Platz des Himmlischen Friedens
Maos Volksrepublik China war ein feudalbürokratisches System wie die Sowjetuni-on, dessen feudale Züge
trotz des Personenkults um den Großen Vorsitzenden von
Anbeginn viel stärker ausgeprägt waren als im zunächst bonpartistischen,
schließ-lich totalitären System Stalins. Anders hätte Mao im Politbüro
nie in die Minderheit geraten können, hätte keine "Kulturrevolution"
anzetteln müssen und wäre die Vie-rerbande nicht davongejagt
worden - von dem gestrigen Zuchthäusler Deng Xiao-ping. Das Massaker auf
dem Platz des Himmli-schen Friedens hat, jenseits aller Ideologie, die PARTEI
genau in dem Moment noch einmal zusammengeschweißt, als in Osteuropa
die Überreste des Stalinismus auseinanderzufallen begannen. Dass das
reichen könnte, Maos Volksrepublik vor dem Schicksal der Sowjetunion zu
be-wahren, habe ich nie geglaubt, so sehr das von manchen westlichen
Kapitalstrategen herbeigejubelt wurde.
Erst im letzten Winter schrieb ich: "Der
chinesische Traum möchte wohl auch Putins Traum sein: ein
weltmarktfähiger Staatskapitalismus mit dynamischer
privat-kapitalistischer Speerspitze unter enger Kontrolle einer straff
charismatisch geführ-ten Einheitspartei mit einer arkanischen
Nationalmythologie. Auch weltpolitisch kommen sie sich näher. Putins
'eurasische' Idee passt gut auf einen russisch-chine-sischen Block.
Aber das staatskapitalistische Modell ist eine Chimäre. Es kann nicht anders funktionieren - wenn es funktioniert - denn als ein bürokratisches Monstrum, und Bürokratie ist Korruption
und Unsachlichkeit, da mögen die zyklischen Reinigungskampagnen noch so
terroristisch durchgeführt werden. Ein monoli-thischer Staat müsste totalitär verfasst sein, aber bei seiner privat- und staatskapi-talistischen Doppelnatur kann er
nicht totalitär verfasst sein. Die konfuzianische Reichsbürokratie
hielt eine asiatische Wasserbaugesellschaft zusammen, die ohne sie nicht
bestehen konnte. Eine sozusagen säkularisierte "Partei", die sich bei
einer - wie bei Kung Ze - rein pragmatischen Mentalität aus den jeweils
Besten eines Studienjahres rekrutiert, wäre, gerade weil sie entbehrlich
und für den Auftritt auf dem Weltmarkt sogar hinderlich ist, nicht nur
Spiegel, sondern Hohlspiegel aller widerstreitenden sozialen Interessen.
Es ist zu befürchten, dass das mit einem ganz großen Knall endet, an
den sich die Welt noch lange erinnern wird."
Die Sowjetunion ist am Ende einfach
ausgelaufen wie eine Badewanne, mit lautem Gurgeln zwar, weil es so
schnell ging, aber ohne großen Knall. Dass es in China ohne großen Knall
nicht abgehen wird, schwant nun auch den Claqueuren, die gestern noch
ein alternatives Entwicklungsmodell für die Dritte Welt beweihräu-chert haben. Wünschen kann man ihn eigentlich nicht, aber wie sollte das anders ausgehen?
30. 6. 15
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen