Freitag, 20. Juni 2025

Quanten, Gravitation und die Weltformel.

Wirbel und Wellen auf schwarzem Hintergrund 
aus spektrum.de, 27. 1. 2025                                                                   u Jochen Ebmeiers Realien
 
Quantengravitation: Die Suche nach einer Weltformel
Geschichte der Quantengravitation
Seit einem Jahrhundert versuchen Fachleute, die Quantenphysik mit der Schwerkraft zu vereinen. Die Geschichte ist durchzogen von vielen Durchbrüchen, Wendungen und Streitigkeiten. Ein Überblick über die Entwicklungen der wichtigsten Ansätze.

Themenwoche: Die Jagd nach der Weltformel

Die Gravitation sticht als einzige der vier Grundkräfte heraus: Anders als der Elektromagnetismus und die Kernkräfte scheint sie nicht den seltsamen Regeln der Quantenphysik zu folgen. Viele Physiker sind davon überzeugt, dass eine Theorie der Quantengravitation für ein vollumfängliches Verständnis unserer Welt nötig ist. In dieser Themenwoche beleuchten wir einige Anwärter einer solchen Theorie – und erklären, wie man sie testen könnte.

Wissenschaftsgeschichte: Die 100 Jahre lange Suche nach einer Weltformel
Schleifenqantengravitation:
Das Ende der Zeit
Teleparallele Gravitation:
Eine neue Raumzeit für eine Weltformel
Nichtkommutative Geometrie:
Eine quantenmechanische Struktur des Kosmos
Entropie:
Schwarze Löcher als Schlüssel zur Weltformel
Experimente:
Folgen Raum und Zeit den Gesetzen der Quantenphysik?
Gödelsche Unvollständigkeit:
Ist die Frage nach einer Weltformel unentscheidbar?

»Es gab eine Zeit, in der in den Zeitungen stand, dass nur zwölf Männer die Relativitätstheorie verstanden haben«, sagte Richard Feynman 1965. »Ich glaube nicht, dass es jemals eine solche Zeit gab. Nachdem die Leute die Abhandlung (von Einstein) gelesen hatten, haben viele die Relativitätstheorie auf die eine oder andere Weise verstanden – sicherlich mehr als zwölf.« Was die zweite große Revolution der Physik in den 1920er Jahren anging, hatte Feynman hingegen eine andere Meinung: »Ich kann wohl mit Sicherheit sagen, dass niemand die Quantenmechanik versteht.« Und diese Meinung vertreten viele Fachleute noch heute, 60 Jahre später.

Kurz nach Einsteins bahnbrechenden Erkenntnissen entstand eine neue Theorie, welche die Materie im Universum beschreibt. In dieser verschwimmen die Grenzen zwischen Wellen und Teilchen; viele Größen wie die Energie von Atomen scheinen nur noch häppchenweise (gequantelt) aufzutauchen. Und das vielleicht seltsamste Phänomen: Die Quantentheorie ist von einer grundlegenden Ungewissheit geplagt. Zahlreiche Größen lassen sich nicht mehr mit vollständiger Sicherheit bestimmen – nicht einmal mathematisch. 

Albert Einstein war bereits während der Veröffentlichung seiner allgemeinen Relativitätstheorie im Jahr 1915 davon überzeugt, dass seine Theorie der Schwerkraft nicht endgültig ist und in ein allgemeineres Konzept eingebettet werden sollte. Ausschlag dafür gab unter anderem das damalige Atommodell. Anfang des 20. Jahrhunderts gingen Fachleute davon aus, dass Elektronen den Atomkern umkreisen. Das sorgt aus elektrodynamischer Sicht für Probleme, denn Ladungen auf Kreisbahnen geben Strahlung ab, wodurch sie Energie verlieren. Den Berechnungen zufolge müsste ein Elektron innerhalb von nur 10-10 Sekunden in den Atomkern stürzen. Ein ähnliches Problem gab es auch bei Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie: Demnach strahlt eine beschleunigte Masse (selbst eine so kleine wie die des Elektrons) Gravitationswellen aus, was ebenfalls einen Energieverlust bedingt. Allerdings ist dieser für Elektronen so gering, dass die Teilchen erst nach etwa 1030 Jahren mit dem Kern zusammenprallen würden – eine Zeitspanne, die (wie wir heute wissen) die bisherige Lebensdauer unseres Universums weit übertrifft.

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Auch wenn Einstein mit einigen widersinnigen Konsequenzen der Quantenmechanik haderte, hatte er doch das Gebiet mitbegründet, als er feststellte, dass Licht nur gequantelt in Form von Photonen vorkommt. Er ging davon aus, dass auch die Schwerkraft im Rahmen der Quantentheorie verändert werden müsse. Während er sich fortan erfolglos um eine Erweiterung seiner allgemeinen Relativitätstheorie bemühte, zeigten sich andere Fachleute weniger besorgt.

Dass Atome eine Lebenszeit von 1030 Jahren haben sollten, war mit den damaligen Modellen der Physik vereinbar. Schließlich würde man einen Kollaps höchstwahrscheinlich niemals bezeugen können. Deswegen widmeten sich die Physikerinnen und Physiker dringenderen Problemen, etwa der vollständigen Entwicklung der Quantenmechanik, die damals noch in den Kinderschuhen steckte, sowie einer Quantentheorie des Elektromagnetismus, die das Atommodell retten und erklären sollte, warum Elektronen nicht innerhalb kürzester Zeit in den Kern stürzen. »Es war ein Zeitalter des großen Umbruchs«, sagt der Wissenschaftshistoriker Alexander Blum vom Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin, der zu der Geschichte der Quantengravitation forscht. »Es war damals keineswegs ausgemacht, dass es die Quantenphysik auf der einen und die allgemeine Relativitätstheorie auf der anderen Seite geben würde.«

Einige Fachleute gingen davon aus, dass eine Quantentheorie des Elektromagnetismus automatisch einen Weg eröffnen würde, auch die Schwerkraft zu quantisieren – schließlich ähneln sich die Formeln beider Theorien für schwache Felder. In beiden Fällen nimmt die Kraft zwischen zwei Objekten mit quadratischem Abstand ab. So schrieben Wolfgang Pauli und Werner Heisenberg 1929 in einer Veröffentlichung zur Quantendynamik der Wellenfelder: »Erwähnt sei noch, daß auch eine Quantelung des Gravitationsfeldes, die aus physikalischen Gründen notwendig zu sein scheint, mittels eines zu dem hier verwendeten völllg analogen Formalismus ohne neue Schwierigkeiten durchführbar sein dürfte.«

Selbst wenn sich das aus heutiger Sicht als falsch erwiesen hat: Ganz Unrecht hatten die beiden Theoretiker nicht. Tatsächlich fand sich schnell eine quantisierte Version der Schwerkraft – allerdings nur für den Fall, dass die Gravitation sehr schwach ist und die Raumzeitkrümmung keine Rolle spielt. Darum dreht sich auch der erste Teil von Matvei Bronsteins Doktorarbeit: Er reproduzierte dieses Ergebnis auf elegante Weise. Im zweiten Teil seiner Arbeit untersuchte Bronstein, wie sich die Situation verändert, wenn die Schwerkraft große Werte annimmt.

Angespornt wurde er dabei von einem Fehler, den der renommierte sowjetische Physiker Lew Landau gemacht hatte. Dieser hatte fälschlicherweise behauptet, eine quantisierte Version der Elektrodynamik verhindere es, dass man das elektromagnetische Feld an bestimmten Raumpunkten messen könnte. Schnell bemerkten Fachleute den Fehler in Landaus Arbeit. Doch Bronstein erkannte, dass sich Landaus Überlegungen auf die Schwerkraft übertragen lassen. Und dort schien Landaus Argument seine Gültigkeit zu behalten: Die einsteinsche Gravitation lässt sich nicht an präzisen Raumpunkten vermessen, wenn man die Quantenphysik mit einbezieht.

Das verdeutlichte Bronstein mit einem Gedankenexperiment: Was passiert, wenn man einen winzigen Bereich der Raumzeit untersuchen möchte – sprich, das Gravitationsfeld an einem Punkt im Raum bestimmen will? Dafür kann man sich ein Mikroskop vorstellen, das immer weiter an einen Ort heranzoomt. Je feiner man den Raum abgrenzt und je kleiner die Distanz wird, die man auflösen möchte, desto größer wird laut heisenbergscher Unschärferelation der Impuls im beobachteten Bereich. Die Unschärferelation verknüpft beide Größen miteinander. Je präziser man die eine kennt, desto ungenauer wird die andere. Diese Unsicherheit wächst immer stärker an, wodurch der Impuls (und damit die Energie) irgendwann so groß wird, dass, wie wir heute wissen, ein Schwarzes Loch entstehen würde. Das verhindert jede Vermessung des Bereichs. Verbindet man Quantentheorie und allgemeine Relativitätstheorie, ergibt sich eine natürliche Barriere, die es verhindert, die Geometrie eines Punkts genau aufzulösen. »Es ist kaum möglich, die Quantengravitationstheorie auf diesen Bereich auszudehnen, ohne die klassischen Konzepte gründlich zu überarbeiten«, schloss Bronstein daher in seiner Arbeit. Man müsse sich deshalb von der riemannschen Geometrie, auf der die allgemeine Relativitätstheorie aufbaut, und von dem bisherigen Bild der Raumzeit verabschieden.

Zwei Kugeln auf einer gekrümmten Raumzeit
Allgemeine Relativitätstheorie | Mit seiner allgemeinen Relativitätstheorie beschrieb Albert Einstein die Schwerkraft als Folge einer gekrümmten Raumzeit.

