Samstag, 6. Januar 2024

Begann auch das Sprechen mit dem aufrechten Gang?

Borneo Orangutan. (Pongo pygmaeus) 
aus welt.de, 6. 1. 2024    Orang-Utans bingen konsonantenähnliche und auch vokalähnliche Rufe hervor      zu öffentliche Angelegenheiten

Als die Hominiden in die Savanne kamen, änderte sich die Kommunikation
Die Vorfahren des Menschen verlagerten ihren Lebensraum von Bäumen auf den Boden. Sie entwickelten womöglich ihre Stimme: weg von Vokalen, hin zu mehr Konsonanten. Britische Forscher haben dazu nun faszinierende Experimente gemacht.

Der Wechsel von dichten Wäldern zu offenen Ebenen vor Millionen von Jahren hat bei den frühen Hominiden möglicherweise die stimmliche Kommunikation beeinflusst. Um besser gehört zu werden, könnten sie damals von vokal- zu konsonantenbasierten Lauten gewechselt haben – mit Folgen für die Evolution der Sprache. Das schließt eine britische Forschungsgruppe aus der Analyse von Orang-Utan-Rufen.

Während des mittleren und späten Miozäns – also des Erdzeitalters, das vor etwa 16 Millionen Jahren begann und vor ungefähr 5,3 Millionen Jahren endete – veränderte sich das Klima deutlich. Dies führte dazu, dass in Afrika weite Savannen die Wälder ersetzten. Die landschaftliche Veränderung zwang die damaligen Hominiden, ihr Leben von den Bäumen auf den Boden zu verlagern.

Für ein britisches Forschungsteam stellt dieser Wechsel mit Blick auf die Kommunikation jener Primaten eine „ökologische Blackbox“ dar. Es geht konkret um die Stimmbildung. „Ein stimmfähiger Hominide ging hinein, und Millionen von Jahren später kam ein sprachfähiger Mensch heraus“, schreiben sie im Fachblatt „Scientific Reports“.

Tatsächlich sei nicht bekannt, ob oder wie sich der Wechsel von bewaldeten, dichten Lebensräumen zu trockeneren, offenen Lebensräumen auf die stimmliche Kommunikation der Hominiden auswirkte und damit möglicherweise die Voraussetzungen für die Evolution der Sprache schuf. Ein Grund für diese Wissenslücke ist, dass es von jenen Weichteilen, die für Lautäußerungen nötig sind wie etwa Stimmbänder, keine fossilen Überreste gibt.

Um die Auswirkungen des Lebensraumwechsels zu verstehen, untersuchten Charlotte Gannon, Russell Hill und Adriano Lameira, wie gut hörbar aufgezeichnete Orang-Utan-Rufe in einer Savanne im südafrikanischen Lajuma waren.

Orang-Utans würden sowohl konsonantenähnliche als auch vokalähnliche Rufe erzeugen, die an Silben erinnerten und sehr komplex sein könnten, schreiben sie. Als einzige lebende baumbewohnende Menschenaffen seien sie der ideale Kandidat, um den bei den frühen Hominiden erfolgten Wechsel vom Baum zum Boden zu erforschen.

Grunzlaute und „Kuss-Qieken“

Die Forschungsgruppe spielte für ihre Studie insgesamt 487 Orang-Utan-Rufe in silbenähnlichen Kombinationen ab, darunter sowohl konsonantenähnliche Rufe, die sie als „Kuss-Qieken“ bezeichnen, wie auch vokalähnliche Grunzlaute. Die Aufnahmen stammten von 20 Individuen von Sumatra- und Borneo-Orang-Utan-Populationen. Die Rufe wurden in 25-Meter-Abständen aufgezeichnet, über eine Gesamtstrecke von 400 Metern, um zu testen, wie gut sie über verschiedene Entfernungen hörbar waren.

Wie das Forschungstrio berichtet, waren die vokalbasierten Rufe nach Entfernungen von 125 Metern deutlich weniger hörbar als die konsonantenbasierten Rufe. Letztere verloren erst nach 250 Metern etwas an Hörbarkeit. Darüber hinaus waren weniger als 20 Prozent der vokalbasierten Rufe bei einer Entfernung von 400 Metern hörbar im Gegensatz zu 80 Prozent der konsonantenbasierten Rufe.

Diese Beobachtungen deuteten darauf hin, dass auf Konsonanten basierende Rufe im offenen Gelände effektiver seien, schreiben Gannon, Hill und Lameira. Damit könnten konsonantenbasierte Lautäußerungen damals die stimmliche Fernkommunikation verbessert haben. „Das ökologische Umfeld und die Geräuschkulisse, in der die menschlichen Vorfahren lebten, hatten möglicherweise einen stärkeren Einfluss auf die Entstehung und die Form der gesprochenen Sprache als bisher angenommen“, so die Forscher.

Darüber hinaus könnte die bessere Wahrnehmung von Konsonanten gegenüber Vokalen in der frühesten Sprachevolution dazu beitragen, einige Merkmale moderner Sprachen zu erklären. So lernten etwa Säuglinge nach dem ersten Lebensjahr, sich bei der Identifizierung von Wörtern mehr auf Konsonanten als auf Vokale zu verlassen, heißt es in der Studie.

Konsonanten und Vokale spielten auch im Erwachsenenalter noch unterschiedliche Rollen für Sprachbenutzer. Konsonanten würden vor allem für inhaltliche Informationen verwendet, während Vokale eher für strukturelle Informationen benutzt würden. „All diese sprachlichen Phänomene hängen von der erhöhten Auffälligkeit der Konsonantenlaute ab“, schreiben die Forscher.

Dementsprechend sei es möglich, dass die wachsende Rolle der Konsonanten in der stimmlichen Kommunikation der Hominiden in den neuen Land- und Klanglandschaften, die die menschlichen Vorfahren im Zuge des paläoklimatischen Wandels vorfanden, ihren Anfang genommen habe, so die Studie: „Die Ökologie der alten Hominiden könnte das verbale Verhalten des modernen Menschen stärker geprägt haben als bisher angenommen.“

dpa/krei

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Blog-Archiv

Pausen sind gut und nötig; der Pausenhof ist ein Übel.

                                                          aus Levana, oder Erziehlehre Die Schule ist ein Ort, der Kinder in einer so ...