Wer die Welt nicht leicht nimmt, dem macht sie Schwierigkeiten.
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Hafis
Samstag, 30. September 2023
Wer die Welt leicht nimmt.
Einsicht ex negativo.
Bei der Rekonstruktion des menschlichen Bewusstseins durch die Transzendentalphiloso-phie fand sich am "Grunde" - als die Bedingung alles Weiteren - das Wollen; eine intellek-tive Fähigkeit, die nicht psychologisch misszuverstehen ist. Es ist das Vermögen, die eigne Aufmerksamkeit zu richten und über Qualitäten zu urteilen; nämlich aus eignem Antrieb und nicht als Ausführung eines Programms. Denn nur so ist es möglich, aufs eigene Wollen zu reflektieren und die 'richtige Wahl' zu treffen. Das alles zusammen macht das aus, was man landläufig Vernunft nennt und worüber sich heute nicht einmal mehr die Philosophen zu reden trauen.
Weil nämlich die Vernunft scheinbar noch ungreifbarer ist als die 'Intelligenz'. Darum sind die intelligenten Maschinen ein eigenes Erkenntnisinstrument: Vernunft ist das, was die Ma-schinen nicht können.
aus Künstliche Intelligenz oder doch? 24. 8. 15
Die gute Wahl.
Dass wir Menschen uns von den Tieren nicht grundsätzlich, sondern nur graduell durch unsern Verstand unterscheiden, kann mittlerweile zu unserm gesicherten Wissensbestand gezählt werden. Bleibt uns als besonderes Kennzeichen aber die Vernunft? Vernunft ist nicht bloß das Kombinieren gegebener Daten; Vernunft ist die Fähigkeit zur guten Wahl; das Vermögen, 'ohne Interesse', d. h. unabhängig von eventuellen Vorteilen, Gutes zu un-terscheiden von Schlechtem oder Bösem; eine Gabe, über die wir tatsächlich alle verfügen, wenn wir uns auch ihrer nicht alle und nicht allezeit bedienen. Es ist im weitesten Sinne unser ästhetischer Sinn.
Vom Himmel gefallen wird auch der nicht sein, er wird sich aus gattungsgeschichtlichen Vorläufern entwickelt haben. Aber nicht durch allmähliche Anlagerung, sondern in der Krisis, nach dem Verlust von Etwas, das wir einmal mit den Tieren gemein gehabt haben...
Freitag, 29. September 2023
Hat das Wissen Grenzen?
Was heißt wissen? Es heißt, etwas Unbestimmtes ein wenig bestimmter machen. Unbe-stimmt - das sind die Reize, die unsere Sinneszellen an ihre Supervisoren im Gehirn, die Neuronen, melden. Diese Sinnesdaten zusammenführen und mit einer Bedeutung ausstat-ten heißt bestimmen. Und was ist eine Bedeutung? Bedeutung ist dasjenige an einem Ding, was mich veranlassen kann, mein Verhalten so oder so zu... bestimmen, nämlich auf einen Zweck zu richten. Die Zwecke muss ich mir freilich selber setzen.
Wie könnte ich damit je zu einem Ende kommen? Nicht nur begegnen an allen Ecken nund Enden neue Dinge, sondern an den bekannten Dingen bemerke ich immer wieder 'Merk-male', die es noch zu bestimmen gilt. Aber das ist trivial. Entscheidend ist, dass ich, wenn ich es sol will, meine Zwecke ändern kann. Das Bestimmen ist ohne Ende.
Denn ein Ende wäre noch nicht, wenn ich alle Dinge so genau bestimmt hätte, dass ich nichts mehr hinzufügen kann: wenn alle seine Zwecke restlos erfüllt sind. Ein Ende wäre, wenn ich einen allerletzten Zweck wie einen Spatz in meiner Hand hielte und nicht sehn-süchtig betrachten müsste wie eine Taube auf dem Dach. Doch damit soll es wohl noch eine gute Weile haben.
II. Selbstverständlich ist nichts, was in der Natur vorkommt, für uns restlos verstehbar. Wenn ich unter Verstehen die Einsicht in eine allerletzte Ursache 'verstehe'. Wenn es eine allerletzte nicht gibt, gibt es keine Ursache. Wenn es eine allerletze gibt, gehört sie nicht mehr zur Natur, die unserer Vorstellung nach etwas Hervorgebrachtes ist. Die allerletzte müsste also ein übernatürlich Hervorbringer sein.