Dieses Fazit erscheint heute radikaler als zur damaligen Zeit. Die physikalische Welt hatte gerade mehrere Umstürze erlebt, was einen solchen Perspektivwechsel nicht so außergewöhnlich machte. Doch die Fachwelt, die mit anderen Fragestellungen beschäftigt war, widmete Bronsteins Ergebnissen nur wenig Aufmerksamkeit. »Bronstein war ein historischer Ausreißer«, sagt Blum. »Im Nachhinein wird er oft als Visionär bezeichnet, aber es gab damals noch nicht die theoretischen Grundlagen, um seine weit reichende Aussage zu untermauern. So gab es zu Bronsteins Zeiten das Konzept des Schwarzen Lochs noch gar nicht.« Sein Gedankenexperiment sei zwar nachvollziehbar, aber es fehlte ein solider Ansatz, der Quantenphysik und allgemeine Relativitätstheorie miteinander vereint, an dem das exemplarisch gezeigt wird. Leider blieb dem Physiker trotz seines jungen Alters kaum noch Zeit, seine weitere Arbeit fortzuführen: 1937 wurde Bronstein im Zuge der stalinistischen Säuberungen im Alter von 30 Jahren verhaftet und kurz darauf getötet.

Mit diesem tragischen Ende lag auch das Gebiet der Quantengravitation gute 15 Jahre lang brach. Erst in den 1950er Jahren kam der Physiker John Wheeler auf ähnliche Schlüsse wie Bronstein, ohne von dessen Arbeiten gewusst zu haben. In dieser Zeit keimten drei grundlegend verschiedene Ansätze für eine Theorie der Quantengravitation auf, die in abgewandelter Form bis heute verfolgt werden. Mehrmals schien es, als stünde eine ausgearbeitete Theorie kurz bevor – doch jedes Mal gab es herbe Rückschläge, so dass bis heute eine quantenphysikalische Theorie der Schwerkraft fehlt.

Erste Schritte in Richtung Quantengravitation

Bereits in den 1930er Jahren hatten Bronstein und andere Kollegen den Fall einer flachen Raumzeit, also schwacher Gravitation, untersucht und quantisiert. Um auch die Raumzeitkrümmung in diesen Ansatz einzuführen, fügten Fachleute zunächst kleine Schwankungen zur flachen Geometrie hinzu. Ziel war es, diese Änderungen durch eine Quantentheorie auszudrücken. Das ist ein beliebter Ansatz in der Physik, der als Störungstheorie bezeichnet wird: Man beginnt mit dem denkbar einfachsten Spezialfall, der sich meist noch exakt lösen lässt (in diesem Fall die flache Raumzeit), und fügt dann nach und nach kleine Abweichungen hinzu, um kompliziertere Fälle zu betrachten.

Schnell fiel auf, dass sich die kleinen Störungen der flachen Raumzeit durch ein bestimmtes Teilchen beschreiben lassen, das so genannte Graviton. In diesem Bild ergibt sich die gekrümmte Raumzeit der allgemeinen Relativitätstheorie durch eine flache Geometrie, die durch das Graviton verformt wird. Ergebnisse dieses Wegs sollten sich in den 1980er Jahren schließlich mit der Stringtheorie verbinden lassen.

Infografik Renormierung
Renormierung | Messgrößen wie die Ladung eines Teilchens entsprechen nicht ihren tatsächlichen (»nackten«) Werten. Weil das Vakuum nicht leer ist und aus vielen kurzzeitig erscheinenden Teilchen-Antiteilchen-Paaren besteht, schirmen diese die Ladung eines Elektrons ab. Je mehr man sich dem Teilchen nähert, desto größer erscheint sie. Solche Effekte muss man berücksichtigen, wenn man die Gleichungen der Quantenfeldtheorien auswertet.

Einen anderen Ausgangspunkt für eine Quantengravitationstheorie bietet die so genannte kanonische Quantisierung. In diesem Fall wird die Raumzeit nicht in zwei Versionen (flach plus Störung) aufgeteilt, sondern soll als Gesamtes quantisiert werden. Dafür braucht man die grundlegenden Größen einer Theorie, etwa die Energiefunktion und einige Beobachtungsgrößen, und drückt diese quantenmechanisch aus. Auf diese Weise fließen die Unschärferelationen sowie die häppchenweise auftretenden Werte, die charakteristisch für die Quantenphysik sind, in die ursprünglich klassische Theorie ein. Ziel des kanonischen Ansatzes ist es, eine Art Schrödingergleichung zu finden, welche die zeitliche Entwicklung eines Systems beschreibt. Im Fall der Schwerkraft entspricht das betrachtete System aber nicht irgendwelchen Teilchen, sondern der Raumzeit. Dieser Ansatz führte in den 1980er Jahren schließlich zur Schleifenquantengravitation.

Der dritte Ansatz beruht auf so genannten Pfadintegralen. Bei dieser Methode erhält man eine Quantentheorie, indem man alle verschiedenen Möglichkeiten, wie sich ein System verändern kann, addiert. Für eine Quantengravitationstheorie müsste man daher alle möglichen Formen der Raumzeit summieren, um daraus abzuleiten, wie sich das Universum entwickelt. Dieser Zugang führte später zu Ansätzen wie der kausalen dynamischen Triangulation.

Damit hatten die Fachleute drei grundlegend verschiedene Wege, die sie für eine Theorie der Quantengravitation verfolgen konnten. Mittels aller drei Methoden lässt sich die Mechanik in die Quantenmechanik überführen. Entsprechend waren die Fachleute Ende der 1950er Jahre hoffnungsvoll, dass zumindest einer der Ansätze bei der Gravitation funktionieren würde. Und tatsächlich sahen die Ergebnisse in den folgenden zehn Jahren viel versprechend aus.

So konnte Feynman die ersten Quanteneffekte aus dem störungstheoretischen Ansatz ableiten. Zudem gelang es im Fall der kanonischen Quantisierung, die Energiefunktion aus Einsteins ursprünglichen Feldgleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie herzuleiten. Es schien nicht mehr viel für eine funktionierende Theorie der Quantengravitation zu fehlen.

Die Abwärtsspirale

Doch dann kamen die Rückschläge. Denn der störungstheoretische Ansatz führt bei allen Quantenfeldtheorien zu Problemen: In den mathematischen Termen tauchen unweigerlich Unendlichkeiten auf. Die Physiker Gerardus t'Hooft und Martinus Veltman untersuchten in den 1970er Jahren, wie sich diese Unendlichkeiten beheben lassen. Statt sich direkt der störungstheoretischen Gravitation zu widmen, begannen sie ihre Analyse an so genannten Yang-Mills-Theorien, zu denen unter anderem das Standardmodell der Teilchenphysik zählt. Es sollte eine Art Aufwärmübung sein.

Die beiden Forscher bewiesen, dass Yang-Mills-Theorien »renormierbar« sind. Das heißt: Indem man einige als konstant angenommene Werte wie die Elektronenmasse, Elektronenladung und die Wechselwirkungsstärke als veränderlich ansieht, lassen sich die Unendlichkeiten beseitigen. Was wie ein seltsamer Trick wirkt, lässt sich physikalisch rechtfertigen.

Wenn man die Ladung eines Elektrons bestimmt, tut man das in der Regel aus der Ferne. Nähert man sich dem Elektron an, spielen Quanteneffekte eine Rolle. Laut der Quantentheorie ist der leere Raum nie wirklich leer, ständig entstehen Teilchen-Antiteilchen-Paare, die sich sogleich wieder vernichten. In der unmittelbaren Umgebung eines Elektrons schwirren diese Paare herum und richten sich so aus, dass ihre Ladungen die des Elektrons abschirmen. Je weiter man sich einem Elektron also nähert, als desto größer stellt sich dessen wahre Ladung heraus. Demnach variiert die wahrgenommene Ladung eines Teilchens mit der Distanz, aus der man es betrachtet. Indem man das beachtet, verschwinden die Unendlichkeiten der störungstheoretischen Yang-Mills-Theorie.

Eine flache Raumzeit und kleine Störungen
Störungstheoretischer Ansatz | Es gibt verschiedene Ansätze, um die Gravitation zu quantisieren. Eine Möglichkeit besteht darin, von einer flachen Raumzeit auszugehen und kleine Störungen hinzuzufügenvgl. hier

Die Unendlichkeiten zeigen in diesen Fällen also nur an, dass etwas Wichtiges nicht bedacht wurde. Mit Hilfe der Renormierung konnten 't Hooft und Veltman viele Quantenfeldtheorien vor dem Untergang retten. Für dieses Ergebnis ihrer Aufwärmübung erhielten sie im Jahr 1999 den Nobelpreis für Physik.

Doch als die beiden Physiker im Jahr 1974 die störungstheoretische Gravitation mit ihrem Renormierungsformalismus untersuchten, stießen sie auf eine unangenehme Überraschung. Die unendlich großen Terme scheinen niemals zu versiegen. Wie sich herausstellt, müsste man unendlich viele Variablen renormieren, damit die Theorie endlich bleibt. Damit war klar: Die allgemeine Relativitätstheorie ist aus störungstheoretischer Sicht nicht renormierbar – die Unendlichkeiten bleiben immer bestehen. Das versetzte dem Ansatz, bei dem kleine Störungen einer flachen Raumzeit hinzugefügt werden, den Todesstoß. Die einzige Möglichkeit, diese Methode zu retten, besteht darin, eine neue Theorie der Schwerkraft zu finden.

