Noch bis Freitag können Eltern ihre Kinder in einer Wiener Volksschule einschreiben. Doch für viele Erziehungsberechtigte geht der Stress tatsächlich schon um einiges früher los. Schulen werden besucht, ausgecheckt, verworfen, alles geht wieder von vorn los. Mit der Suche nach dem richtigen Schulstandort beginnen die wenigsten erst im letzten Kindergartenjahr. Wenn man sich für eine öffentliche Schule entscheidet, darf die Einschreibung nur an einem Schulstandort erfolgen, da sollte man sich schon sicher sein. Doch diese bedeutet keine automatische Schulplatzzusage an diesem Standort.

Die Zahl der Schulneulinge im kommenden Schuljahr dürfte aus Sicht der Bildungsdirektion stabil zu den Vorjahren bleiben. Heuer starteten rund 20.000 Mädchen und Buben im Herbst ihre Schullaufbahn. Wer an welchem Standort aufgenommen wird, hängt dabei von mehreren Kriterien ab. Bei der Reihung der Anmeldungen werden jene Kinder bevorzugt, deren Geschwister bereits dieselbe Volksschule besuchen. Danach wird auf Basis des Schulweges zugeteilt. Wenn es an der Wunschschule keinen Platz mehr gibt, wird geprüft, ob die Zuteilung zu einer Zweitwunschschule möglich ist. Eine Sonderform bilden in der Schulplatzzuteilung Campusstandorte, bei denen Kindergärten und Volksschulen teilweise die gleichen Räume nutzen und ein direkter Übergang vom Kindergarten in die Volksschule erfolgt. "Diese Kinder bleiben in der Regel am Campus", heißt es aus dem Büro von Bildungsstadträtin Bettina Emmerling (Neos).

Ganztag oder Halbtag?

Zu Beginn steht für viele Eltern jedenfalls oft die Frage: Ganztag oder Halbtag? Wien ist in puncto Ganztagsschule Vorreiterin. 96 öffentliche Volksschulen werden als verschränkte Ganztagsschulen geführt. Das heißt: Unterricht, Lernphasen und Freizeitaktivitäten wechseln sich über den gesamten Schultag hinweg ab. Im Gegensatz zu den öffentlichen 69 "offenen" Ganztagsschulen, in denen der Unterricht am Vormittag stattfindet und die Kinder am Nachmittag eine Betreuung erhalten. "Beide Organisationsformen zielen darauf ab, Bildungs- und Betreuungsgerechtigkeit zu stärken, den Elternalltag zu entlasten und Kindern kontinuierliche Lern- und Entwicklungsräume zu bieten", betont man im Büro von Emmerling. Geht es in die Mittelschule, dreht sich in Wien das Verhältnis zwischen offen und verschränkt: 17 öffentliche Mittelschulen werden als verschränkte Ganztagsschulen geführt, 41 als offene.

  • Wider die Ganztagsschule.
  • Schulen - ein Notbehelf.
  • Und das Ziel ist, dass es mehr werden. Das gab Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) im Wahlkampf 2020 aus – gemeinsam mit der Ankündigung, dass alle verschränkten Ganztagsschulen fortan kostenfrei würden. Seit 2023 ist auch in den offenen Ganztagsschulen das Mittagessen kostenlos. Laut Bildungsressort erhöhte sich die Zahl aller Ganztagsschultypen über alle öffentlichen Pflichtschulen hinweg sukzessive von 202 im Schuljahr 2021/22 auf 241 im laufenden Schuljahr 2025/26. Die Entwicklung sei "ein kontinuierlicher Prozess", der auf dem Zusammenwirken von "pädagogischen, baulichen und organisatorischen Faktoren" beruhe, erklärt man dort. Standorte würden fortlaufend, abhängig von "Bedarf, Ressourcen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen", in ganztägige Modelle überführt, adaptiert oder weiterentwickelt. Erst im laufenden Schuljahr wurden sieben weitere Volksschulstandorte und eine Sonderschule umgestellt. Wichtig sei, das betont man in der Bundeshauptstadt, dass "die Wahlmöglichkeit der Eltern erhalten bleibt".

