Vernunft ist nicht einfach mehr als bloß die - "effiziente" - Fähigkeit zum Anstre-ben bestimmter Zwecke beziehungsweise zum Lösen bestimmter Aufgaben. Sie ist vor allen Dingen nicht "mehr" von ein und demselben Stoff. Sie ist etwas schlech-terdings anderes. Ein Haus ist nicht bloß mehr als ein Ziegelstein, sondern - etwas schlechterdings anderes. Das erkennt man ohne Spitzfindigkeiten oder höhere Ein-gebung; es braucht nur ein bisschen Vernunft. Die Ziegelsteine hätten - schlechter-dings! - keinen Sinn - oder prosaisch: keine Bedeutung -, wenn die Absicht, ein Haus zu bauen, nicht vorher da gewesen wäre.
Vernunft ist die Fähigkeit, Absichten zu fassen und Zwecke zu setzen. Fielen Zie-gelsteine fix und fertig vom Himmel, hätten sie für ihren Finder keinerlei Bedeu-tung ohne die Vorstellung von einem Haus. Das Haus ist nun aber auch bloß ein Zweck. Für die, die drin wohnen wollen. Für den Stadtplaner, der ein Heer fähiger Architekten kennt, ist es lediglich ein Mittel. Mittel zu einem Zweck: Städtebau. Und der ist noch lange nicht der Endzweck. Da geht es weiter - Wirtschaft, Kultur, Kunst und Philosophie; auch Unterhaltung, die nicht nur Mittel ist zur Erholung und Bildung, sondern selber ein Zweck, was sie mit der Kunst gemein hat. Auch Wissenschaft ist nicht nur ein Mittel zu all diesen Zwecken, sondern Wissen ist selber ein Zweck - für die Menschen, die wissen wollen, was sie auf der Welt kön-nen und... können sollen.
Das ist der Zweck der Vernunft. Er setzt voraus, dass die Menschen - anders als die Tiere - nicht nur so leben, wie die Natur alias die Evolution es ihnen vorbestimmt hat, sondern ihr Leben führen müssen: hier lang oder dort lang. Sich selbst und - da die Menschen nicht wie Robinson allein sind, sondern nur in Gesellschaft leben kön-nen - der Menschheit eine Richtung geben müssen.
Wohl
bemerkt: Einem, der meint, wie es ist, sei gut genug, kann man etwas
anderes nicht beweisen. Dass nicht nur 'mehr', sondern auch Anderes
möglich ist, ist keine nachweisliche Tatsache, die man jedem
andemonstrieren kann, sofern er bei Ver-stand ist, sondern ist ein Postulat: ist die Prämisse aller Vernunft. Wie auch die resignierte Einsicht, dass du und ich einem allerletzten Zweck in diesem Leben wohl nicht mehr begegnen werden.
9. 5. 22
Nota. Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es in Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE
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