Auch der kanonische Zugang zur Quantengravitation mündete in den 1970er Jahren in eine Sackgasse. Bei diesem Ansatz versuchte man, anhand der Energiefunktion eine Art Schrödingergleichung aufzustellen, mit der sich die zeitliche Entwicklung des Universums berechnen lässt. Dazu stellten sich die Fachleute einen extrem abstrakten Raum vor, dessen Punkte jeweils einer möglichen Geometrie der Raumzeit entsprechen. Die Energiefunktion sollte bestimmen, wie man sich durch diesen Raum bewegt, also wie sich die Geometrien der Raumzeit nach und nach verändern.

Bei den übrigen Grundkräften erwies sich der kanonische Ansatz als erfolgreich. Allerdings nimmt die Energiefunktion für die allgemeine Relativitätstheorie eine völlig andere Form an als in den anderen Fällen. Durch die vielen Symmetrien der Raumzeit gibt es beispielsweise etliche Wahlfreiheiten, gleichzeitig müssen die Formeln für eine passende Theorie zahlreiche Bedingungen erfüllen. Als Fachleute diese auswerteten, stellten sie mit Erschrecken fest, dass die Zeitvariable aus den Formeln verschwindet. Demnach gibt es in der Theorie keine Zeitentwicklung. Tatsächlich gilt das bereits für die klassische Theorie der Schwerkraft, nicht für die quantisierte. Das löste Diskussionen darüber aus, ob man sinnvolle Physik ohne eine zeitliche Größe machen könnte.

Ein Würfel, der in viele kleine Würfel unterteilt ist
Kanonischer Ansatz | Beim kanonischen Zugang zu einer Quantengravitationstheorie wird der der so genannte Zustandsraum in kleine Häppchen (hier: Würfel) aufgeteilt. Jeder Punkt im Zustandsraum entspricht einer bestimmten Form, welche die Raumzeit annehmen kann.

Nur beim dritten Ansatz der Quantengravitation, dem Feynman-Pfadintegral, gab es zu jener Zeit Fortschritte, die Hoffnung aufkommen ließen. Verantwortlich dafür war vor allem Stephen Hawking, der Quantenteilchen in einer gekrümmten Raumzeit untersuchte. Dabei erkannte er, dass sich die Summe über alle Raumzeitgeometrien sehr einfach berechnen lässt, wenn man vier Raumkoordinaten statt einer Zeit- und drei Raumkoordinaten betrachtet. Was zunächst viel versprechend wirkte, führte allerdings auch in einer Sackgasse. Denn der Ansatz ließ sich nicht für Systeme mit einer zeitlichen Koordinate verallgemeinern.

Damit steckte die Quantengravitation Ende der 1970er Jahre in einer Krise. Und es war keine naheliegende Lösung in Sicht.

Neue Hoffnung keimt auf

Mitte der 1980er Jahre schien sich das Blatt zu wenden. Nachdem der störungstheoretische Ansatz begraben wurde, erwachte eine alte Idee wieder zum Leben: die der Stringtheorie, eine Quantentheorie von eindimensionalen Fäden, die sich durch die Raumzeit bewegen. Fachleute hatten dieses Modell zwei Jahrzehnte zuvor genutzt, um zu beschreiben, wie Protonen und Neutronen im Atomkern miteinander wechselwirken. Diese Form der Stringtheorie wurde jedoch durch die Quantenfeldtheorie der starken Kernkraft abgelöst, die Quantenchromodynamik.

Den Forschenden war jedoch aufgefallen, dass die Fäden in der Stringtheorie nicht nur die Verbindung von Quarks modellieren, sondern manche Schwingungen der Objekte die Eigenschaften eines Gravitons aufweisen. So keimte die Hoffnung auf, dass auch die anderen Teilchen – Quarks, Gluonen, Elektronen und so weiter – aus den verschiedenen Vibrationen der Strings hervorgehen könnten. Und es schien, als ließe sich die Theorie renormieren. Das war die Geburtsstunde der Stringtheorie als Kandidat für eine Weltformel. Die Stringtheorie beschreibt eine kontinuierliche Raumzeit, in der sich die eindimensionalen Fäden bewegen, und kann einige Ergebnisse der störungstheoretischen Quantengravitation reproduzieren, die Feynman vorangetrieben hatte.

Tatsächlich geht die Stringtheorie weit über den störungstheoretischen Ansatz hinaus. Anstatt bloß eine Quantenversion der Schwerkraft zu bieten, könnte sie alle Grundkräfte miteinander vereinen. Dass sich die Gravitation vielleicht nur in Verbindung mit den anderen Kräften quantisieren lässt, ist nicht völlig abwegig: Die Quantenfeldtheorie der schwachen Kernkraft lässt sich beispielsweise nur in Kombination mit der Elektrodynamik entwickeln. So erhält man die elektroschwache Theorie.

Schnell tauchten aber erste Schwierigkeiten auf. Die Stringtheorie funktioniert beispielsweise nur mit einer zehn- oder höherdimensionalen Raumzeit. Da wir nur drei Raumdimensionen wahrnehmen, schlossen die Fachleute, dass die übrigen sechs ganz klein aufgewickelt sein müssten. Je nachdem, zu welcher Form sie komprimiert sind, ergeben sich andere Gesetzmäßigkeiten. Aufgabe ist es daher, jene Formen zu finden, die zu unserer beobachteten Welt passen. Die Theorie hat weitere Überraschungen parat: Sie sagt zu jedem der bekannten Elementarteilchen ein Partnerteilchen voraus, von denen bisher noch kein einziges beobachtet wurde. Dennoch stieg das Interesse an der Stringtheorie in den 1980er Jahren stark an, als klar wurde, dass sie offenbar eine störungstheoretische Formulierung erlaubt.

 
Viele verschiedene Raumzeitformen, die durch ein Pluszeichen verbunden sind
Pfadintegral-Quantisierung | Um die Theorie der Schwerkraft in eine Quantentheorie zu verwandeln, kann man alle möglichen Geometrien der Raumzeit durch ein so genanntes Pfadintegral summieren.

Zugleich erlebte auch der kanonische Ansatz einen Aufschwung, als der Physiker Abhay Ashtekar eine neue Möglichkeit fand, um die Zeitentwicklung in der allgemeinen Relativitätstheorie zu untersuchen. Anstatt einen abstrakten Raum mit allen möglichen Geometrien einer Raumzeit zu untersuchen, wandte sich Ashtekar einer anderen Größe zu, dem so genannten Zusammenhang. Dieser beschreibt, wie sich ein Vektor (oft als Pfeil dargestellt) ändert, wenn man ihn entlang einer gekrümmten Oberfläche bewegt. Über den Zusammenhang lässt sich die Krümmung der Raumzeit ermitteln, die in der Mathematik üblicherweise durch die so genannte Metrik beschrieben wird. Durch diesen Wechsel von der Metrik zum Zusammenhang erkannte Ashtekar, dass die Energiefunktion und der zu Grunde liegende Raum, durch den die verschiedenen Geometrien des Universums codiert sind, einer Quantentheorie ähneln.

Den endgültigen Durchbruch beim kanonischen Ansatz lieferte ebenfalls eine ältere, bereits verworfene Theorie. Der Physiker und Nobelpreisträger Kenneth Wilson hatte 1974 Schleifen eingeführt, um die Vorgänge der starken Kernkraft jenseits der Störungstheorie zu beschreiben – also dann, wenn die starke Kernkraft wirklich stark ist. Wie sich herausstellte, führt das mathematische Konzept der Schleifen auf einer flachen Raumzeit jedoch zu Problemen. Die Physiker Ted Jacobson und Lee Smolin erkannten 1988, dass diese Schleifen für eine Theorie der Schwerkraft funktionieren, die ohne eine zu Grunde liegende Raumzeit auskommt, sondern die Raumzeit selbst beschreibt. Indem man den abstrakten Raum durch Schleifen ausdrückt, lässt sich die Theorie quantisieren. Damit war die Schleifenquantengravitationstheorie geboren.

Auf Basis dieser neuen Formulierung ließen sich 1992 erstmals konkrete Berechnungen durchführen. So leitete der Physiker Carlo Rovelli zusammen mit Ashtekar und Smolin die Struktur der Raumzeit gemäß der Theorie her. Demnach besteht sie aus einer Art Gewebe mit schaumartiger Struktur. Damit sagt die Schleifenquantengravitation eine diskrete Raumzeit voraus. Wenige Jahre später zeigten Forschende, dass gewisse geometrische Größen wie Flächen oder Volumen nur häppchenweise vorkommen, also quantisiert sind.

Auch im dritten Bereich, der Pfadintegral-Quantisierung, gab es in den 1990er Jahren Fortschritte. Der mathematische Physiker Edward Witten, der im Bereich der Stringtheorie forscht, quantisierte eine dreidimensionale Version der allgemeinen Relativitätstheorie (mit nur zwei Raum- und einer Zeitdimension) mit Hilfe der Pfadintegrale.

Erste Vorhersagen

Zu jener Zeit lieferten die verschiedenen Ansätze der Quantengravitationen erste Ergebnisse. Wieder keimte die Hoffnung auf, eine vereinheitlichte Theorie könnte kurz bevorstehen. Doch wie in den Jahrzehnten zuvor gab es auch dieses Mal Rückschläge.

Mit fortschreitender Computerleistung entwickelte sich aus dem Pfadintegral-Ansatz ein neues Gebiet: das der kausalen dynamischen Triangulation. In diesem werden, wie zuvor auch, alle möglichen Raumzeitgeometrien summiert. Allerdings gehen die Fachleute dabei nicht von einer kontinuierlichen Struktur aus, sondern von einer gekörnten. Die Raumzeit wird durch eine Art Gitter aus winzigen Dreiecken angenähert, damit sie ein Computer verarbeiten kann.

Auch bei der Stringtheorie und der Schleifenquantengravitation gab es einen Durchbruch – bemerkenswerterweise fast gleichzeitig. 1996 konnten beide Theorien ein zentrales Ergebnis reproduzieren, das Stephen Hawking in den 20 Jahre zuvor bewiesen hatte. Als Hawking das Verhalten von Quantenteilchen in stark gekrümmten Räumen rund um Schwarze Löcher untersucht hatte, erkannte er – zusammen mit seinem Kollegen Jacob Bekenstein – eine seltsame Eigenschaft von Schwarzen Löchern, die sie von allen anderen Objekten im Universum zu unterscheiden scheint: Ihre Entropie wächst mit ihrer Fläche statt ihrem Volumen. Seither war klar, dass eine Theorie der Quantengravitation dieses Resultat liefern muss. Dass sowohl die Stringtheorie als auch die Schleifenquantengravitation dieses Verhalten vorhersagen, löste großen Enthusiasmus aus.

Doch die Zeit der gemeinsamen Feierlichkeiten währte nicht lange. Denn schon bald brach einer der größten Konflikte aus, den die Welt der Physik je gesehen hat.

Die friedlichen Zeiten sind vorbei

Seit ihren Anfängen in den 1980er Jahren wuchs das Feld der Stringtheorie in den USA sehr schnell an – viel rascher als die anderen Ansätze für Theorien der Quantengravitation. »Das liegt unter anderem an den Grundlagen der Stringtheorie, die von der Teilchen- und Hochenergiephysik kommen«, erklärt Blum. Durch das Manhattan-Projekt hatte die Politik ein großes Interesse an Forschung in diesen physikalischen Bereichen und förderte entsprechende Vorhaben. »In den 1970er Jahren war die Arbeit am Standardmodell der Teilchenphysik so gut wie abgeschlossen«, sagt Blum. Viele Fachleute suchten nach neuen Herausforderungen und wandten sich daher der Stringtheorie zu. So wuchs der Bereich zu einem »übermächtigen Apparat« an, führt Blum aus: »Die Community der allgemeinen Relativitätstheorie, aus der letztlich die Schleifenquantengravitation entstand, war zum Beispiel viel kleiner.«

Trotz ihrer Größe war die Stringtheorie nicht von Erfolgen gekrönt, sondern machte schwer wiegende Probleme: Die Vorhersagen deckten sich nicht mit den Messungen. Zum Beispiel sagte die Theorie eine »R-Symmetrie« voraus, die sich durch bestimmte Teilchenzerfälle äußern sollte. In Experimenten konnten diese allerdings nicht nachgewiesen werden. Also veränderten Stringtheoretiker ihre Modelle, damit sie wieder zu den Beobachtungen passten. Gleiches geschah, als die vorhergesagten Partnerteilchen ausblieben. Stets schien es eine Stellschraube zu geben, an der man drehen konnte, um die erwarteten Belege zu rechtfertigen. Einige Kritiker zweifelten daher zunehmend an der Wissenschaftlichkeit des Bereichs überhaupt.

Und auch die zehndimensionale Raumzeit, welche die Theorie vorhersagt, wuchs 2003 zu einem weitaus größeren Problem an als geahnt. Wie sich damals herausstellte, gibt es extrem viele verschiedene Möglichkeiten – etwa 10500, wie die überschüssigen Raumdimensionen aufgerollt sein könnten. Jede entspricht einer Beschreibung eines Universums. »Das Problem ist nicht unbedingt die schiere Anzahl«, sagte die Physikerin Sabine Hossenfelder zu Arte, »sondern dass bisher keine Lösung gefunden wurde, die unserem Universum entspricht.« Da sich bisher nicht bestimmen lässt, welche Variante mit unserer Welt übereinstimmt, sagen manche Stringtheoretiker, dass sie alle realisiert sein könnten – und wir in einem Multiversum leben.

Trotz all dieser Rückschläge hatten zahlreiche Stringtheoretiker wissenschaftliche Lehrstühle an Universitäten inne, produzierten viel zitierte Veröffentlichungen, bekamen Forschungsgelder und gewannen Preise. Allerdings sind die Ressourcen in der Wissenschaft – insbesondere in der Grundlagenphysik – stark begrenzt. Kein Wunder also, dass schon bald ein Streit ausbrach.

»Das wird einfach immer unverschämter und lächerlicher«, beschrieb Peter Woit seine Gedanken, die er im Jahr 2004 hatte, im Magazin »Nautilus«. Er startete damals einen Blog, in dem er Kritik an der Stringtheorie übte. »Es gab diese riesige öffentliche Werbung für die Theorie, all diese Aussagen, wie wunderbar die Stringtheorie ist … Doch sie funktionierte nicht.« Sein Hauptkritikpunkt war – und ist noch heute, dass die Theorie keine überprüfbaren Vorhersagen macht.

Die Situation eskalierte, als 2006 zwei Bücher erschienen, die aus diesem Grund hart mit der Stringtheorie ins Gericht gingen: »Not even wrong« von Woit und »The trouble with physics« von Smolin. Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Einige Stringtheoretiker reagierten heftig auf die beiden Werke. Besonders Lubos Motl, der kurze Zeit später seinen Lehrstuhl an der Harvard University verließ, überschlug sich mit persönlichen Angriffen. Auch andere bekannte Größen der Stringtheorie ließen ihrem Unmut freien Lauf. In Zeitungsartikeln, auf Konferenzen und online feindeten sich beide Seiten an. »Wie viele andere verfolgte ich die Entwicklung wie eine Boulevardzeitung. Es war die Physikversion von Big Brother oder den Kardashians«, resümierte der Physiker Abhishek Agarwal, Redakteur bei der renommierten Fachzeitschrift »Physical Review Letters«.

»Die Diskussion versiegte in den 2010er Jahren schließlich«, sagt Blum. Viele Fachleute waren zuvor davon ausgegangen, dass der 2010 in Betrieb genommene Teilchenbeschleuniger LHC am europäischen Kernforschungszentrum CERN die von der Stringtheorie vorhergesagten Partnerteilchen nachweisen würde. Doch das stellte sich als Irrtum heraus. Bis heute gibt es keinen Hinweis auf eine Supersymmetrie. »Die Stringtheorie ist spektakulär. Viele Stringtheoretiker sind wunderbar. Aber die Erfolgsbilanz für qualitativ korrekte Aussagen über das Universum ist wirklich miserabel«, sagte der Physiker Nima Arkani-Hamed 2024 zu »Quanta Magazine«.

Leider blieben auch andere Hinweise auf eine Physik jenseits des Standardmodells aus. »Dadurch geriet die Grundlagenphysik allgemein unter Druck«, sagt Blum, »nicht nur die Stringtheorie.« Plötzlich spielten die internen Streitigkeiten von Quantengravitationstheoretikern keine so große Rolle mehr, als sich außerdem Physiker aus anderen Gebieten wie der Festkörperphysik über die Vergabe von Forschungsgeldern beschwerten.

Nach der Krise ist vor der Krise

Was hat sich seither im Bereich der Quantengravitation getan? »Noch immer sind die Stringtheorie und die Schleifenquantengravitation die wichtigsten Vertreter, wenn man die Größe der Community betrachtet«, bilanziert Blum. Doch beide Gebiete scheinen seit mehreren Jahren zu stagnieren. »Die vollmundigen Ankündigungen, wie es sie in den 1990er Jahren gab, bleiben inzwischen aus«, erklärt der Wissenschaftshistoriker. Angesichts der Kritik, die es in der Vergangenheit gegeben hatte, lehnen sich die Forschenden nicht mehr so weit aus dem Fenster. »Auch der Wissenschaftsjournalismus ist in den Bereich zurückhaltender geworden«, sagt Blum.

Rollentausch

Seit den so genannten »String wars« haben sich die Gemüter beruhigt, wie eine 2014 stattgefundene Konferenz in Puerto Rico verdeutlicht. Dort wurden Carlo Rovelli, einer der berühmtesten Vertreter der Schleifen-Quantengravitation, und der renommierte Stringtheoretiker Raphael Bousso auf die Bühne geholt und gebeten, jeweils ein Plädoyer für die Gegenseite zu halten. Herauskam eine freundliche und voller Witze und Ironie geführte Debatte, bei der die beiden Physiker auf die Schwächen der jeweiligen Theorien eingingen.

In den vergangenen Jahren hat sich der Fokus vieler Stringtheoretiker verschoben. Statt weiterhin nach einer Weltformel zu suchen, widmen sich viele der Anwendung stringtheoretischer Konzepte auf andere Bereiche wie die Kernphysik oder die Festkörperphysik. Die Grundlage dafür legte eine Entdeckung, die der argentinische Physiker Juan Maldacena im Jahr 1997 machte. Er fand eine Verbindung zwischen einer fünfdimensionalen Raumzeit mit Quantengravitation (einer einfachen Version der Stringtheorie) und einer bestimmten Quantenfeldtheorie ohne Schwerkraft, die sich auf deren vierdimensionalem Rand abspielt. Diese als AdS-CFT-Korrespondenz bekannte Verbindung wird seither intensiv erforscht und lässt sich etwa zur Beschreibung von Phasenübergängen nutzen – für eine Quantengravitationstheorie eignet sie sich hingegen bislang nicht.

