagt Papac. „Es könnte zum Beispiel sein, dass eine Familie besonders mächtig geworden ist.“

Arthur's Stone, Herefordshire, Prehistory, (c1990-2010). Reconstruction drawing of burial. Arthur's Stone is a Neolithic chambered tomb, or Dolmen, dating from 3,700 BC-2,700 BC. The tomb is topped by a large capstone leading to a long passagewayArtist Ivan Lapper. (Photo by English Heritage/Heritage Images/Getty Images)Hochrangige Gruppenmitglieder erhielten aufwändige Gräber

Dass im dritten Jahrtausend die soziale Differenzierung in Mitteleuropa Fahrt aufnahm, zeigt auch ein weiterer Befund. 36 der untersuchten Skelette werden nämlich der Glockenbecher-Kultur zugerechnet. Im Gegensatz zu den Schnurkeramikern wird deren Herkunft im Westen, auf der Iberischen Halbinsel, verortet, wo sie früh Techniken der Metallverarbeitung entwickelten. Von dort wanderten die Glockenbecher-Leute in der zweiten Hälfte des 3. Jahrtausends nach Osten.

Es zeigte sich, dass auch ihre Männer einer einzigen Abstammungslinie angehörten, die im Übrigen noch nie in Böhmen nachgewiesen wurde. „Sie stammten also quasi alle vom selben Großvater ab“, folgert Papac. Dieser sei vermutlich aus einer anderen Region nach Böhmen gekommen. Da sein Erbgut alle vorher existierenden Y-Linien ersetzen konnte, muss es sich um eine machtvolle Persönlichkeit gehandelt haben, der Sex mit sehr vielen Frauen hatte, die zahlreiche Nachkommen in die Welt setzten. Den unbekannten Urahn habe man aber bislang nicht gefunden, sagte Papac. Wie genau es zu diesem Bruch kam, sei noch Gegenstand der Forschung.

Ein prominentes Vorbild aus jüngerer Zeit liefert der mongolische Eroberer Dschinghis Khan. Genetische Langzeitstudien haben gezeigt, dass der Fürst offenbar Tausende Kinder gezeugt hat, in seinem Harem und durch Vergewaltigungen auf seinen Feldzügen. Sein Y-Chromosom lässt sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen. Hochrechnungen haben ergeben, dass 16 Millionen Männer, die im Bereich des Mongolischen Weltreichs leben, auf dessen Begründer zurückzuführen sind.

Wie weit Gesellschaften Mitteleuropas vor 4000 Jahren bereits gesellschaftliche Hierarchien entwickelt hatten, zeigt auch die Aunjetitzer Kultur, die Böhmen und die Region zwischen Erzgebirge und Harz prägte. Dort haben Archäologen monumentale Grabhügel und reiche Grabbeigaben gefunden, die auf die Existenz einer regelrechten Herrscherdynastie schließen lassen, die ein regelrechtes „Reich“ kontrollierte.

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