aus welt.de, 29. 1. 2024 Geometrie reicht von simplen Dreiecken und Kreisen bis hin zu fraktalen Gebilden zuPhilosophierungen
Mathematik-Goldmedaille für Künstliche Intelligenz
Die hohe Kunst der Mathematik ist das Beweisen allgemeingültiger Sätze
und Theoreme. Bislang konnten die Wissenschaftler an dieser Stelle kaum
Hilfe durch Künstliche Intelligenz erwarten. Eine KI namens
„AlphaGeometry“ verblüfft jetzt mit ihren Fähigkeiten.
Einfache
mathematische Berechnungen kann eine Künstliche Intelligenz wie ChatGPT
problemlos bewältigen. Aber das war ja auch schon bislang mit Computern
und Taschen-rechnern möglich. Mathematiker fühlen sich indes grob
missverstanden, wenn man ihre Kunst lediglich als einen professionellen
Umgang mit Zahlen ansieht.
Zahlen
spielen in vielen Bereichen der Mathematik keine Rolle – oder nur eine
untergeord-nete. In allen der sehr zahlreichen – und oft eben doch
zahlarmen – Teilgebiete der Mathe-matik geht es allerdings immer darum,
bestimmte Zusammenhänge und Strukturen zu er-kennen und allgemeingültige
Sätze und Theoreme zu formulieren. Diese müssen dann nach strengen
logischen Regeln bewiesen werden, um als geltig zu gülten.
Das
Besondere an mathematischen „Wahrheiten“ ist, dass sie – einmal korrekt
bewiesen, für alle Ewigkeit gültig sind – während in den
Naturwissenschaften jedes Wissen grund-sätzlich vorläufig bleibt und
unter dem Vorbehalt der Falsifizierung steht.
Die Winkelsumme im Dreieck
Dazu
ein einfaches Beispiel aus dem Geometrie-Unterricht in der Schule. „In
jedem Dreieck ist die Summe seiner drei Winkel 180 Grad.“ Dieses Theorem
wurde bereits in der Antike bewiesen. An seiner Gültigkeit wird sich
auch in Zukunft nichts ändern.
Das Beweisen von Theoremen gehört
also zum Kerngeschäft von Mathematikern. Der Beweis bestimmter Aussagen
ist dabei so kompliziert, dass Mathematiker bislang jahrelang daran
arbeiten. Und es gibt eine Reihe „ungelöster Probleme“ für deren
Bewältigung sogar Millionenbeträge ausgesetzt sind.
Dass
Computer oder Künstliche Intelligenz den Mathematikern bei der
Beweisführung dieser extrem harten Nüsse helfen könnte, gilt aus
heutiger Sicht als ausgeschlossen. Doch seit Jahren wird versucht,
Computer zum Beweis bestimmter Aussagen zu nutzen. Bei sehr „technischen
Beweisen“, in denen sehr viele Detailschritte nach vorgegebenem Muster
abgearbeitet werden müssen, hat es da auch schon einige Erfolge gegeben.
KI entdeckt ein neues Theorem
Jetzt berichten Forscher der New York University
um Trieu Trinh in der Fachzeitschrift „Nature“ von einer Künstlichen
Intelligenz, die erstaunlich gut Beweise für Theoreme in der Geometrie
liefern kann. Dem AlphaGeometry genannten System wurden 30 Aussagen zur
Bearbeitung vorgelegt, die in den Jahren 2000 bis 2020 Teilnehmer der Internationalen Mathematischen Olympiade (IMO) zu beweisen hatten.
AlphaGeometry
schaffte es, 25 dieser Probleme zu lösen, also einen korrekten Beweis
vorzulegen. Wäre AlphaGeometry ein Student, hätte er auf der IMO mit
dieser Quote eine Goldmedaille errungen. Die Künstliche Intelligenz
entdeckte zudem eine generalisierte Version eines Theorems, dass im
IMO-Wettbewerb des Jahres 2004 bewiesen werden sollte.
Die
Forscher betonen insbesondere die Fähigkeit von AlphaGeometry, die
Beweisführung in einer von Menschen nachvollziehbaren Form ausgeben zu
können. AlphaGeometry, das ein neuronales Sprachmodell nutzt, lässt sich
bislang nur für Problemstellungen im Rahmen der ebenen Euklidischen Geometrie
einsetzen. Die Forscher zeigen sich aber optimistisch, dass sich
KI-Systeme künftig auch in anderen Bereichen der Mathematik einsetzen
lassen. Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass es auch dort genügend
Trainingsmaterial gibt, mit dem die KI in seiner Lernphase gefüttert
werden kann. Das ist aber fraglich.
AlphaGeometry
wurde mit 100 Millionen geometrischer Theoreme und deren Beweisen
trainiert, die von den Forschern als „synthetisch“ bezeichnet werden. In
der Geometrie lassen sich Aussagen in großer Zahl konstruieren. Diese
Vorarbeit wurde ebenfalls von Computersystemen geleistet. Die
„synthetischen Theoreme“ waren dabei von sehr unterschiedlichem
Komplexitätsgrad. Viele von ihnen, so schreiben die Forscher, würden
mehr als 200 einzelne Schritte in der Beweisführung erfordern. Die bei
der Mathematik-Olympiade gestellten Aufgaben erfordern im Durchschnitt
nur eine Beweislänge von 50 Schritten.
Nota. - Die Mathematik löst Probleme, die Menschen selbst erdacht haben.
Ist das nicht trivial? Gibt es denn Probleme für andere als für Menschen? Und folglich sol-che, die nicht Menschen erdacht hätten?
Es gibt Probleme für Menschen, die sie nicht lediglich erdacht haben. Nämlich mit Gegen-ständenund Sachverhalten zwischen diesen Gegenständen, die sie nicht erdacht, sondern in ihrem Lebensvollzug wie immer man ihn definieren magvorgefunden haben. Die Probleme mit den Gegenständen sind eins. Die Probleme mit den Abstraktionen sind nicht dasselbe.
Haben sie aber die Gegenstände der Mathematik nicht in in ihrem wirklichen Leben vorge-funden?
Nein. Die Gegenstände der Mathematik sind Abstraktionen, die sie in der einen oder an-dern Absicht von den vorgefundenen Dingen angefertigt haben.* Die wirklichen Dinge und die Probleme, die man mit ihnen wirklich haben kann, kommen in der Mathemaik gar nicht mehr vor.
Nun haben wir Probleme mit den Gegentänden der Welt ja nicht, weil sie sind, wie sie sind. Das könnte uns ganz gleichgültig sein. Aber einige von ihnen sind uns als Lebensmittel nützlich und notwendig - andere sind uns als Naturgewalten feindlich und gefährlich. Will sagen, mit ihnen müssen wir was anfangen. Ein Problem ist nicht, ob sie so oder anders sind, sondern ob ich dieses oder jenes mit ihnen tun muss.
Tiefer eindringen kann ich nicht in die Dinge: Von denen erfahre ich immer nur durch die spezifischen Widerstände, die sie meinem spezifischen Handlungen entgegensetzen. Will ich meine Wissen spezifizieren, kann ich es nur auf meiner Seite tun, an der Besonderheit mei-ner Tätigkeit, denn nur die ist es, an der ich das Ding merke. Zwar kommt es mir vor, als merkte ich die Dinge selber - aber genau das gehört zu den Spezifizitäten meine Tätig-keit, die ich zu durchleuchten habe. Dass wir immer wieder an den Dingen der Welt, mit denen wir zu tun haben, Eigenarten wahrnehme, die ich in Formeln der Mathematik be-schreiben kann, schreiben wir arglos den Dingen zu, obwohl sie doch nur wie in Platos Höhlengleich-nis Abschattungen der Operationen sind, die wir an ihnen vornehmen.