Auch die Schleifenquantengravitation scheint festzustecken. Sie liefert keine Vorhersagen, die sich in naher Zukunft überprüfen ließen. Ebenso ist unklar, ob sich die Modelle der Raumzeit, die sich aus der Theorie ergeben, mit den von uns beobachteten Symmetrien decken.

Da die zwei bisherigen Favoriten nicht weiterkommen, wenden sich Fachleute nun vermehrt anderen Herangehensweisen zu. »Mit der Krise der spekulativen Ansätze bekommen bescheidenere Ideen Aufwind«, erklärt Blum. So sei beispielsweise die »asymptotische Sicherheit« ein wachsender Bereich, der ohne zusätzliche Teilchen oder Raumdimensionen auskommt. »Die Hauptschwierigkeit ist bei allen Theorien aber die mathematische Komplexität«, sagt Blum. »Man muss die atomistische Materie mit einer kontinuierlichen Raumzeittheorie verbinden.« Die Stringtheorie tut das, indem sie auf eindimensionale Fäden zurückgreift, die Schleifenquantengravitation hingegen durch eine gekörnte Raumzeit.

Wieder andere, wie der Physiker John Oppenheim, verfolgen einen völlig abweichenden Gedanken. Oppenheim vertritt die unkonventionelle Ansicht, dass die Schwerkraft überhaupt nicht den Gesetzen der Quantenphysik folgt, sondern sich auch weiterhin durch eine klassische Theorie beschreiben lässt. »Im Prinzip folgt er damit dem allgemeinen Trend, einen minimalistischen Ansatz zu wählen«, stellt Blum fest, »nachdem jahrzehntelang ausladende Spekulationen die Nase vorne hatten.« 

 

 

Donnerstag, 19. Juni 2025

Wandernder Homo sapiens .

Auf nach Asien: Künsterische Darstellung einer Gruppe afrikanischer H. sapiens auf dem Weg hinüber zur arabischen Halbinsel 
aus FAZ.NET, 19. 6. 2025                                                                 zu  Philosophierungen  zu Jochen Ebmeiers Realien 

Von Afrika nach Amerika
Neuigkeiten über die Ausbreitung des Homo sapiens über die Erde: Sein Siegeszug bereitete sich schon in Afrika vor – und nach Nordamerika kam er tatsächlich viel früher als lange gedacht

Wir sind alle Afrikaner. Dieser Befund ist keine 40 Jahre alt. Noch bis zur Jahrtau-sendwende war die These, die Spezies Homo sapiens sei auf dem afrikanischen Kon-tinent entstanden, heftig umstritten. Doch immer präzisere Funddatierungen und genetische Informationen aus fossilem Knochen haben von der konkurrierenden Hypothese einer multiregionalen Abkunft der modernen Weltbevölkerung von älteren, archaischen Formen des Genus Homo an verschiedenen Orten der Erde wenig übrig gelassen. Alle heutigen Menschen stammen ganz überwiegend von Leuten ab, die vor 50.000 Jahren Afrika verließen.

Doch Homo sapiens war schon lange davor aus Afrika hinausgezogen. So gibt es Hinweise auf seine Anwesenheit in Griechenland vor mehr als 200.000 Jahren, in China vor mehr als 80.000 und sogar in Australien vor rund 65.000 Jahren. Aller-dings waren diese frühen Migrationswellen in einem gewissen Sinne nicht nachhal-tig: Sie hinterließen keine nachweisbaren Spuren im Genom der heutigen Men-schen.

Warum nicht? Oder anders gefragt: Warum klappte die Eroberung der Welt und die vollständige Verdrängung aller anderen Homininenformen – etwa des Neanderta-lers in Europa – dann am Ende doch? Was machte den Auszug vor 50.000 Jahren so besonders? Bisherige Erklärungen postulierten werkzeugtechnische Innovatio-nen oder die Ausbildung eines fitteren Immunsystems nach der Vermischung mit außerafrikanischen Homininen. Doch für ersteres gibt es keine Indizien und zu letzterem muss auch in früher ausgewanderten Populationen gekommen sein, ohne dass es sie schließlich vor dem Verschwinden rettete.

Eroberung neuer Nischen in Afrika

Eine Gruppe um die maltesische Archäologin Eleanor Scerri, Leiterin der For-schungsgruppe für Paläosysteme am Max-Planck-Institut für Geoanthropologie in Jena, sowie des Evolutionsbiologen Andrea Manica von der Universität Cambridge hat nun in Nature neue Ergebnisse veröffentlicht, die diese Frage beantworten hel-fen.

Die Forscher kompilierten dazu eine Datenbank hinreichend genau datierter ar-chäologischer Daten aus ganz Afrika während der jüngsten beiden Eiszeiten, zwi-schen 120.000 und 14.000 Jahren vor heute. Dies kombinierten sie mit Informati-onen aus Klimasimulationen, welche Aufschluss über die Entwicklung der verschie-denen ökologischen Nischen in diesem Zeitraum geben. Das erlaubte ihnen nach-zuverfolgen, wann Menschen in Afrika welche Nischen besetzten und darin über-leben konnten.

„Ökologen haben erst vor rund 25 Jahre begonnen solche korrelativen Methoden zur Modellierung von Nischen zu nutzen“, schreibt der Paläohistoriker William Banks vom Centre National de la Recherche Scientifique in Bordeaux in einem be-gleitenden Kommentar in Nature und nennt die Arbeit des Teams um Scerri und Manica ein Beispiel dafür, wie leistungsfähig solche interdisziplinären Ansätze in der Archäologie und Anthropologie sein können.

Frühste Ornamente: Die Verzierungen auf diesem sieben Zentimeter langen Stück Ocker aus der Blombos-Höhle in Südafrika ritzten Angehörigen des Homo sapiens vor rund 70.000 Jahren.
Frühste Ornamente: Die Verzierungen auf diesem sieben Zentimeter langen Stück Ocker aus der Blombos-Höhle in Südafrika ritzten Angehörigen des Homo sapiens vor rund 70.000 Jahren. 

Tatsächlich konnten die Autoren damit nachweisen, dass das von Menschen besetz-te Nischenspektrum sich vor etwa 70.000 Jahren deutlich auszuweiten begann und dieser Vorgang bald eine Dynamik entfaltete, die vor 50.000 Jahren ihren Höhe-punkt erreichte – gerade um die Zeit des folgenreichen Auszugs aus Afrika.

Das hat den erfolgreichen Exodus offenbar entscheidend vorbereitet, schließen die Forscher aus ihrer Analyse. „Diese vermehrte Fähigkeit, sich neuen Habitaten an-zupassen, von äquatorialen Wäldern bis zu Trockenwüsten, dürfte den menschli-chen Populationen die nötige ökologische Flexibilität gegeben haben, um mit den neuen Umweltbedingungen fertig zu werden, denen sie im Verlauf der Expansion aus Af-rika begegneten“, schreiben sie. „Das erlaubte ihnen dann den Erfolg, der früheren Migrationswellen versagt geblieben war“.

Ohne Nebeneffekte war diese neue Anpassungsfähigkeit indes nicht, wie die For-scher in ihrer Arbeit erwähnen. „Eine zweite Expansion ist dann von etwa 29.000 Jahren an zu beobachten“, schreiben Scerri und Kollegen. Dann, am Beginn der jüngsten Eiszeit, hätten Menschen sämtliche Regionen und Ökosysteme Afrikas besetzt und an deren Ende eine Reihe neuer Verhaltensweisen an den Tag gelegt. „Darunter teilweise Sesshaftigkeit, Hinweise auf dauerhafte soziale Netzwerke über weite Strecken hinweg und wachsende interterritoriale und interpersonale Gewalt“.

Wenig später sind die Nachfahren der Auswanderer dann bereits in der neuen Welt nachweisbar, wie eine andere in dieser Woche erschienene Studie nun abschließend gezeigt hat. Vor vier Jahren hatte ein Team um den britischen Geographen Matthew Bennett einen sensationellen Fund veröffentlicht: In Science berichteten sie über die Entdeckung menschlicher Fußspuren im versteinerten Ufersand eines ehemali-gen Sees im White Sands National Park im amerikanischen Bundesstaat New Mexi-co.

Das Sensationelle daran: ihrer Datierungen zufolge waren die Fußabdrücke zwi-schen 21.000 und 23.000 Jahre alt. Sie stammen damit aus der Zeit, an der die jüng-ste Eiszeit ihren Höhepunkt erreicht hatte. Bis dahin stand in allen Schul- und Lehrbüchern, die ersten Menschen hätten aufgrund der eiszeitlichen Vergletsche-rungen erst später nach Nordamerika einwandern können. Die frühesten gut do-kumentierten Jäger-und-Sammler, die Angehörigen der sogenannten Clovis-Kultur, traten denn auch erst vor etwa 13.000 Jahren auf.

Dies ist nun endgültig überholt. In Science Advances hat ein Team unter der Lei-tung von Vance Holliday von der University of Arizona ganz ohne Beteiligung des Bennett-Teams, mit neuen stratigraphischen Daten und der Radiocarbon-Analyse von 26 weiteren Proben in zwei verschiedenen Laboren das Alter jenes versteiner-ten Seeufers in New Mexico noch einmal unabhängig bestimmt. Es ist demnach definitiv zwischen 23.600 und 17.000 Jahre alt. So sicher wie man sich in der Na-turwissenschaft [!] überhaupt sein kann waren damals also schon Menschen in Amerika. Keine Dreißigtausend Jahre nach dem Aufbruch ihrer Vorfahren aus Afrika. 


