Donnerstag, 29. August 2024

Geistesgeschichtliches Kuddelmuddel.

                                                      zu Philosophierungen

En gros hat er Recht, aber en détail vergreift er sich, und das bleibt für das große Ganze nicht ohne Folgen. 

Ich fange an - Sie ahnen es schon - bei Fichte und dem "Idealismus". Fichte war Idealist im philosophisch spezifischen Sinn, er führte das Erkennen auf die Agilität des Subjekts zurück und nicht auf die Eindrücke, die uns die Objekte machen, und insofern war er wie Kant ein kritischer Philosoph. Er selbst verstand sich als sein Radikalisierer und Vollender. Vernunftkritik, Philosophie und Tranzendentalphilo-sophie bedeuteten für ihn dasselbe.

Dass man ihn später unter dem Etikett Deutscher Idealismus den im Grunde ide-enrealistischen Spekulationen der Schelling und Hegel zugeschlagen hat, ist zu er-klären durch seinen Bruch mit der Transzendentalphilosophie im Gefolge des Atheismusstreits, ist aber falsch in Hinblick auf seine originäre denkerische Lei-stung, die ursprüngliche Wissenschaftslehre.

Das ist keine philologische Randnotiz, denn Gumbrechts Missgriff setzt sich fort in den beiläufigen Sätzen über Marx. Dass Marx bei dem Metaphysiker Hegel begon-nen hat, für den Kritik nur noch eine rhetorische Floskel war, ist wohl wahr, und noch in den zeitweilig populären Frühschriften zeigt er sich als dogmatisch verkün-dender Rhetor. Aber als es ihm ernst wurde mit der Wissenschaft von Geschichte und Ökonomie, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich aus der dogmatischen Hegel'schen Begriffsdialektik zu befreien und das im eminenten Sinne kritische Verfahren 'neu zu erfinden'. Charakteristischer Weise steht sein Gebrauch des Wor-tes Kritik auch nicht am Anfang seiner Beschäftigung mit der Politischen Ökono-mie; vielmehr ist ihm der wesentlich kritische Charakter seines Vorhabens erst auf-gegangen, als er schon mittendrin war, als er in den Grundrissen nämlich auf die "sogenannte ursprüngliche Akkumulation des Kapitals" gestoßen ist; erst ab da redet er von Kritik der Politischen Ökonomie. Gumbrecht ist Literturwissenschaft-ler, da muss er sich damit nicht auseinandersetzen. Aber empfehlen würde ich es ihm doch.

Zumal, als er mit Adorno und Habermas fortfährt. Das Unglück des Marxismus als wissenschaftliches Corpus - in der Wirklichkeit waren seine Unglücke freilich erheb-licher - beruhen darauf, dass auch die 'westliche' Marx-Rezeption sich nie aus ihren hegelianisierenden Mystifikationen befreien wollte* - weil sie erstens mit dem Stali-nismus nie ins Reine gekommen ist und weil ihr ein tiefes Eindringen in die Kritik der Politischen Ökonomie stets zu mühselig war. In tiefstem Herzen blieben sie da-her alle Ideologen und Dogmatiker - schon um ihrer Identität willen.

Identität ist das Wort, das bei Gumbrecht fehlt. 'Kritisch' passt dazu wie die Faust aufs Auge. In diesen Zusammenhängen muss es nicht einmal die Nähe zu 'authen-tisch' scheuen. Und das macht im Grunde ihre Verwandtschaft mit den pp. "Rechts-populisten" aus. Denen haben sie den Boden bereitet, indem sie nach und nach im Laufe eines halben Jahrhunderts an die Stelle der Schärfe des vernünftigen Argu-ments das inbrünstige Bekenntnis setzten.

Ich habe anderswo gezeigt, dass es nicht durch Zufall so gekommen ist, sondern weil mit dem schließlichen Scheitern der Weltrevolution das Ende der Geschichte gekommen schien, wo alles möglich, aber auch alles gleich gültig war. Gab es noch ein Hauptproblem der Epoche, an dem alle Länder und alle Völker sich begegneten und wo über die Schicksale der Menschheit zu entscheiden war?

Nach dreißig Jahren sehen wir jetzt klarer. Globalisierung und Digitale Revolution sind Vor- und Rückansicht der gegenwärtigen Epoche. Das ist ein Maßstab, an dem nun alle wieder zu messen sind. An die Stelle der affirmierten Identitäten dürfen - ach was sag ich: müssen! - wieder Sachurteile treten; mit kritischer Schärfe und ohne selbstische Dumpfheit. 

*) Den einen, einzigen Paul Mattick zähle ich nicht zur 'westlichen Marxrezeption'.
Kommentar zun
Wo sind die kritischen Intellektuellen geblieben? JE, 26. 2. 20
 

Nachtrag. Sans mer net behs - aber Literaturwissenshcft ist Kuddelmuddel und keine Wissenschaft, denn sie hat weder einen bestimmbaren Grund noch einen be-stimmten Gegenstand. Dass sie ein akademisches Fach geworden ist, beweist nur, dass es sich lohnt.


Nota Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE 

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