"Die
Frage “Ist die Welt logisch aufgebaut?” ist dieselbe Frage wie: “Ist
Mathematik entdeckt oder erfunden?” Weil sich die Welt in einer ganz
gewissen Hinsicht in prag-matisch erfundenen mathematischen Sätzen
beschreiben lässt, kann der Eindruck entstehen, deren Folgerichtigkeit
habe in der Welt schon selber drin gesteckt. Das ist das, was Kant den
“dialektischen Schein” genannt hat. Es ist die Aufgabe philosophi-scher
Kritik, diesen Schein zu zerstreuen.
Mathematik
ist Konstruktionslehre. Sie beschreibt in ihrem Zeichensystem, zu
wel-chen Konstrukten ich gelange, wenn ich im Reich der Zahlen
(=idealiter: in der Zeit; “wie oft?”) diese und im (idealen) Raum (”wo
lang?”) jene Operation anstelle.Warum lässt sich die Mathematik “auf die Welt der Dinge anwenden”?
Weil ich mir die Welt der Dinge so vorstellen kann, als ob ich sie
selber konstruiert hätte; dann beschreibt die Mathematik in ihrem
Zeichensystem, wie ich hätte verfahren müssen, um sie so zu konstruieren.
Mathematik
ist das allgemeine operative Schema der möglichen Handlungen in Raum
und Zeit. Logik ist das allgemeine Schema der möglichen Handlungen in
der bloßen Vorstellung." ausIst die Welt logisch aufgebaut?
Können wir mit der Mathematik nach überall gelangen, wohin uns unsere Einbildungskraft verschlägt?
Als das wahre Wunder der Welt könnte sich erweisen, dass uns dieses oder jenes an ihr restlos gleichgülig ist, weil wir schlechterdings nichts damit zu tun haben und nichts an-fangen können. Was hieße dann: davon wissen? Bloß interesseloses Betrachten?
*) Wenn ich mit ihnen dieses anfange, ergibt sich jenes, und wenn ich anders verfahre, verändern sie sich anders: Das ist die Situation des Labors. JE
Die Wahrheit hinter der größten Benefizhymne aller Zeiten
Am 28. Januar 1985 gelang es Michael Jackson und Lionel Richie, die 40
wichtigsten Popstars der Welt heimlich in ein Studio zu lotsen, um einen
Song für Afrika aufzunehmen. Der Netflix-Film „The Geatest Night on
Earth“ verrät, was dafür nötig war – ein handgeschriebener Zettel an der
Tür.
Die
Welt werde nach diesem Abend eine andere sein, verkündet Lionel Richie
am 28. Januar 1985 in Los Angeles als Moderator der American Music
Awards. Die Anwesenden halten es für eine Galafloskel. Etwa 40 unter
ihnen wissen mehr: Wenige Tage vor der Preisverlei-hung haben sie eine
geheime Einladung erhalten – und eine Musikkassette.
Sie
werden ein Lied für Afrika aufnehmen. Lionel Richie, Quincy Jones und
Michael Jackson haben sie mit einer Demoversion darauf eingestimmt. Ein
Studio ist für die Nacht gebucht, der Ort wurde im Brief geschwärzt.
„The Greatest Night in Pop“
erzählt auf Netflix in 90 Minuten genau, wie „We Are the World“, die
größte aller Benefizhymnen, entstanden ist. Wie Harry Belafonte 1984
kurz vor Weihnachten in Hollywood bei Lionel Richies Manager Ken Kragen
im Büro auftauchte, ihm vom Hunger in Äthiopien berichtete und ein
Projekt für Hilfsgelder anregte. „Harry braucht dich“, teilte Kragen
Richie mit. In England lief bereits die Hymne „Do They Know It’s
Christmas“ von Bob Geldof und Midge Ure. Auch Richie brauchte einen
Partner. Als er Stevie Wonder nicht erreichte, rief er Michael Jackson
an. Gemeinsam schrieben sie „We Are the World“.
„Lasst euer Ego draußen“
Ausführlich
wird geschildert, wie verrückt es war, in Zeiten ohne E-Mail und
Mobilfunk die wichtigsten Musiker Amerikas in vier Wochen gemeinsam in
ein Studio zu bekommen. Doch Sensation des Films sind die Aufnahmen
selbst. Die Aura und die Stimme Michael Jacksons auf dem Gipfel seines
Schaffens. Lionel Richies hohe Kunst, Künstler über sämtliche Genres und
Generationen hinweg zu vereinen, schon indem er einen Zettel an die Tür
klebte: „Lasst euer Ego draußen!“
Quincy Jones schwebte als
guter Geist über dem Chaos und sorgte für die Musik. Bob Dylan war so
schüchtern, dass ihn Stevie Wonder mit einer Bob-Dylan-Parodie
aufheitern musste. Cyndi Lauper nahm sogar ihr störend klirrendes
Geschmeide ab. Bruce Springsteen konnte nach seiner „Born in the
U.S.A.“-Tournee eigentlich nicht mehr singen.
Alle
Narrative des Pop-Benefizbetriebs erledigen sich in der Dokumentation
von selbst: Es heißt immer, die Stars täten es mehr für sich und für ihr
Ansehen als für andere und für die Armen. Und es brächte nichts. 80
Millionen Dollar kamen durch „We Are the World“ nach Afrika, danach kam Band Aid, Live 8, eine Inflation der Wohltätigkeit für die Welt.
Auch
Empathie ist eine Währung. Oder wie Bob Geldof im Film zu den
Amerikanern sagt: Manchmal koste ein Leben nur so viel wie eine schwarze
Plastikscheibe mit einem Loch in der Mitte.
Man
kann das eigentliche Problem immer weiter vor sich herschieben, aber
dabei wird nur immer durchsichtiger: Was wir - seit Newton und auch nach
Kant - als unsere Vernunft auffassen, sträubt sich gegen den Gedanken, dass etwas ist und ist und lediglich ist: Es ist ein Ungedanke. Sofern wir denken, müssen wir uns einen vorangegangenen andern Zu-stand denken - und einen Täter; einen, der eingegriffen und aus dem vorangegangen den gegenwärtigen Zustand gemachthat.
Der abstrakt denkende Naturwissenschaftler wird ge-wohnheitsmäßig
nicht mehr an einen Verursacher, sondern an eine Ursache denken; aber
sie nicht denken kann auch er nicht. Es
ist ein Zirkel. Die Vernunft erlaubt uns nicht, ohne Kausalität zu
denken. Aber Vernunft ist ursprünglich nicht anderes als das Prinzip,
sich alles Seiende als verursacht vorzustellen. Denn selbstverständlich
kann man sich die Welt auch anders vorstellen - nur reden wir dann nicht
von denken, sondern von phantasieren; nicht von Vernunft, sondern von
Irrsinn. Die
Kritik des Naturgesetzbegriffs ist nichts anderes als Vernunftkritik -
so die Tendenz seit Kant. Das Vexierstück ist, dass die Vernunft sich
selbst voraussetzt. Will sagen, was Ver-nunft ist und ob und wie sie sich
begründen lässt, kann wieder nur mit den Instrumentarien der Vernunft
entschieden werden. Die Vernunft kann sich nicht von außen prüfen,
sondern muss gewissermaßen in sich zurückkriechen und sich dabei
zusehen, wie sie es anstellt, am Ende 'zu sich selbst' zu kommen. Sie
kann sich dabei ihrer stolzesten Leistungen - Begriff und Schlussregeln
- nicht bedienen, sie muss im Gegenteil darauf achten, bei der
Rekonstruktion ihres Werdegangs dieses Ziel nie aus dem Auge zu lassen:
Begriff und Schlussregeln festzustellen! Sie kann nicht argu-mentieren,
sondern muss zeigen, muss an- schaulich vorführen, "wie man es sich vorstellen muss". Vernunftkritik
ist diejenige Philosophie, in die - da hat Frau Anderl ganz Recht - die
Frage nach den Natur- gesetzen letzten Endes hineinführt. Kant hatte
die Transzendentalphiloso-phie bis an die Pforten seines Apriori, der zwölf Kategorien und der beiden Anschauungs-formen getrieben. Da blieb er stehen. Fichte führte die Untersuchung fort. Als allererste Voraussetzung auch des Kant'schen Apriori legt er das schlecht- hin agile Ich
bloß, das 'sich setzt, indem es sich ein/em Nicht-Ich entgegensetzt'.
Schon Raum und Zeit, schon die Ka-tegorien sind Weisen des Vorstellens,
ja 'das Ding' selbst wird real erst, wenn es ihm entge-gensteht und als ein Dieses bestimmt und vorgestellt wird. (Wir wissen nichts als was in unserm Bewusstsein vorkommt. In unserm Bewusstsein kommen nur Vorstellungen vor.) Kurz gesagt, in allem, was wir uns vorstellen, ist ein Macher
immer schon mitgedacht, näm-lich Ich. Aber die Kritische alias
Transzendentalphilosophie erlaubt uns, davon zu abstrahie-ren. Doch wenn
wir vom Ver- ursacher abstrahieren, sollten wir auch von der Ursache
ab-strahieren. In ontologischer Hinsicht kommt die Vernunft nie weiter
als bis zu: Was ist, ist.*So verfahren die statistischen Fächer wie die Thermodynamik; die haben auch mit der Emergenz kein theoretisches Problem. *) Will sagen: Die Erscheinung erscheint, und sonst nichts. Alle Attribute sind Zutaten der Intelligenz.
Nachtrag: Im Kausalitätsprinzip ist enthalten die Vorstellung, dass es ein Vorher und ein Nachher gibt, dass alles in der Zeit ist und alles eine Geschichte hat. Doch wird mit der Substantifizierung der "Ur"-Sachen zu dauernd Seienden das Werden, das ja unsere Lebens-welt ist, zu einer zufälligen Nebensache entwirklicht. Im nominalen Schreib- und Spechstil der all unserer Verwaltungen findet die Verdinglichung jeden Tuns ihre höhere Weihe. JE
Nota - Das
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Unlängsthabe ich die Verwirrung beanstandet, die der Informations-Begriff
in der öffentli-chen Diskussion anrichtet. In jedem Fach wird er in
anderm Sinn verwendet. Wenn ich zum Beispiel einen Fußball in Richtung
Tor schieße, gebe ich ihm eine "Information": Das hat einen Sinn, aber
nur einen ganz dürftigen, oder richtiger, nur in ganz spezischem
fachlichen Zusammenhang. [Oben]
ist aber von Psychologie die Rede. Aus einem Grund, den sie nicht
nennt, will die Autorin von Information nur reden, wenn eine solche weitergeleitet
wird; nicht aber, wenn spontan erzeugt. Wenn ein Neuron von sich aus
'feuert', erteilt es den Neuronen, zu denen es Verbindung hat, eine
Information, was sonst; und in vermittelter Weise dem gesamten
Organismus. Sie bringt zugleich Aufmerksamkeit und Absicht ins Spiel,
die eine Informa-tion 'verstärken' und dauerhafter machen, sozusagen
Information von höherem spezifi-schen Gewicht. Gemeint ist
anscheinend die Dynamik, die 'in der Information steckt': ihre
Fähigkeit, einen Empfänger weiter hinten in der Kette zu einer Reaktion zu veranlassen.
Letzteres
scheint das zu sein, worauf es auf jeden Fall ankommt: nicht, was die
Information 'selber ist', sondern in welchem Maß sie wirkt. Doch dann geht das Rätseln weiter: Wirkt wie eine Queue auf die Billardkugel, oder wirkt wie ein vernünftiges Argument auf einen freien Willen? Es wird ihr nichts anderes übrigbleiben - die Autorin wird früher oder später den freien Willen
als differentia specifica einführen müssen, wenn sie von Information
mal in diesem, mal in jenem Sinn reden will. Da haben Aufmerksamkeit
und Absicht einen Sinn. Aber für Stärke und Dauerhaftigkeit können sie
in der Physik nicht verantwwortlich gemacht werden. - Kurz und gut, ich
vermute, wir sind gut beraten, wenn wir auf das Wort immer dann
ver-zichten, wenn es nicht eindeutig und wenn es nicht unersetzlich ist;
also meistens.
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Die Annahme eines
absoluten Rechtsgrunds allen Geltens ist das Erbe unserer 'natürlichen'
Vorgeschichte. Mit dem Fortfall der 'Umwelt' verlor diese Annahme ihre
praktische Verbin-dung mit den wirklichen Lebensbedingungen. Es entstand
der Hiatus: das fragen-Müssen. Das Absolute als Idee ist ein Reflexionsprodukt. Es kommt zustande, 'weil anders gar nichts gelten könnte'. Es ist eine Konstruktion a tergo. Oder, mit Fichte zu reden, eine proiectio per hiatum irrationalem. (Er hat den Jacobi besser verstanden als der sich selbst. Dafür hat der ihn besser verstanden als er sich selbst.) aus e. Notizbuch, Mai 2007 Das Absolute ist die
Wiederherstellung der Selbstverständlichkeit, die uns mit dem Verlas-sen unserer Urwaldnische verloren gegangen ist, mit andern Mitteln.
Während die Gründe der Selbstverständlichkeit dem Tier als seine Umwelt
gewissermaßen im Rücken liegen, haben wir die Bürgschaft allen Geltens
erst noch vor Augen, und in ganz weiter Ferne. 22. 11. 14
Das Absolute, das Unbedingte, das Vollkommene - ist das, was so ist, wie es sein soll. Für das naive Bewusstsein ist alles "so, wie es sein soll". Das ursprüngliche Bewusstsein der Menschen - nämlich als sie überhaupt zu Bewusstsein kamen - ist nicht naiv. Denn es ist geprägt von der Fraglichkeit von allem, was begegnet. Die Frage 'ist es so, wie es sein soll', geht auf in der Frage, was es ist. Weil die Selbstver-ständlichkeit der Urwaldnische verloren ging. Die Idee vom Vollkommenen,
Unbedingten, Absoluten, das "so ist, wie es sein soll", ist der Wunsch,
die Selbstverständlichkeit der Urwaldnische wiederzufinden. aus e. Notizbuch, 30. 8. 10 Ja, das ist nichts anderes als im [gestrigen Eintrag]. Manch neuer Einfall ist so elementar, dass man ihn ein paarmal haben muss, bis er sitzt. 17. 2. 18
Philologenverband fordert Aussetzen von Pisa-Studie in Deutschland
Pisa-Koordinator
Schleicher hatte für das schlechte Abschneiden Deutschlands die Lehrer
verantwortlich gemacht und „Befehlsempfänger“ genannt. Nun schießt der
Philologenverband zurück.
Der
Deutsche Philologenverband hat eine Aussetzung der Pisa-Erhebungen in
Deutschland gefordert. Die Verbandsvorsitzende Susanne Lin-Klitzing
begründete dies am Freitag mit Äußerungen des Koordinators der
internationalen Schulvergleichsstudie, Andreas Schlei-cher. Mit seinen Äußerungen, dass der Lehrerberuf intellektuell nicht anspruchsvoll sei und Lehrkräfte „Befehlsempfänger“ seien, werde Schleicher „seiner Verantwortung nicht ge-recht“.
Schleicher, der als Erfinder der Pisa-Studie gilt, hatte nach den schlechten Ergebnissen für deutsche Schüler im jüngsten Pisa-Vergleich die Lehrkräfte in Deutschland scharf kritisiert. „Ich habe, ganz ehrlich, wenig Verständnis für Lehrer, die nur darauf pochen, dass sie über-lastet seien“, sagte Schleicher in einem Interview.
Wir haben kein Vertrauen mehr in Andreas Schleicher Susanne Lin-Klitzing, Vorsitzende des Deutschen Philologenverbands
Schleicher
kritisierte zudem, in deutschen Klassenzimmern habe die Umstellung,
„den Kindern und Jugendlichen vor allem selbstständiges Denken
beizubringen“, noch nicht ausreichend stattgefunden.
Schlechte Pisa-Ergebnisse: Liegt es an den Lehrern?
„Wir haben kein Vertrauen mehr in die seriöse Interpretation der Pisa-Daten durch deren internationalen Koordinator Andreas Schleicher“,
erklärte Lin-Klitzing. Die Koordination und Kommunikation der
Pisa-Studie gehe mit einem hohen Maß an Verantwortung einher. Die den
Lehrkräften von Schleicher zugeschriebene Aufgabe, dass die Schule die
Probleme der Gesellschaft lösen solle, könne keine Lehrkraft und keine
Schule erfüllen.
Die Verbandschefin forderte die Kultusministerkonferenz zum Handeln auf. Es liege nun in deren Verantwortung, „ob sie sich vor ihre Lehrkräfte stellt oder weiter zusehen will“,
er-klärte Lin-Klitzing. Der Philologenverband vertritt Lehrkräfte an
Gymnasien und anderen Bildungseinrichtungen, die zum Abitur führen,
sowie Lehrbeauftragte an den Hochschulen. Der Verband hat nach eigenen
Angaben aktuell etwa 90.000 Einzelmitglieder in 15 Landes-verbänden. (AFP)
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Natürlich ist
die Welt eine Rätselveranstaltung. Nur weil die Welt ein Rätsel ist, gibt es
Phi-losophie. Und natürlich machen wir unsere Rätsel selbst. Denn nur "für uns"
gibt es eine Welt. (Das Tier lebt in seiner Umwelt und wundert sich nicht.) Nur
weil wir an die Welt Fragen stellen, gibt sie Antworten und ausbleibende Antworten,*
alias Rätsel. aus e. Notizbuch,
Sommer 2008
*) Keine Antwort ist auch eine Antwort. 21. 8. 20
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Warum ein einziges Protein über unsere geistigen Leistungen entscheidet
IQ-Booster: Ein einziges Protein in unserem Gehirn
entscheidet darüber, wie intelligent wir sind. Denn dieses SATB2-Protein
kontrolliert die Form des DNA-Knäuels in unseren Neuronen – und damit
auch die Zugänglichkeit und Aktivität der für unsere Intelligenz
wichtigen Gene, wie Forschende herausgefunden haben. Fehlt das SATB2
ganz, sinkt der Intelligenzquotient auf einen Schlag auf weniger als 40.
Auch das Risiko für neuropsychiatrische Erkrankungen wird vom
SATB2-Protein beeinflusst.
Was bestimmt unsere Intelligenz und unseren IQ? Inzwischen ist klar,
dass wir unsere kognitiven Fähigkeiten zum einen dem komplexen
Zusammenwirken zahlreicher Gene verdanken. Sie verleihen unseren Neuronen und Synapsen die für das Lernen nötige Plastizität und sorgen für eine effiziente Vernetzung
verschiedener Hirnareale. Doch auch die Umwelt prägt unsere
Intelligenz: Gute Ernährung und Bildung im Kindesalter fördern sie, eine
frühkindliche Schadstoffbelastung senkt dagegen den IQ.
Welche Rolle spielt SATB2?
Doch es gibt einen Faktor, der über all diesen Einflüssen steht – und
der für unsere Intelligenz unverzichtbar ist. Dabei handeltes sich um
das Protein SATB2, wie Nico Wahl von der Medizinischen Universität
Innsbruck und seine Kollegen herausgefunden haben. Von diesem Protein
ist bekannt, dass es in den Zellkernen der Großhirnrinde und des
Hippocampus präsent ist, zwei Hirnarealen, die für unser höheres Denken
und Gedächtnis wichtig sind.
Schon länger besteht der Verdacht, dass es sich beim SATB2-Protein um
einen Genom-Organisator handelt – eines der Kernproteine, die die
dreidimensionale Struktur der DNA regulieren. Denn wie der insgesamt
zwei Meter lange Erbgutfaden im Zellkern verknäuelt, in Schleifen gelegt
und aufgerollt ist, bestimmt, welche Gene zugänglich sind und abgelesen
werden können und welche nicht. Unklar war jedoch, wie SATB2 die
DNA-Anordnung in den Gehirnzellen beeinflusst und welche Gene davon
betroffen sind.
Ein Protein als DNA-Organisator
Dies haben nun Wahl und sein Team mithilfe von Mäusen und
Zellkulturen menschlicher Zellen genauer untersucht. Sie schalteten
dafür das SATB2-Gen in verschiedenen Hirnregionen und Zellen aus und
konnten dann beobachten, wie sich die DNA-Struktur in den Neuronen
dadurch verändert und wie dies Aktivität der für die Intelligenz
wichtigen Gene beeinflusst.
Es zeigte sich: Das SATB2-Protein spielt tatsächlich eine zentrale
Rolle für die 3D-Anordnung der DNA in den Gehirnzellen. „SATB2 bindet an
die DNA und hat somit direkten Einfluss auf die Genaktivität“,
berichtet Wahl. Nur wenn dieses Protein präsent ist, bildet die DNA die
Schlaufen, durch die bestimmte Gene zugänglich werden. Das Protein
steuert zudem, ob wichtige Promoter und Enhancer der Genaktivität in
Aktion treten können. Gleichzeitig beeinflusst SATB2 auch die Arbeit
weiterer für die DNA-Faltung nötiger Proteine, wie das Team feststellte.
Aktivität hunderter Intelligenz-Gene beeinflusst
Dadurch hat das SATB2-Protein direkten Einfluss auf die Aktivität von
hunderten Genen, die unsere Intelligenz prägen: „Diese für die
Kognition relevanten Gene sind über das gesamte Genom verteilt, müssen
beim Denken aber häufig gemeinsam abgelesen und gemeinsam reguliert
werden“, erklärt Seniorautor Georg Dechant von der Medizinischen
Universität Innsbruck. Erst die Präsenz des SATB2-Proteins in bestimmten
Zellen der Großhirnrinde sorgt dafür, dass dieses komplexe
Zusammenspiel unserer neuronalen Gene funktioniert.
Fehlt das Protein, gerät dagegen die für kognitive Leistungen
notwendige DNA-Ordnung in den Gehirnzellen durcheinander: „Mausmutanten
mit fehlendem SATB2 zeigten deutliche kognitive Defekte“, berichten die
Forschenden. Ähnliches gelte beim Menschen: „SATB2 von Mensch und Maus
ist nahezu identisch und unterscheidet sich lediglich in drei
Aminosäuren“, erklärt Wahl. Um die Übertragbarkeit auf den Menschen zu
testen, haben er und sein Team ihre Genomdaten aus dem Tiermodell auch
an menschlichen Zellkulturen überprüft.
Erst SATB2 macht uns schlau
Insgesamt bestätigen die Analysen, dass das SATB2-Protein eine
entscheidende Rolle für unsere Intelligenz spielt. „Das SATB2-Gen ist im
Menschen für die kognitive Leistungsfähigkeit von enormer Bedeutung.
Bei einer Mutation des SATB2 Gens sinkt der Intelligenzquotient auf
weniger als 40“, sagt Co-Seniorautorin Galina Apostolova von der
Medizinischen Universität Innsbruck. Die zusätzlichen Tests mit
menschlichen Hirnzellen zeigten zudem klar, dass viele IQ-relevante Gene
für ihr korrektes Funktionen von SATB2 abhängig sind.