Nota. - "Eroberung neuer Nischen"? Herr v. Rauchhaupt, das ist ein ganz falscher Zungenschlag. Nischen erobert man, um sich darin einzunisten. Was Sie uns hier berichteten, ist etwas ganz anderes. Eingenistet haben sich immer nur ein paar, die andern sind weitergezogen: Das ist es, worauf es gattungsgeschichtlich ankommt. Die menschliche Gattung hat sich erhalten und ausgebildet, indem sie sich über zehntausende von Jahren zum Homo vagans stilisiert hat. Zehntausende von Jah-ren, das ist evolutionär nicht viel? Genau; und darum handelt es sich auch um einen revolutionären Bruch - einen Sprung, und keinen graduellen Übergang: einen Ur- sprung.

Hätte der Mensch sich nicht zum Überleben in der Migration ermächtigt, gäbe es ihn heute nicht mehr. Genauer gesagt, alle anderen Zweige der Familie homo, die sich dazu nicht aufraffen konnten, sind untergangen.*  

Einen solchen Sprung hat auch keine andere Gattung unternommen. Die Wieder-käuer, die in Nordamerika und im Südteil Afrikas von Nord nach Süd und rück-wärts durch die ewiggleiche Steppe ziehen, tun nichts als das, den Jahreszeiten fol-gend. So unsere Zugvögel.

Eigentlich bildete der Übergang zur Vaganz in den Savannen, die durch den auf-rechten Gang erst möglich geworden war, den ersten Schritt zur Sonderstellung des Menschen unter den Lebewesen. Es zeichnet die menschliche Gattung aus, dass sie sich dazu ausgebildet hat, unter sämtlichen klimatischen und topographischen Be-dingungen zu überleben - indem sie sie notfalls nach ihre Bedürfnissen zu sekundä-ren Nischen einrichten.

*) Übrigens auch die Gruppen, die während der Wanderzeit in Nischen hängeglieben waren. Auch dort lebt heute nurmehr Homo sapiens; auch in Denisova und dem Neandertal. 
JE   

 

Mittwoch, 18. Juni 2025

Isomorphie, das Goldene Kalb der Kosmologen.

                                                   zu Jochen Ebmeiers Realien

Was treibt die Suche nach der kosmologischen 'Einheitstheorie' alias Weltformel denn an?

Einerseits ist da ein harmlos-pragmatisches Motiv: Könnte man die Sätze der Quan-tenphysik unverkürzt in Sätze der Relativitätstheorie übersetzen und umgekehrt, öffnete sich den Berechnungen zu technischen Zwecken ein unermessliches Feld - und wer wollte dagegen Vorbehalte haben? 

Andererseits ist da ein spekulativ-metaphysisches Motiv: Könnte man erweisen, dass die Welt "irgendwie" aus einem Guss ist, ließe sich die Frage, wer da gegossen haben mag, schwerlich umgehen; wenn Alles auf dieselbe Formel hört, muss sie sich einer ausgerechnet haben. Ein intelligentes Design macht einen intelligenten Designer unabdinglich.

Letzteres wird natürlich nicht geraderaus posaunt, sondern nach länglichen Ter-giversationen über die pragmatische Hypothese bescheiden nachträglich "zu be-denken" gegeben; aber es ist Augenwischerei.

Würden die Forschungsergebnisse eine Weltformel erlauben, wäre die Kritische alias Transzendentalphilosophie zwar nicht widerlegt, aber ihre Plausibilität erhielte einen ernsten Schaden. 

Es könnte immer noch sein, dass es sich um eine faktische Koinzidenz handelte - aber das wäre ausgesprochener Zufall, von denen es in der Naturwissenschaft zwar einige, aber bei Lichte besehen doch sehr wenige gibt. Dass sich einstweilen aber keine Koinzidenzen finden ließen, bewiese schlicht ganz und gar nichts: Bis vor hundert Jahren hat man ja nicht einmal nach ihnen suchen können! 

Um faktische Wahrscheinlichkeiten kann man hier allenfalls würfeln; doch über Motive lässt sich manches ergründen. Noch vor hundert Jahren ging man davon aus, dass der Weltraum 'überall gleich beschaffen' ist - weil es sich so für den dog-matischen Metaphysiker, der in jedem von uns schlummert, eben so gehörte. Inzwi-schen weiß die Forschung, dass es in dem uns zugänglichen Teil des Kosmos kaum eine Gegend gibt, die einer anderen Gegend gleicht.

Dass eines dem gesunden Menschenverstand einleuchtet, ist wissenschaftlich nicht ausschlaggebend. Bedenklich - nämlich des Bedenkens wert - ist der gesunde Men-schenverstand selbst. Zwar ist er auch kritisch, wo es um die Zweckmäßig keit geht. Doch um die Zwecke selbst macht er nur bei besonderen Gelegenheiten Sorgen; und eben nicht bei alltäglicher Selbstverständlichkeit.

 

Wonach entscheide ich denn, was wirklich ist?

 es schwebt                                                               zu  Philosophierungen

Dass das Gehirn keinen eigenen Maßstab dafür hat, was real ist und was es sich nur einbildet, beweist nicht, dass diese Unterscheidung selber nicht real, sondern 'bloß eingebildet' ist: Es beweist gar nichts. Dass etwas außerhalb der Vorstellung 'wirk-lich vorkommt', kann nur etwas außerhalb unserer Vorstellung uns verbürgen - doch davon könnten wir nichts wissen. Es ist aber auch nicht so, dass nur wir 'es nicht wissen können'; dass da etwas Wissbares ist, zu dem wir, ach, keinen Zugang haben. Vielmehr ist es so, dass die Frage selber, wenn man sie nur gründlich stellt, keinen Sinn hat.


Wir wissen nichts, als was in unserer Vorstellung vorkommt: Beide Ausdrücke be-deuten dasselbe. Wir wissen folglich nichts, was in unserer Vorstellung nicht vor-kommt. Wir wissen manches noch nicht, weil es in unserer Vorstellung noch nicht vorkommt; das kann sich ändern, man muss immer wieder versuchen. Doch etwas, das ich mir nicht vorstellen kann, weil es an sich nicht vorstellbar ist, ist... unvor-stellbar. Es ist nicht inexistent, sondern sinnlos. Danach zu fragen, ist... nun ja, dumm; spätestens, sobald die erforderlichen Überlegungen angestellt wurden.

*

Daneben steht die Tatsache, das wir alle im Alltag tausendfach unterscheiden zwi-schen Vorstellungen, denen in einer Welt außerhab meiner Vorstellungen etwas entspricht, und Vorstellungen, denen nichts Reales entspricht; und dass wir uns ganz selbstverständlich ein Urteil über deren Unterscheidung zutrauen; wenn nicht auf den ersten Blick, dann auf den zweiten oder dritten. Und dass uns diese Unter-scheidung alltäglich tausendfach gelingt, sehen wir als den Unterschied zwischen einem vernünftigen und einem verrückten Bewusstsein an! Die ganze westliche Kultur beruht darauf. 

Ob es eine grundlose Anmaßung ist, kann die empirische Kognitions- und Neuro-wissenschaft nicht beurteilen. Denn dazu müsste sie aus ihrem natürlichen Befan-gensein in den immanenten Bewegungsgesetzen des Gehirns heraustreten, die doch gerade Gegenstand ihrer Untersuchung sind. Man müsste schon einen Standpunkt außerhalb seiner einnehmen können, um sein Verfahren "wie ein unbeteiliger Zu-schauer" anzuschauen.

Das ist empirisch offenbar nicht möglich. Es kann nur spekulativ geschehen, an-hand eines Modells. Die Transzendentalphilosophie behauptet, ein solches Modell entworfen zu haben. Sein spekulativer Ausgangspunkt ist die Annahme, dass die Intelligenz nicht rezeptiv, sondern schlechterdings agil und projektiv tätig ist. Dass es so ist und wie es möglich wurde, kann das Modell selber nicht erweisen, sondern muss es voraussetzen. Erweisen oder doch mindestens faktisch einsichtig machen könnten es dann doch wieder nur die realen Wissenschaften. Der obige Beitrag liegt auf dem Weg dorthin.
Kommentar zu  Unsere inneren Universen, JE, 1. 2. 20

 

Wirklich ist nicht, was ist,  sondern was geschieht - was getan wird. Das sind keine Zustände, sondern Handlungen: zu allererst die Leistungen unserer Einbildungs- und Urteilskraft. Sie sind ständig tätig, Zustände sind immer nur nachträglich hinzu-gedachte Interpunktionen unserer Vorstellungen. Real sind immer nur die Übergän-ge; will sagen: Das Wirkliche schwebt.

 

 

Wie verändert die Quantenphysik unsere Vorstellung von der Wirklichkeit?

 
 aus derStandard.at,                 Die Raumzeitkrümmung                         zu  Jochen Ebmeiers Realien

Quantenphysikerin Loll: 
"Was wir für Realität halten, braucht eine Korrektur"
Wie Phänomene auf mikroskopischer Ebene unser Bild von der Wirklichkeit zum Wanken bringen und was der "heilige Gral" der Quantenphysik ist, wurde in Wien diskutiert

von Karin Krichmayr 

Was ist Realität eigentlich? Sind die Dinge so, wie sie in unserer Wahrnehmung scheinen? Und wie hängt das alles mit Raumzeit, Gravitation und den Vorgängen auf unfassbar winzigen Skalen zusammen? "Was wir für Realität halten, braucht eine Korrektur", sagt Renate Loll. "Es passt nicht mit unserem Bild zusammen, das wir aus dem Verständnis der Quantenphysik entwickeln."