    Wien baut aus

    Im Bundesländervergleich sieht das so aus: Über alle möglichen Schulformen – also Volks-, Mittel-, Sonder- und polytechnischen Schulen sowie der AHS-Unterstufe – kamen in Wien in den vergangenen Jahren sogar 46 Ganztagsschulen hinzu, wie es aus dem Bildungsministerium heißt. Damit liegt die Bundeshauptstadt im Ausbau hinter Oberösterreich mit einem Plus von 58 Ganztagsschulen und vor Niederösterreich (40 zusätzliche Ganztagsformen) auf Platz zwei. Das einzige Bundesland, das laut den Daten des Bildungsministeriums insgesamt nicht aus-, sondern abgebaut hat: Salzburg. Hier verringerte sich die Zahl der Ganztagsschulen um insgesamt zwölf.

    "Die schulische Tagesbetreuung in Österreich hat sich zu einem Erfolgsmodell entwickelt", erklärt man im Bildungsministerium. Der Ausbau sei "ein wichtiger Beitrag, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber auch Integration, Spracherwerb und den Aufbau von sozialen Kompetenzen zu unterstützen", sagt Bildungsminister Christoph Wiederkehr (Neos) dem STANDARD. So listet das Ministerium 3.097 Ganztagsschulen österreichweit auf, das sind 62,3 Prozent der Schulen in Österreich. Mit 677 Standorten sind die meisten davon in Niederösterreich, Wien liegt mit 384 nur auf Platz vier. Allerdings: Blickt man nur auf die verschränkten Ganztagsstandorte – inklusive jener Schulen, die zumindest eine Klasse so führen – reduzieren sich die Zahlen drastisch. Österreichweit sind 252 Schulen verschränkt, das sind nur 8,1 Prozent aller Ganztagsschulen, 134 davon sind in Wien.

    In Summe besuchen österreichweit 253.587 Kinder und Jugendliche eine Ganztagsschule. Das sind 33,7 Prozent. Wien hat die Nase mit 56,6 Prozent der Schülerinnen und Schüler klar vorn. "Der Ausbau schreitet kontinuierlich und konsequent voran", betont Wiederkehr. In den vergangenen zehn Schuljahren seit 2016/17 seien 94.414 Schülerinnen und Schüler in ganztägigen Schulformen hinzugekommen. Trotzdem würden in "einigen Bundesländern noch weniger Schülerinnen und Schüler eine Ganztagsschule besuchen als in anderen", heißt es aus dem Ministerium: "Für die Eltern besteht daher auch die Wahlfreiheit, ein außerschulisches Angebot in Anspruch zu nehmen. Davon abgesehen besteht natürlich in manchen Regionen in Österreich noch Optimierungsbedarf." Eine verschränkte Ganztagsschule besuchen allerdings weit weniger: nur 6,3 Prozent sind es in Österreich (das ist ein Fünftel aller Ganztagsschülerinnen), in Wien sind es mit 22,7 Prozent klar am meisten.

    Bedarf regelt Ausbau

    Doch wie entscheidet Wien, welche Standorte umgestellt werden? Dafür gebe es klare Kriterien, heißt es aus dem Büro von Emmerling: "Grundsätzlich wird die Entscheidung, ob ein Standort als offene oder verschränkte Ganztagsschule geführt wird, stets in Rücksprache mit der Bildungsdirektion getroffen und orientiert sich am standortspezifischen Bedarf."

    Maßgeblich sei der konkrete Bedarf, der sich aus demografischen Entwicklungen, Anmeldezahlen, Auslastungen und Prognosen ergibt. "Zweitens spielen die baulichen Gegebenheiten eine zentrale Rolle: Kapazitäten von Klassen- und Gruppenräumen, die Verfügbarkeit von Bewegungs- und Freiflächen sowie die technische und organisatorische Adaptierbarkeit." Auch sozio-ökonomische Faktoren des jeweiligen Einzugsgebietes würden berücksichtigt, sowie standortspezifische pädagogische Konzepte und die verfügbaren finanziellen und personellen Ressourcen, "da die Qualität ganztägiger Bildung wesentlich vom Personal- und Budgetrahmen abhängt". Und bei den Lehrerinnen und Lehrern hat auch Wien Bedarf: Rund 500 Stellen sind aktuell für das anstehende Semester ausgeschrieben.