Darüber hinaus lieferten die Analysen erste Hinweise darauf, dass
auch einige neuropsychiatrische Erkrankungen wie Schizophrenie eng mit
dem SATB2-Protein verknüpft sind. Ist das Protein durch Mutationen
verändert, beeinflusst dies die 3D-Struktur von entsprechenden
Risiko-Genorten. „Es war eine Überraschung, dass SATB2 spezifisch diese
Risiko-Loci beeinflusst“, sagt Dechant. „Wir vermuten daher, dass
neuropsychiatrische Erkrankungen durch die ungeeignete 3D-Struktur der
DNA verstärkt oder verursacht werden.“ (Molecular Cell, 2024; doi: 10.1016/j.molcel.2023.12.024)
Sie haben bemerkt, dass ich mich gelegentlich zu Themen der realen Wissenschaften äuße-re; ohne sachlich viel davon zu verstehen, wie ich immer wieder hinzufüge: also dilettan-tisch?
Möchte ich nicht sagen. Denn ich gebe Acht, mich nie in das jeweilige Fach zu begeben, sondern fein außerhalb zu bleiben, wo ich mich auf wissenslogische Fragen beschränke, über die ich etwas weiß.
Das jedenfalls ist meine gute Absicht. Wer sich in einem Fach aber nicht auskennt, kann auch nicht recht seine Grenzen erkennen - nicht, wo es endet, und auch nicht, wo es an-fängt. Dass ich mich gelegentlich vergreife, ist also kaum zu vermeiden - höchstens be-komme ich nachträglich meine Bedenken.
Ich hoffe, Sie sehen's mir nach und bitte Sie gegebenenfalls um die erforderlichen Berich-tigungen. Aber bitte ich feundlichem Ton, ich bin etwas empfindsam.
aus spektrum.de, 22. 1. 2024 Ein Blick in den Sternenhimmel offenbart zahllose Sterne. Doch über das Dunkel zwischen ihnen wissen wir kaum etwas.zuJochen Ebmeiers Realien
Schwarze Löcher könnten aus Dunkler Energie bestehen
Als
eine Forschungsgruppe die Entwicklung von Galaxien und Schwarzen
Löchern untersuchte, stieß sie auf eine Überraschung – und lieferte eine
erstaunliche Erklärung der Dunklen Energie.
Das
Universum ist ein dunkler Ort. Zwar ist der nächtliche Himmel übersät
mit funkelnden Sternen, rund 3000 kann man mit bloßem Auge erkennen.
Allein in unserer Galaxie sind es mindestens rund 100 Milliarden. Das
ergibt einen ziemlich großen Teppich an kleinen Kerzen. Lange Zeit
beschränkte sich die Kosmologie auf die Erforschung ebensolcher
sichtbarer Objekte. Doch vor 30 Jahren knipste eine Erkenntnis den
Kosmologinnen und Kosmologen schlagartig das Licht aus: All die
Elektronen, Protonen und Neutronen, aus denen Sterne, Planeten und alles
Übrige im Weltall bestehen, machen gerade einmal etwas mehr als vier
Prozent des Universums aus. Die restlichen knapp 96 Prozent liegen
buchstäblich im Dunkeln – weil man sie bisher nicht direkt beobachten
konnte, aber auch, weil niemand genau weiß, was sie überhaupt sind.
Der
Löwenanteil dieser 96 Prozent wird als Dunkle Energie bezeichnet. Diese
ist nach unserem heutigen Verständnis dafür verantwortlich, dass sich
unser Universum ausdehnt. Allerdings tappen die Fachleute völlig im
Dunkeln, wenn es darum geht, diese treibende Kraft genauer zu
beschreiben. Die experimentell gesammelten Daten lassen vielfältige
Schlüsse zu: von einer fünften Grundkraft bis hin zu mysteriösen Teilchen.
Im Februar 2023 hat ein Forschungsteam um den Astrophysiker Duncan
Farrah von der University of Hawaii eine hitzige Diskussion in der
Fachwelt ausgelöst. Eine Auswertung von gesammelten Beobachtungsdaten
führte die Forschenden zu einer überraschenden These: Die rätselhafte
Dunkle Energie könnte sich im Inneren Schwarzer Löcher verbergen.
Auch wenn diese Annahme manche Beobachtungen erklären würde,
wirft sie allerlei neue Fragen auf – insbesondere in Bezug auf Schwarze
Löcher. Viele Fachleute stellen deshalb die These von Farrah und seinem
Team in Frage. Doch brauchbare Alternativen für die Deutung Dunkler
Energie sind bisher Mangelware. An Ideen fehlt es nicht, aber ohne
empirische Hinweise, die sie stützen oder verwerfen, wird das
physikalische Problem schnell philosophisch: Was sollte eine
physikalische Theorie erfüllen? Genügt es, wenn sie einfach ist und zu
den Beobachtungen passt? Oder muss sie bis ins kleinste Detail erklären
können, was vor sich geht?
Ein Blick ins Dunkel offenbart noch mehr Dunkelheit
Dass
die Dunkle Energie existieren muss, hat wie so vieles in der Physik mit
Albert Einstein zu tun. Die allgemeine Relativitätstheorie ist die nach
heutigem Stand beste Theorie, um zu beschreiben, was auf großen Skalen
im Universum passiert. Genauer: Das Standardmodell der Kosmologie ist
eine exakte Lösung der Feldgleichungen der allgemeinen
Relativitätstheorie mit der so genannten
Friedmann-Lemaître-Robertson-Walker-Metrik (FLRW-Metrik). Sie fußt auf
den grundlegenden geometrischen Annahmen, dass das Universum homogen
(einheitlich) und isotrop (in alle Raumrichtungen gleich) ist, es also
überall und in jede Richtung die gleichen Gesetze befolgt. Zudem hält
das Standardmodell eine Beobachtung fest, die noch zu Einsteins
Lebzeiten gemacht wurde: Das Universum ist nicht starr und
unveränderlich, sondern es expandiert. Die FLRW-Metrik beschreibt also
eine Raumzeit, die homogen, isotrop und beweglich ist. Von dieser
Grundlage lässt sich mit den einsteinschen Feldgleichungen der Zustand
des Universums – zumindest theoretisch – zu jedem Zeitpunkt berechnen.
»Eine
beschleunigte Expansion ist sehr schwer zu erklären, weil das Universum
dafür etwas tun muss, von dem niemand dachte, dass es das tun könnte« Duncan Farrah, Astrophysiker
Ende
der 1990er Jahre, gut 80 Jahre nachdem Einstein seine Theorie der
Preußischen Akademie der Wissenschaften vorgetragen hatte, machten zwei
Forschungsteams unabhängig voneinander eine Beobachtung, die der
Kosmologie das Licht ausknipsen sollte. Man wusste bereits, dass sich
das Universum ausdehnt, nur nicht, in welchem Ausmaß. Denn die
FLRW-Metrik ließ mehrere Szenarien zu. Sie alle hatten aber gemeinsam,
dass sich die Expansion verlangsamt, dem Universum also mit der Zeit die
Puste ausgeht. Die zwei Forschungsgruppen fanden jedoch nicht nur
heraus, dass von Verlangsamung keine Spur ist – sie maßen sogar eine
Beschleunigung.
»Eine beschleunigte Expansion ist sehr schwer zu
erklären, weil das Universum dafür etwas tun muss, von dem niemand
dachte, dass es das jemals tun könnte – nicht mal Albert Einstein«, sagt
der Astrophysiker Duncan Farrah. Denn das Universum ist gefüllt mit
Sternen, Planeten und Galaxien, also mit einer ganzen Menge Materie, die
sich gegenseitig anzieht. Und wenn man einen beweglichen, sich
ausdehnenden Behälter mit lauter anziehenden Objekten füllt, sollte das
die Ausdehnung eigentlich verlangsamen.