Und das ist ja der Gedanke, den sie uns immer zumuten wollen, weil sich die Menschen das "immer schon so gedacht" haben. Warum? Weil es der Erfahrung entspricht, die ihre Gat-tung seit ihrem ersten Auftreten schon immer gemacht hat: keine Folge ohne einen Verur-sacher, der sie bewirkt. Wenn es eine Vorstellung gibt, von der wir in Wirklichkeit niemals abstrahieren können, dann ist es die. Das ist die Grenze, die die Evolution unserem Verste-hen gezogen hat.
Der Heilige Gral der Physik.
Wie stark ist die starke Kernkraft?
Teilchenbeschleuniger LHC liefert bisher genauesten Wert für den "Kleber" aller Materie
„Kleber“ aller Materie vermessen: Physiker haben die starke Kernkraft mit bisher uner-reichter Präzision vermessen – die Grundkraft, die alle Materie zusammenhält. Durch Pro-tonenkollisionen im Teilchenbeschleuniger LHC und die dabei entstehenden Z-Bosonen gelang es dem Team, die Bindungsstärke der starken Wechselwirkung bis auf rund 0,8 Pro-zent genau zu messen. Dies schafft wichtige Voraussetzungen, um das Standardmodell der Teilchenphysik zu überprüfen und noch unentdeckte Kräfte oder Teilchen aufzuspüren.
Die Gluonen der starken Kernkraft (hier als spiralige Federn dargestellt) halten die Quarks im Proton zusammen.
Die starke Wechselwirkung ist die viel-leicht fundamentalste aller Grundkräfte. Denn sie ist der „Kleber“, der die Pro-tonen und Neutronen im Atomkern zu-sammenhält. Die Trägerteilchen der star-ken Kernkraft, die Gluonen, koppeln die Quarks in diesen Kernbausteinen anein-ander. Zwar wirkt die starke Wechselwir-kung nur auf kleinstem Raum, gleichzeitig ist sie jedoch die stärkste und wichtigste aller Grundkräfte im Kosmos – ohne sie gäbe es unser Universum in seiner heutigen Form nicht.
Doch trotz ihrer enormen Bedeutung ist die starke Kernkraft die am wenigsten erforschte aller vier Grundkräfte. Selbst ihre Intensität – die sogenannte Kopplungskonstante – ist bisher nur mit großer Unsicherheitsspanne bekannt. „Obwohl die Stärke der starken Kernkraft ein Schlüsselparameter des Standardmodells ist, ist sie nur bis auf ein Prozent genau gemessen“, erklärt Stefano Camarda von der ATLAS-Kollaboration am Forschungszentrum CERN. „Die weit schwächere elektromagnetische Grundkraft kennen wir dagegen bis auf ein Milliardstel genau.“
„Schubs“ abgestrahlter Gluonen gemessen
Um dies zu ändern, haben die Physiker der ATLAS-Kollaboration nun die Kopplungskonstante der starken Kernkraft über eine relativ wenig von Störeffekten beeinträchtigte Methode gemessen. Dafür werteten sie Kollisionen aus, bei denen Protonen im Large Hadron Collider (LHC) am CERN mit einer Energie von acht Teraelektronenvolt aufeinanderprallten. Bei diesen Kollisionen entstehen unter anderem Z-Bosonen, Elementarteilchen, die bei der gegenseitigen Auslöschung von zwei Quarks freiwerden.
Der Clou dabei: Bei dieser Annihilation der Quarks werden Gluonen frei und deren „Abstrahlung“ verleiht den dabei entstehenden Z-Bosonen einen seitlichen „Schubs“. Dieser Impuls wirkt quer zur Achse der ursprünglichen Kollision und ist im ATLAS-Detektor des LHC messbar. Weil das Ausmaß dieses seitlichen Schubses direkt von der Stärke der starken Kernkraft abhängig ist, lässt sich über diesen sogenannten Drell-Yan-Prozess auch die Kopplungskonstante dieser Grundkraft messen, wie die Physiker erklären.
Für ihre Studie haben Camarda und seine Kollegen von der ATLAS-Kollaboration die Zerfallsprodukte von gut 15 Millionen Z-Bosonen und deren seitlichen Impuls gemessen.