Renate Loll, theoretische Physikerin an der Radboud-Universität im niederländi-schen Nijmegen, hielt den Eröffnungsvortrag bei der Abschlussveranstaltung der Semesterfrage der Universität Wien zum Thema "Wie verändert Quantenforschung unsere Wirklichkeit?" – und brachte dabei nicht nur so manche Vorstellung von der Realität ins Wanken, sondern auch viele Köpfe im vollen Saal in der Aula der Wis-senschaften in Wien zum Rauchen. Anlass für die von STANDARD-Chefredakteur Gerold Riedmann moderierte Diskussionsrunde, zu der die Uni Wien in Koopera-tion mit den Science Talks des Wissenschaftsministeriums geladen hatte, war das 100-Jahr-Jubiläum der Formulierung der Quantenmechanik durch Werner Heisenberg.

Wie verändert Quantenforschung unsere Wirklichkeit? 
Podiumsdiskussion zur Semesterfrage

Heute ist Quantenphysik zwar allgegenwärtig, zum Beispiel in unseren Smartpho-nes, und doch "wirft sie noch dieselben Fragen auf wie vor 100 Jahren", sagte Loll. "Sie gibt uns einen Begriff von Realität, der nicht mit dem übereinstimmt, was wir mit unseren Sinnesorganen wahrnehmen. Es ist eine Zumutung der Natur."

In der Quantenrealität

Eine zentrale Erkenntnis des 21. Jahrhunderts sei: "Alle Physik ist letztendlich Quantenphysik." Das bedeute auch, dass die tatsächliche Realität die Quantenre-alität sei. Das Problem dabei: Die Phänomene der Quantenwelt lassen sich nur auf mikroskopisch kleinen Skalen beschreiben, auf der Ebene von Atomen, Elektronen und Licht. Und auf dieser Skala finden sich Prinzipien, die für unsere Wahrneh-mung, die an die makroskopische Welt gewöhnt ist, absolut widersinnig wirken – wie Überlagerung, Verschränkung und Quantenfluktuationen. "Die mikroskopische Physik ist nicht einfach eine verkleinerte Version der makroskopischen. Atome verhalten sich nicht wie Billardkugeln", schilderte Loll. All das lässt sich zwar nicht direkt wahrnehmen, aber sehr wohl in Experimenten nachweisen.

"Alle Physik ist letztendlich Quantenphysik", sagte Quantenphysikerin Renate Loll, Expertin für Quantengravitation.

Auch wenn Experimente mit immer größeren Teilchen klappen, klafft noch eine "entsetzliche Lücke" in der Quantenforschung, wie Loll erläuterte. "Wir haben bereits fertige Theorien für drei der vier fundamentalen Wechselwirkungen, nämlich den Elektromagnetismus und die schwachen und starken Kernkräfte. Es ist aber noch nicht gelungen, auch die Gravitation mit der Quantenphysik in Einklang zu bringen." Gravitation wird seit Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie mit der Krümmung der Raumzeit gleichgesetzt. Und diese Kraft ist im Gegensatz zu ihrer Bezeichnung "Schwerkraft" extrem schwach, wie Loll anhand einer Büroklam-mer und eines Magneten, der die Gravitation locker aussticht, demonstrierte – und auf der "wahnwitzig kleinen" Quantenskala mit derzeitigen Technologien nicht messbar.

Es geht also um nicht weniger, als die fundamentalen Widersprüche zwischen der allgemeinen Relativitätstheorie und den Prinzipien der Quantentheorie aufzulösen, um auch die Gravitation auf Quantenphänomene zurückführen und damit den Quantenursprung von Raumzeit verstehen zu können. Der "heilige Gral" der Quantenphysik wäre, einen Weg zu finden, um "Kontakt zur realen Welt" herzustellen, indem es gelinge, beobachtbare Effekte der Quantengravitation vorherzusagen und dann tatsächlich zu verifizieren, etwa durch astrophysikalische Messungen. Inzwischen muss man sich mit Computersimulationen zufriedengeben, die immer genauere Ergebnisse liefern.

Mut und Geld

Weiter ist die Forschung schon auf den Gebieten der Quantenkommunikation und Quantenkryptografie, Bereiche, in denen österreichische Forschungsgruppen maßgebliche Fortschritte erzielt haben, allen voran Physiknobelpreisträger Anton Zeilinger. Dass Österreich ein gutes Pflaster für Quantenforschung sei, liege daran, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Visionäre gehabt zu haben und gleichzeitig den Mut, sie zu finanzieren, sagte Markus Aspelmeyer, der an der Universität Wien und an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) zu Quantenoptik, Quantennanophysik und Quanteninformation forscht.

"Das Geld ist da", ist Christina Hirschl von den Silicon Austria Labs (SAL) überzeugt und hält fest, dass es weiterhin Mut brauche – und entsprechende Infrastruktur. Die SAL arbeiten an einer Pilot-Produktionslinie für Ionenfallen, eine der möglichen Grundlagen für Quantencomputer. Zusätzlich brauche es noch mehr "Entrepreneur-Spirit", eine entspanntere Einstellung gegenüber dem Scheitern und mehr Venture-Fonds zur Finanzierung von Start-ups. "Die Möglichkeiten der Anwendungen in unserem täglichen Leben werden riesig sein", gab sich Hirschl optimistisch.

Momentan könnte auch Europa davon profitieren, dass viele Forschende in den USA von Budgetkürzungen und Unsicherheiten durch die massiven Einschnitte der Trump-Regierung betroffen sind, betonte Thomas Jennewein, Physiker an der kanadischen Simon Fraser University in Vancouver. Man könne sich nun profilieren und versuchen, hoch qualifizierte Forschende anzuziehen. Auch Kanada würde sich nun bei Kollaborationen eher nach Europa als zum Nachbarn USA ausrichten.

"Völlig skurriles" Problem

Am Ende der Diskussion geht es noch einmal weg von den Banalitäten unserer wahrgenommenen Realität zurück zu dem, was eigentlich dahintersteckt. Was sagt denn nun die Quantenphysik über die Wirklichkeit aus? "Nichts – das ist genau unser Problem", sagte Markus Aspelmeyer. "Der große Wurf, der Werner Heisenberg vor 100 Jahren gelungen ist, war es, dass wir nur noch Aussagen darüber machen, was wir beobachten können, und nicht darüber, wie die Natur ist." Man habe den Versuch aufgegeben, zu hinterfragen, was denn unsere Beobachtungen letztlich erzeugt.

Aus philosophischer Perspektive stelle das ein "völlig skurriles" Problem dar, sagte Aspelmeyer und lädt die Geisteswissenschaften ein, daran mitzuarbeiten, neue Ideen zu finden, die dazu führen, die noch offenen fundamentalen Fragen der Quantenphysik – und damit unserer Wirklichkeit – zu klären. Oder, wie es Renate Loll formulierte: "Freuen wir uns auf die nächsten 100 Jahre!" 

 

 

Nota. -  "Alle Physik ist letztendlich Quantenphysik" - das heißt, der ganze Kosmos ist letztendlich aus Quanten zusammengesetzt. Mit derselben Berechtigung könnte man sagen, alle Physik sei letztendlich Kosmologie, denn die Quanten, die wir im Kosmos unterscheiden können, sind seine Quanten. 

Ob es forschungspragmatische Gründe gibt, weshalb die Physik die eine oder die andere Auffasung bevorzugen sollte, weiß ich nicht, spielt aber auch keine Rolle: Wissenschaftslogisch ist die eine so gut wie die andere. Und das gibt, wenn wenn es um unsere Vorstellung von der Wirklichkeit geht, den Ausschlag. 

Soviel mal fürs Erste.
JE 

Camille Pissarro im Barberini.

 
aus FAZ.NET, 17. 6. 2025                            Printemps à Èragny, 1900                                  zu Geschmackssachen

Er suchte und fand das Leuchten der Dinge 
Das Paradies, aus dem die Moderne vertrieben wurde: Im Potsdamer Museum Barberini ist das Lebenswerk des großen Impressionisten Camille Pissarro zu entdecke
 

Er habe „eine beklagenswerte Vorliebe für Nutzgärten“ und schrecke „vor keiner Darstel-lung von Kohl oder heimischem Gemüse“ zurück, bescheinigte ein Kritiker dem Maler Camille Pissarro bei der ersten Impressionisten-Ausstellung im Jahr 1874. Tatsächlich malte Pissarro nicht nur Gemüse, sondern auch Hühner und Gänse, Schafherden, Eselskarren, Pferdewagen, Bäuerinnen bei der Heuernte, eine Metzgerin auf dem Straßenmarkt, ein Schwein, das aus einem Trog frisst. Dazu Dampfschiffe, Eisenbahnen, Flusshäfen, Fabrik-schlote, Dächer in Rouen und den Verkehr auf den Pariser Boulevards.

Aber bei Pissarro wirkt diese Alltagswelt der frühen Moderne nicht banal. Sie wird zur Bühne des Lebens. Eine Schleuse in Pontoise erhält durch ein knallrotes Haus, das sich im Wasser spiegelt, einen dramatischen Akzent. Ein leerer Platz an einem Friedhof scheint in der Mittagshitze von Geistern bevölkert. Die Straße von Louveciennes nach Versailles verflüssigt sich im Spiegeleffekt des Regens. Eine Uferpromenade mit Arbeitern und Spaziergängern zittert im Frühlingswind, der die Rauchfahnen aus den Schornsteinen im Hintergrund verbläst. Man ertappt sich dabei, dass man Heimweh nach diesen Orten und Landschaften hat, Heimweh nach dem Rasseln der Räder, dem Tuten der Schiffshörner, den Wegen am Stadtrand, den Dorfwiesen im Schnee. Das alles ist Geschichte, aber zugleich ist es immer noch da, aufbewahrt in den Pinselstrichen von Pissarros Kunst.

Zola erkannte früh Pissarros Genie

Einer der Ersten, der sah, was wir heute sehen, war Émile Zola, der im Pariser Salon von 1866 Pissarros „Ufer der Marne im Winter“ entdeckte. In der Wüste des Gefälligen, schrieb der Autor von „Nana“ und „Germinal“, habe ihm das Gemälde Erholung geschenkt: „Man sieht nur ein Stück Straße, dahinter eine Anhöhe und bis zum Horizont abgeerntete Felder. Nirgends eine Augenweide. Eine nüchterne, ernste Malerei, deren letztes Anliegen Wahr­heit und Genauigkeit ist.“ Im Übrigen habe das Bild niemandem gefallen: „Warum, zum Teufel, sind Sie aber auch so bemerkenswert ungeschickt, solide zu malen und die Natur unbefangen zu studieren?“

Ja, warum? Die Ausstellung im Potsdamer Museum Barberini, die Pissarros Lebensweg mit mehr als hundert Werken nachzeichnet, gibt darauf ei­ne vage, aber suggestive Antwort: Es war das Gefühl der Fremdheit, das den Maler antrieb, sich immer wieder aufs Neue mit der Landschaft und den Städten Frankreichs zu verbinden. 1830 auf der Karibikinsel Saint Thomas als Kind sephardischer Juden geboren, die vor der Inquisition aus Portugal nach Frankreich geflohen und von dort nach Dänisch-Westindien ausgewandert waren, kam Pissarro als Zwölfjähriger auf ein Pariser Internat. Fünf Jahre später holte ihn sein Vater zurück, aber statt in dessen Eisenwarenhandlung mitzuarbeiten, trieb er sich mit dem dänischen Maler Fritz Melbye am Hafen herum und zeichnete. 1852 schifften sich die beiden nach Venezuela ein, wo sie zwei Jahre blieben.

Das Land seiner Ahnen: Pissarro signierte „Paysage à St. Thomas“ von 1856 rechts unten in leuchtendem Rot
Das Land seiner Ahnen: Pissarro signierte „Paysage à St. Thomas“ von 1856 rechts unten in leuchtendem Rot 

Die Ausstellung dokumentiert diese Frühphase in zehn Beispielen. Sie zeigen, dass Pissarro schon auf Corots Spuren un­ter­wegs war, als er von dessen Malerei noch gar nichts wissen konnte. Die Landschaft, ob als Zeichnung oder Aquarell, wird in diesen Bildern zum Stimmungsträger, die Figuren sind Staffage. In seinem späteren Werk, vor allem in den Szenen bäuerischen Lebens, wird er ihnen ein ei­ge­nes Gewicht geben, aber ein Menschenmaler ist Pissarro bis zuletzt nicht geworden. Er suchte seine Wahrheit, wie die meisten Impressionisten, im Widerschein der Welt, nicht im Glanz eines Gesichts.

Pissarro war bei jeder der acht Ausstellungen der Impressionisten dabei

In Paris, wohin er 1855 zurückkehrt, wird er Corots Schüler, setzt sich aber bald von ihm ab. Die Weichzeichnung, Corots Markenzeichen, macht der von Zola gefeierten Nüchternheit Platz, die akademische Bildgliederung einer zugleich freieren und ausgefeilteren Formensprache. Pissarros Sujets mögen simpel sein, seine Kunst ist es nicht. Die Gemüsegärten, Landstraßen und Flussufer, die er an seinem Wohnort Pontoise malt, sind Wunder der Geome­trie, die Rautenmuster der Felder, die Vertikalen der Pappeln und Erlen lenken den Blick wie die Bodenfliesen und Stuhlrücken bei Vermeer. Auf einer Winterlandschaft, die auf der Impressionistenschau von 1874 Furore macht, werfen Bäume von jenseits des Bildes ein Schat­ten­netz über die gefrorenen Äcker, auf dem Por­trät der Bahnstation von Dulwich kreuzen sich die Hügelschrägen mit den gekurvten Bahngleisen im Bildmittelpunkt.

Diese formale Strenge macht Pissarros Malerei zum Rückgrat der impressionistischen Bewegung. Bis 1886 ist er bei jeder der acht Ausstellungen der Künstlergruppe dabei, zuletzt in einem Seitenraum zusammen mit Seurat und Signac. Denn seine Wahrheitssuche hat den Maler über die Höhenstufe des Impressionismus hinausgetrieben, in der pointillistischen Kombinatorik sieht er eine wissenschaftlich belegte Möglichkeit, das Leuchten der Dinge ins Auge zu tragen. Fünf Jahre lang ar­bei­tet er sich verbissen an der neuen Technik ab, dann kehrt er, nicht ohne Bedauern, zum Mainstream der Rebellion zurück.

Stark geometrisch, doch nie starr: Camille Pissarros „Avenue de l’Operá“
Stark geometrisch, doch nie starr: Camille Pissarros „Avenue de l’Operá“Museum Barberini

Denn Pissarro muss malen, rastlos und unermüdlich. Bis in die Neunzigerjahre ist er in Geldnöten, die er oft mit Auftragsarbeiten überbrücken muss; erst dann verschaffen ihm die Verkaufserfolge seines Galeristen Paul Durand-Ruel in Amerika ein wenig Luft. Er bemalt Kacheln, Jalousien, Fächer, und auf jedem Material bleibt er ein Meister. Während andere die Fächerform aus ihren Bildern herausschneiden, nutzt er das Bogenformat als Erzählmittel; der „Sankt-Martins-Markt“ und die „Schafherde, Son­nen­un­ter­gang“ sind Höhepunkte des Genres. Zugleich geht die Produktion von Dorf- und Vorstadtlandschaften, Ernte- und Straßenmarktbildern weiter, eins virtuoser als das andere, nur ohne den Aplomb, mit dem Renoir und Monet ihr Können inszenieren. Im impressionistischen Team spielt Pissarro immer im Mittelfeld, die Rolle des Flügelstürmers passt nicht zu ihm. Dafür bekennt er sich zum radikalen Anarchismus eines Proudhon und Kropotkin, lästert gegen das allgemeine Wahlrecht, wird 1893 per Haftbefehl gesucht und muss für kurze Zeit nach Belgien fliehen. In seinen Bildern sieht man davon nichts; den Respekt vor körperlicher Arbeit, der sie durchwebt, gibt es auch bei Millet und dem großbürgerlichen Caillebotte, und ernsthaft politisch betätigt hat sich Pissarro nie.

Hier ist selbst der Rauch gepunktet: Pissarros „Raureif (eine junge Bäuerin macht Feuer)“
Hier ist selbst der Rauch gepunktet: Pissarros „Raureif (eine junge Bäuerin macht Feuer)“ 

Seine Kunst kämpft nicht, sie versöhnt. „Harmonie“ ist, neben „Wahrheit“, eines seiner Lieblingsworte; und wenn man Bilder wie „Die Landstraße“ und „Gemüsegarten, bewölkter Morgen“ betrachtet, begreift man, was Pissarros Schüler Cézanne gemeint hat, als er erklärte, jener sei für ihn wie der liebe Gott gewesen. Pissarros Malerei ist das Paradies, aus dem die Moderne vertrieben wurde. Noch einmal fügt sich die sichtbare Welt zu einem tönenden Ganzen; die Hügel, die Flüsse, die Wiesen im Nebel, die winterlichen Sonnenuntergänge, sie strahlen im Abschiedsglanz. Bei Cézanne löst sich diese Harmonie in Farbflächen auf, bei van Gogh zerbricht sie im Sturm des inneren Erlebens. Pissarro aber, längst ein Greis, erfindet sich noch einmal neu. Als eine Augenkrankheit ihn an sein Pariser Hotelzimmer fesselt, beginnt er, die Metropole vom Fenster aus zu por­trä­tie­ren. Es ist die erste von vielen Serien, die seinen späten Ruhm als Städtemaler begründen: Rouen, Dieppe, Le Ha­vre – und immer wieder Paris: Pont Neuf, der Louvre, Boulevard Montmartre, die Avenue de l’Opéra. Es ist das vorletzte Kapitel des Impressionismus. Das letzte schreiben die Seerosen von Monet.

Mit offenem Blick. Der Impressionist Pissarro. Museum Barberini, Potsdam, bis zum 28. September. Der Katalog kostet 39,90 Euro.


 
 Nota. - Pissarro ist einer meiner Favoriten und zu ihm fällt mir manches ein. Im Augenblick zu allererst dies: Anders als Andreas Kilb, der P.'s endliche Abwendung vom Pointillismus zu bedauern scheint, meine ich, dass dieser zu überlegte Abstecher in vermeintliche Wissenschaft ihm künstlerisch das Genick gebrochen hat. Die Farben werden trüb statt leuchtend, die Formen plump statt fein, die Komposition wird hausbacken statt eigenartig. Er hat sich dabei gründlich den Geschmack verdorben und davon nicht wieder erholt. Landschaft eignet sich nicht zum Vernünfteln, die muss man anschauen und nicht interpretieren. Sein Schüler Cézanne hat (bei ihm!) einen Weg gefunden, der keine Sackgasse wurde und Zukunft hatte.
JE  
 
 













welche Reproduktion ist 'echter'?
 



 
 

 
 
 

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  aus spektrum.de, 27. 1. 2025                                                                    u   Jochen Ebmeiers Realien   Quantengrav...