Plötzlich
waren die Kosmologen und Kosmologinnen mit einem Phänomen konfrontiert,
das unmöglich ist und trotzdem gleich zweimal unabhängig voneinander
beobachtet wurde. Folglich musste noch etwas anderes in diesem Behälter
sein, das die Raumzeit immer schneller auseinandertreibt. Und es musste
laut Messungen mindestens 70 Prozent der gesamten Materie und Energie
ausmachen, während der sichtbare Anteil lediglich vier Prozent betragen
konnte (die übrigen 26 Prozent sind nach heutiger Kenntnis Dunkle
Materie). Dieses Etwas musste seine abstoßende Wirkung im Universum
außerdem trotz Expansion konstant und überall gleichmäßig ausüben. Der Astrophysiker Michael S. Turner taufte es schließlich »Dunkle Energie«.
Kaum Fortschritt in der Forschung
Viel
mehr hat man seither über die Dunkle Energie nicht herausfinden können.
Immer feinere Messungen der Expansionsrate haben ihren prognostizierten
Anteil über die Jahre auf 72 Prozent steigen lassen. Messungen der kosmischen Hintergrundstrahlung
weisen mittlerweile außerdem darauf hin, dass das Universum keine
geometrische Krümmung hat. Da laut Einstein die Krümmung der Raumzeit
von der in ihr enthaltenen Masse abhängt und die sichtbare Materie bei
Weitem nicht ausreicht, um für ein flaches Universum zu sorgen, braucht
man auch hier zusätzlich etwas von der Größenordnung der Dunklen
Energie. Doch all das sind nur indirekte Hinweise, Korrekturen, die
Kosmologinnen und Kosmologen in ihren Annahmen vornehmen, damit das
Standardmodell weiterhin funktioniert. Bis heute konnte die Dunkle
Energie nicht direkt nachgewiesen werden. Sie ist so undurchschaubar wie
vor einem Vierteljahrhundert.
Physiker und Physikerinnen lassen
sich aber von rätselhaften bis hin zu jeglicher Intuition
widersprechenden Beobachtungen nicht entmutigen. In der Quantenfeldtheorie fanden sie einen ersten Erklärungsansatz für die Dunkle Energie.
Diese besagt nämlich, dass das Vakuum nicht leer ist, wie man zunächst
annehmen könnte. Stattdessen sei es durchzogen vom Flackern spontan
entstehender Teilchen-Antiteilchen-Paare, die sich sofort wieder
gegenseitig vernichten. Diese so genannte Vakuumfluktuation verleiht dem
Vakuum eine Energie, die einen negativen Druck erzeugen und so die
Raumzeit auseinandertreiben würde.
Kosmische Ausdehnung | Nach heutigem
Wissensstand gab es kurz nach dem Urknall eine Phase der Inflation, in
der sich das Universum unheimlich schnell ausdehnte. Doch auch jetzt
dehnt sich der Kosmos noch immer beschleunigt aus. Woran das liegt, ist
unklar.
Diese
Vakuumenergie eignet sich auf den ersten Blick also perfekt als
Kandidat für die Dunkle Energie. Auf den zweiten Blick fällt allerdings
auf, dass die Größenordnungen nicht im Geringsten zusammenpassen: Der
von der Quantenfeldtheorie vorhergesagte Wert ist um stolze
120 Größenordnungen größer als nötig. Dieser enorme Unterschied wird
manchmal als die größte Diskrepanz zwischen Theorie und Experiment in
der gesamten Wissenschaft bezeichnet. Trotzdem bleiben die
Fluktuationen, die das Vakuum gleichmäßig durchziehen, für viele der
bisher vielversprechendste Ansatz.
Da
sich die zwei postulierten Energiewerte seither aber kaum näher
zusammenbringen ließen, suchen Kosmologinnen und Kosmologen auch nach
alternativen Ansätzen, unter ihnen Farrah und sein internationales Team.
Im Februar 2023 veröffentlichten sie im »Astrophysical Journal« zwei Arbeiten,
die zu hitzigen Debatten führten. Ihre These: Dunkle Energie ist nicht
wie bei der Quantentheorie überall gleichmäßig in der Raumzeit verteilt,
sondern sitzt an ganz bestimmten Orten im Universum, nämlich im Inneren
Schwarzer Löcher.
Schwarze Löcher als Erklärung für Dunkle Energie?
Schwarze
Löcher sind deutlich besser erforscht als die Dunkle Energie –
zumindest von außen. Immerhin hat man sie schon beobachten, in zwei
Fällen sogar fotografieren können. Doch wenn es um ihr Inneres geht, steht auch hier ein großes, dunkles Fragezeichen.
Schwarze
Löcher sind astronomische Objekte mit sehr viel Masse bei sehr kleinem
Volumen. Sie werden üblicherweise als Raumzeit mit derart extremer
Krümmung beschrieben, dass sich an ihrem Rand ein so genannter
Ereignishorizont bildet. Demnach ist die Gravitation hier so groß, dass
weder Materie noch Strahlung wie Licht oder andere Formen von
Information entkommen können, nachdem sie die Grenze einmal
überschritten haben. So besagt es zumindest die Kerr-Metrik, eine Lösung
der einsteinschen Feldgleichungen für rotierende Schwarze Löcher, die
jegliche Interaktion mit deren Innerem kategorisch ausschließt. Sie
schließt damit allerdings ebenso aus, dass man die Kerr-Lösung über den
Ereignishorizont hinaus überprüfen kann. Sicher ist nur: Von außen sehen
Schwarze Löcher so aus, wie die Kerr-Lösung es vorhersagt.
Diesen
rätselhaften Objekten widmeten sich Farrah und sein Team in ihrer
ersten Studie. Sie werteten darin Daten zu den Massen supermassereicher
Schwarzer Löcher im Zentrum von Galaxien im Vergleich zur Masse aller
Sterne in den Galaxien aus. Seit Längerem ist bekannt, dass die beiden
Werte miteinander verbunden sind – je schwerer das Schwarze Loch im
Zentrum, desto mehr Sterne befinden sich in dieser Galaxie. Die
Eigenschaften des Schwarzen Lochs hängen also in irgendeiner Form mit
denen seiner Galaxie zusammen.
Anteil der Materie im Weltall | Gewöhnliche Materie macht nur etwas mehr als vier Prozent des Inhalts
unseres Universums aus. Der größte Teil (etwa 72 Prozent) scheint aus
Dunkler Energie zu bestehen.
Um mehr über diesen Zusammenhang zu erfahren,
werteten Farrah und sein Team zwei bereits bestehende Datensammlungen
aus: einerseits von elliptischen Galaxien in unserer näheren Umgebung
und andererseits von weit entfernten Exemplaren, deren Informationen uns
erst nach sechs Milliarden Jahren erreichen. Die Daten decken folglich
einen großen Zeitraum ab. Die Forscherinnen und Forscher beschränkten
sich auf elliptische Galaxien, da man bei diesen sehr alten Gebilden
auch über lange Zeitskalen hinweg keine großen Veränderungen erwartet,
auch nicht bezüglich des Verhältnisses der beiden genannten Massen.
Das
Team fand aber etwas ganz anderes vor: Während die Masse der Galaxien
sich wie erwartet kaum verändert hatte, war die Masse der Schwarzen
Löcher erheblich gestiegen, und zwar ungefähr um den Faktor sieben. »Wir
stellten fest, dass die Massen dieser supermassereichen Schwarzen
Löcher nach einem ziemlich einfachen Muster mit der Zeit wuchsen: Wenn
das Volumen des Universums sich verdoppelt hatte, hatte sich auch die
Masse der Schwarzen Löcher verdoppelt«, so Farrah. Dieses Muster könnte
reiner Zufall sein: »Ich würde nicht sagen, dass es unmöglich ist, das
auf konventionelle Weise zu erklären«, so Farrah, »aber es ist
schwierig.«
Das
Ergebnis inspirierte das Team zu einer zweiten Veröffentlichung, in der
es eine unkonventionelle Erklärung für ihre Beobachtung anbietet. Seine
These basiert auf zwei Annahmen: Erstens wächst die Masse der Schwarzen
Löcher im gleichen Verhältnis an wie das Universum. Bleibt zweitens die
Anzahl Schwarzer Löcher gleich, so gilt bei einem expandierenden
Universum: Je größer das Universum wird, desto kleiner wird die Anzahl
Schwarzer Löcher pro Volumen.