Der neu gemessene Wert (unten) für die Kopplungskonstante der starken Kernkraft im Vergleich zu früheren experimentellen und theoretisch ermittelten Werten.
Genauer als alle frühere Messungen
Das Ergebnis ist die bisher genaueste Messung der Kopplungskonstante und damit der Stärke der starken Kernkraft. Die Physiker bestimmten dafür nun einen Wert von 0,1183 ± 0.0009. Die Messunsicherheiten liegen bei rund 0,8 Prozent. „Damit ist dies bisher genaueste experimentelle Messung“, berichtet das Team. Der Wert und seine Präzision liegen ihren Angaben zufolge im Bereich der zurzeit besten theoretischen Berechnungen.
„Das wir die Kopplungsstärke der starken Kernkraft bis auf das 0,8-Prozent-Niveau hinunter eingrenzen konnten, ist eine spektakuläre Errungenschaft“, sagt Camarda. Das Team geht aber davon aus, dass sich die Messgenauigkeit mit dieser Methode noch weiter steigern lässt – beispielsweise indem man als nächstes auch Protonenkollisionen mit höheren Energien auswertet.
Wichtig auch für die Einheitliche Feldtheorie
Wenn jedoch eine solche gemeinsame „Urkraft“ existierte, müssen die in ihr vereinten Einzel-Grundkräfte bei den damals herrschenden unvorstellbaren hohen Energien alle gleich stark gewesen sein – und sie müssten sie sich noch heute zumindest mathematisch-physikalisch auf einen Nenner bringen lassen. Einstein versuchte allerdings vergeblich, diese „Einheitliche Feldtheorie“ in Gleichungen zu fassen.
Heute hoffen Physiker jedoch, diesen „heiligen Gral“ der Physik durch immer genauere Messungen eingrenzen zu können. Die genauere Kenntnis der starken Kernkraft könnte dabei helfen. (Nature Physics, submitted, Preprint arXiv, doi: 10.48550/arXiv.2309.12986)
Quelle: CERN
27. September 2023
von Nadja Podbregar
Donnerstag, 28. September 2023
Erst wenn gefühlt wurde, lässt sich reflektieren; denn worauf sonst?
Das Erinnern von Bildern ist das Geschäft des episodischen Gedächtnisses. Im sogenann-ten semantischen Gedächtnis werden nicht anschaubare Bilder gemerkt, sondern Denkbe-stimmungen - anhand von je spezifischen Zeichen: landläufig Begriffe genannt. Gemerkt wird ein Symbol: eine bezeichnete Bedeutung oder ein bedeutendes Zeichen. Es ist das-selbe, denn weder erscheint das Zeichen, ohne die Bedeutung hervorzurufen, noch kann ich die Bedeutung zeigen ohne ihr Symbol.
Haben sich episodisches und semantisches Denken von einander geschieden, weil sich unter die anschaulichen Bildern immer mehr denkbare Bedeutungen gemischt haben, die auch gemerkt werden wollten, oder waren von vornherein zwei verschiedene Töpfchen vor-handen, die darauf warteten, befüllt zu werden? Der Unterschied zwischen beiden Varian-ten könnte entweder psychologisch-experimentell oder philosophisch-spekulativ aufgefasst werden - als Vor- oder Nachordnung von fühlen und reflektieren. Wobei die Vorstellung, dass die Reflexion eher dagewesen wäre als das Fühlen, einigermaßen verrückt klingt.
PS. Mit andern Worten - ohne Symbolisierung keine Reflexion.
Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE
Gedächtnis - das Merken von Bildern.
aus scinexx.de, 27. September 2023,
Welche Hirnsignale ein gutes Gedächtnis verraten
Vorgänge im Gehirn beim Merken von Bildern entschlüsselt
Neuronale Zusammenhänge: Wie gut unser Gedächtnis für Bilder funktioniert, lässt sich an unserem Gehirn ablesen – zumindest statistisch, wie Forschende in einer großangelegten Studie herausgefunden haben. Demnach unterscheidet sich die Aktivität in bestimmten Hirnarealen, aber auch von ganzen Netzwerken bei Menschen mit gutem und schlechtem visuellen Gedächtnis. Die Ergebnisse geben neue Einblicke, wie unser Gedächtnis funktio-niert und von welchen Faktoren dies abhängt.