»Die kurze Antwort ist: Ich weiß es nicht. Die längere Antwort ist: Ich glaube nicht, dass irgendjemand es weiß« Duncan Farrah, Astrophysiker
Zusammen
ergeben die Annahmen, dass die Massedichte Schwarzer Löcher im
Universum konstant bleibt. Das mag zunächst nicht sonderlich aufregend
klingen, doch Farrah und sein Team machte es stutzig. »Das Seltsame an
Dunkler Energie ist, dass man erwartet, dass ihre Energiedichte gleich
bleibt, während das Universum expandiert«, so Farrah, »und das ist das
komplette Gegenteil zum Verhalten gewöhnlicher Materie.« Doch die
Massedichte Schwarzer Löcher scheint sich in diesem Zusammenhang wie die
Dunkle Energie zu verhalten. Es sei das erste Mal, dass man auf dieses
seltsame Verhalten im Universum gestoßen ist. Könnte es sein, dass diese
Schwarzen Löcher nicht nur wie Dunkle Energie agieren, sondern
tatsächlich aus Dunkler Energie bestehen? Laut Farrah ist das zumindest
möglich und sollte diskutiert werden: »Ich glaube nicht, dass diese
Hypothese in irgendeiner Form bewiesen ist oder auch nur starke Hinweise
dafür sprechen, aber ich bin überzeugt, dass sie eine interessante
Möglichkeit darstellt, der man weiter nachgehen sollte.«
Die von
Farrah und seinem Team postulierten neuartigen Objekte würden weiterhin
von außen wie die durch die Kerr-Lösung beschriebenen Schwarzen Löcher
aussehen, und Farrah würde sie auch weiterhin als solche bezeichnen. Sie
hätten aber vermutlich keinen Ereignishorizont mehr, da die Dunkle
Energie, die in ihrem Inneren säße, durchaus mit der Außenwelt
wechselwirken würde – schließlich ist sie für die beschleunigte
Expansion des Universums verantwortlich. Wie genau die Dunkle Energie in
den Schwarzen Löchern die Ausdehnung verursachen würde, ist Farrah noch
nicht klar: »Die kurze Antwort ist: Ich weiß es nicht. Die längere
Antwort ist: Ich glaube nicht, dass irgendjemand es weiß.«
Dass Schwarze Löcher im Inneren aus Vakuumenergie bestehen,
ist keine neue Idee, sondern wird in der Kosmologie schon seit den
1960er Jahren diskutiert. Ganz so ideal ist die Kerr-Lösung nämlich
nicht. Tatsächlich braucht man zusätzliche Annahmen, um Schwarze Löcher
auf großen Skalen zu beschreiben. Denn in der Kerr-Lösung ist die
Raumzeit starr, was nicht zum expandierenden Universum passt.
Die
beschleunigte kosmische Ausdehnung könnte dadurch zu Stande kommen,
dass der negative Druck der Vakuumenergie das Innere des Schwarzen Lochs
wie ein Gummiband auseinanderzieht, wodurch sich der negative Druck
weiter erhöht und noch stärker am Gummiband zieht. Sollte sich
herausstellen, dass Schwarze Löcher tatsächlich die Quelle für Dunkle
Energie sind, hätte man somit gleich zwei große Rätsel auf einmal
gelöst: den Ursprung der Dunklen Energie und eine bessere Beschreibung
Schwarzer Löcher.
Es fehlt allerdings noch an alternativen
Modellen für einen solchen Geniestreich. Die Kerr-Lösung ist bisher die
einzige, die Schwarze Löcher auf kleinen Skalen beschreiben kann. Die
These von Farrah und seinem Team bietet demnach eine Erklärung für das
Phänomen Dunkle Energie, wirft aber im Gegenzug weitere drängende Fragen
auf, für die noch keine Antwort in Sicht ist. Matthias Bartelmann,
Professor für theoretische Astrophysik an der Universität Heidelberg,
begegnet ihr daher mit großer Skepsis.
Eine einfache Lösung, die viele Fragen offen lässt
Schwarze
Löcher seien auf kosmologischen Längenskalen viel zu klein, als dass
ein bedeutender Einfluss auf die Ausdehnungsrate des Universums
plausibel wäre. »Wenn ich ein einzelnes Schwarzes Loch selbst von einer
Millionen Sonnenmassen betrachte, dann bekomme ich einen Radius (des
Ereignishorizonts) von ungefähr einer Millionen Kilometern – und das ist
winzig im Vergleich zu kosmologischen Längenskalen«, so Bartelmann.
Dass die Kerr-Lösung die Raumzeit als starr beschreibt, sei daher auch
eine zulässige, in der Physik übliche Vereinfachung. »Wenn Sie
Fluiddynamik betreiben, interessiert es Sie ja auch nicht, dass das
Wasser, in dem Sie schwimmen, aus Molekülen zusammengesetzt ist.« Zudem
erklärten Farrah und seine Kolleginnen und Kollegen das Phänomen der
beschleunigten Ausdehnung, das sehr homogen ist, mit den sehr inhomogen
verteilten Schwarzen Löchern.
Argumente wie diese widerlegen
Farrahs These nicht, sorgen jedoch dafür, dass viele Physiker und
Physikerinnen bei ihrem Anblick erst einmal die Augenbrauen hochziehen.
Für Bartelmann liegt aber das größte Problem in der Dunklen Energie
selbst.
Sagittarius A* | Das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße, aufgenommen vom Event-Horizon-Teleskop.
Denn es gibt auch eine Möglichkeit, die
einsteinschen Feldgleichungen an die beschleunigte Ausdehnung
anzupassen, ohne dieses mysteriöse Etwas zu postulieren. Die Idee stammt
wieder einmal von Einstein selbst, der den Trick anwendete, um sein
starres, mit anziehender Materie gefülltes Universum vor dem Kollaps zu
retten. Dazu führte er eine Konstante als Gegengewicht zur Gravitation
in seine Gleichungen ein. Als Beobachtungen dann eine Expansion des
Universums zeigten, musste Einstein einfach nur den Wert der Konstante
daran anpassen.
Diese »kosmologische Konstante« oder kurz Lambda
(Λ) ist seitdem fester Bestandteil des Standardmodells und kann auch die
beschleunigte Ausdehnung in die Gleichungen einführen. »Die einfachste
Möglichkeit, die Dunkle Energie zu erklären, ist die kosmologische
Konstante, und die halte ich auch nach wie vor für die beste Erklärung«,
stellt Bartelmann fest. Der Mathematiker David Lovelock habe sogar
gezeigt, dass Lambda nicht nur eine Verlegenheitslösung, sondern eine
mathematische Notwendigkeit ist. Dieser hatte Anfang der 1970er Jahre im »Journal of Mathematical Physics« bewiesen:
Für jede lokal wirkende Gravitationstheorie in einer vierdimensionalen
Raumzeit, die nur mit Ableitungen zweiter Ordnung arbeitet, sind die
einsteinschen Feldgleichungen die einzig mögliche Lösung. Und diese
enthalten sowohl die newtonsche Gravitationskonstante G als
auch die kosmologische Konstante. »Man kann auch sagen: Lovelock hat
gezeigt, dass Gravitation sowohl anziehend als auch abstoßend sein
kann«, resümiert Bartelmann.
»Solange ich keine empirischen Argumente für die komplizierte Lösung habe, muss ich zu der einfacheren greifen« Matthias Bartelmann, Astrophysiker
Statt
also den Wert von Λ durch eine neuartige Form von abstoßender Energie
zu erklären, die sich bisher nicht beobachten ließ, plädiert Bartelmann
dafür, sie einfach als notwendig hinzunehmen: »Solange ich keine
empirischen Argumente für die komplizierte Lösung habe, muss ich zu der
einfacheren greifen.« Sonst begebe man sich auf einen schlüpfrigen Pfad,
denn: »Physik ist die Denkbewegung, möglichst viele empirisch
festgestellte Phänomene auf möglichst wenige, vereinheitlichende
mathematische Strukturen abzubilden.«
Für Farrah ist das keine
Option. Zwar könne man Λ genau so anpassen, dass die Theorie den
Beobachtungen entspricht, doch das liefere keinerlei Erklärung für das
Phänomen, dass Gravitation nicht nur anziehend, sondern auch abstoßend
sein kann. »Für mich ist Physik die Suche sowohl nach der Frage, warum
etwas ist, als auch, was etwas ist«, so Farrah.
Die Dunkle Energie wird zu einer philosophischen Frage
Am
Umgang mit der Dunklen Energie zeigt sich, was man grundlegend von
physikalischen Theorien erwartet. Langsam beginnt daher auch die
Philosophie das Thema für sich zu entdecken. Der Wissenschaftsphilosoph
Niels Martens von der Universität Utrecht und ehemaliger Fellow des
Projekts Philosophy of Dark Energy ordnet die Positionen der zwei
Physiker auf der Skala zwischen Empirismus und Anti-Empirismus ein.
Empirismus
ist eine Position in der Erkenntnistheorie, nach der Wissen nur auf
direkter Sinneswahrnehmung fußen kann. In ihrer extremen Form ist die
Position heutzutage in der Wissenschaftsphilosophie eher unüblich. Doch
während Bartelmann den Bezug zu empirischen Beobachtungen für besonders
wichtig hält und somit eher ein empiristisches Bild von Wissenschaft
hat, ist Farrah auch zu spekulativeren Hypothesen ohne direkte
empirische Grundlage bereit, solange sie auf der Suche nach Erklärungen
helfen.
»Die kosmologische Konstante ist nach Ockhams Rasiermesser die einfachste Annahme« Matthias Bartelmann, Astrophysiker
Das
von Bartelmann angeführte Prinzip, möglichst viel mit möglichst wenig
zu erklären, wird in der Philosophie als Ockhams Rasiermesser
bezeichnet. Es ist nach dem Philosophen Wilhelm von Ockham benannt, der
im 14. Jahrhundert zur Sparsamkeit beim Postulieren von Entitäten
aufgerufen hatte. In dieser Hinsicht hat die Dunkle Energie tatsächlich
keine besonders gute Bilanz, da sie nur ein einziges Phänomen abdeckt.
»Eine neue Entität hinzuzufügen, um genau ein Problem zu lösen, ist laut
vielen Wissenschaftsphilosophen keine sonderlich gute Wissenschaft«, so
Martens. Er stimmt daher Bartelmann zu: »Die kosmologische Konstante
ist nach Ockhams Rasiermesser die einfachste Annahme.« Aber sie liefere
eben auch keine richtige Erklärung – »damit passt man tatsächlich nur
seine Kurvenfunktion an die Datenpunkte an«.
Wer die Dunkle
Energie einfach aus der Theorie wegrasiert und sich mit Λ zufriedengibt,
zahlt also an anderer Stelle einen hohen Preis. Ob er zu hoch ist oder
nicht – darüber lässt sich wie immer in der Philosophie hervorragend
streiten. Sollten sich irgendwann sowohl die Konstante als auch die
Dunkle Energie als zu teuer erweisen, könnte es am Ende sogar der
allgemeinen Relativitätstheorie selbst an den Kragen gehen. Schließlich
betreiben die Fachleute den Aufwand bloß, um ihre Gleichungen immer
wieder an die Beobachtungen anzupassen.
Eine solche ausgewachsene
Krise sieht Martens in der Kosmologie zurzeit noch nicht: »Das
Standardmodell, das die meisten Kosmologen weithin akzeptieren, sagt
schlicht: Dunkle Energie ist eine Konstante. In gewissem Sinn gibt es
also gar keine Kontroverse. Aber es gibt trotzdem Leute, die versuchen,
Abweichungen von dieser Konstante zu messen. Und ich würde sagen, das
ist auch gut so.« Anders als in der Teilchenphysik, in der lange Zeit
jeder einfach nur nach Hinweisen für seine Lieblingstheorie gesucht
habe, werde hier das kosmologische Standardmodell sehr systematisch
überprüft. Ob das allerdings zu den gewünschten Ergebnissen führt, ist
noch nicht ganz klar.
»Ich hoffe, dass dieses Jahrzehnt das Jahrzehnt sein wird, in dem wir endgültige Antworten finden« Duncan Farrah, Astrophysiker
Im November 2023 haben beispielsweise der Philosoph William J. Wolf und der Astrophysiker Pedro G. Ferreira im Fachjournal »Physical Review D« eine Arbeit veröffentlicht,
in der sie argumentieren, dass Quantenfeldmodelle der Dunklen Energie
notwendigerweise unterbestimmt sind. Selbst immer genauere
Beobachtungsdaten könnten demnach nicht entscheiden, welches Modell das
richtige ist, da in jedem Fall mehrere zu den Daten passen würden.
Das
Muster in den empirischen Daten, das Farrah und sein Team entdeckt
haben, macht Martens dennoch neugierig: »Ich glaube, sie haben Recht,
dass es da etwas gibt, was wir noch nicht verstehen. Ob das Dunkle
Energie ist oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Aber sobald sie es
herausfinden, würde ich es gerne erfahren.« Wenn es nach Farrah geht,
sollte das nicht mehr allzu lange dauern. »Ich hoffe, dass dieses
Jahrzehnt das Jahrzehnt sein wird, in dem wir endgültige Antworten
finden.« Vielleicht werden es ja am Ende die Schwarzen Löcher sein, die
das Licht für die Kosmologie wieder anknipsen.
Nota. - Physikalische Fragen sind physikalische Fragen und keine philosophischen. Die gedanklichen Voraussetzungen physikalischer Theorien sind - wie Ockhams Rasiermesser - allerdings nicht Gegenstand physikalischer Theorie. Sie sind Sache der Vorstellungskraft - und wenn man will: der philosophischen Spekulation. Die Physik schafft sich ihre wissens-logischen Prämissen nicht selber, sowenig, wie die Philosophie physikalische Modelle er-probt.
In diesem Fall: Die Kosmologie kann die Modelle, die sie exprimentell überprüfen will, nicht Stück für Stück und Schritt um Schritt aus Quanten zusammenpuzzeln - das könnte ewig (!) dauern und keiner wüsste, wo er anfangen soll.* Die Modelle müssen im Großen - en gros - ersonnen und mit den einstweilen definitiven Details vorheriger bewährter For-schung erfüllt werden. Das mag dazu führen, dass vorherige Forschungsergebnisse revidiert werden müssen, um taugliche Modelle zu entwerfen. Durchs Experiment muss man immer wieder hindurch, aber um die Spekulation kommt man auch nicht herum. Und die verfährt pragmatischer Weise top down und nicht bottom up.
Auch die Quantenphysik entdeckt neue Teilchen nur, weil sie 'von oben' danach sucht, und nicht, weil sie sich 'von unten' dazwischendrängeln, oder sehe ich das falsch?
*)Top down ist der Ausgangspunkt offenbar der gegebene Zustand des Gesamtsystems. JE