Unser Gedächtnis ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich leistungsfähig. Aus früheren Studien ist bekannt, dass an Merkprozessen wie dem bewussten Speichern und Abrufen von Informationen verschiedene Hirnregionen beteiligt sind. Ob diese Regionen dabei andere Aktivitäten aufweisen, wenn ein Mensch ein gutes oder aber ein schwächeres Gedächtnis hat, war bisher jedoch unklar.
Ein Forschungsteam um Léonie Geissmann von der Universität Basel ist dieser Frage nun nachgegangen. An der Studie nahmen 1.498 Probandinnen und Probanden zwischen 18 und 35 Jahren teil. Damit handelt es sich nach Angaben der Forschenden um die weltweit größte funktionelle Bildgebungsstudie zum sogenannten episodischen Gedächtnis, das das bewusste Erinnern von zuvor Erlebtem umfasst.
Die Teilnehmenden schauten sich in der Studie jeweils 72 Bilder an und merkten sie sich, während die Forschenden mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRI) ihre Hirnaktivität aufnahmen. Anschließend sollten die Testpersonen so viele der präsentierten Bilder wie möglich aus dem Gedächtnis abrufen und aufschreiben, was sie gesehen haben.
Nicht alle Gedächtnis-Regionen sind beim Merken aktiv
Dabei zeigten sich wie erwartet große Unterschiede in der Gedächtnisleistung der Probandinnen und Probanden. Die Teilnehmenden erinnerten sich an fünf bis 55 der 72 zuvor gezeigten Bilder. Darüber hinaus zeigte sich ein direkter Zusammenhang zwischen der Aktivität einiger Hirnareale beim Abspeichern und der späteren Gedächtnisleistung der Testpersonen: Bei Menschen mit besseren Merkfähigkeiten waren diese Hirnareale schon beim Speichern der Informationen aktiver als bei Menschen mit schlechterem Gedächtnis.
Zu diesen Hirnregionen zählten der Hippocampus, der orbitofrontale Cortex, der obere Frontalcortex und der hintere cinguläre Cortex. Von diesen Regionen ist bekannt, dass sie an der Gedächtnisbildung oder Lernprozessen beteiligt sind. Bei anderen nachweislich gedächtnisrelevanten Hirnbereichen in der hinteren Hirnrinde, insbesondere dem lateralen Okzipitalcortex, zeigte sich indes kein solcher Zusammenhang: Diese Areale waren bei Personen mit besserem und schwächerem visuellen Gedächtnis gleichermaßen aktiv.
Auch Netzwerke am Gedächtnis beteiligt
Wie gut unser visuelles Gedächtnis ist, hängt aber auch von der Aktivität ganzer Netzwerke ab, wie Geissmann und ihr Team feststellten. Sie identifizierten neun funktionelle Netzwerke im Gehirn der Probanden, die mit der Leistung ihres episodischen Gedächtnisses verknüpft waren. Die Forschenden beobachteten, dass diese mehrere Hirnregionen verbindenden Aktivitätsmuster teilweise einigen bereits bekannten Netzwerken ähneln, unter anderem dem Kleinhirnnetzwerk, dem sensomotorischen Netzwerk und dem auditorischen Netzwerk, sich aber auch von diesen unterscheiden.
Bei acht der neun neu identifizierten Netzwerke war deren Aktivität mit einem guten Gedächtnis der Studienteilnehmer verbunden, bei einem der Netzwerke mit einem schlechteren Erinnerungsvermögen. Die acht „positiven“ Netzwerke umfassen laut der Studie Hirnregionen, die bekanntermaßen unter anderem für Verarbeitungs- und Gedächtnisprozesse wie das visuelle Arbeitsgedächtnis, das gegenständliche Gedächtnis und die bewusste Darstellung von Erinnerungen zuständig sind, aber auch für andere Funktionen wie Emotion, Aufmerksamkeit und Entscheidungsfindung.
Das neunte, „negative“ Netzwerk umfasst Hirnareale, die vor allem für sensorisch-motorische und sensorisch-auditive Aufgaben zuständig sind. Die Forschenden vermuten daher, dass das Verarbeiten von Geräuschen das Merken von Bildern erschweren könnte.
„Die Erkenntnisse helfen uns, besser zu verstehen, wie es zu den Unterschieden in der Gedächtnisleistung zwischen Menschen kommt“, sagt Geissmann. Die Hirnsignale einer einzelnen Person würden aber noch keine Rückschlüsse auf deren Gedächtnisleistung zulassen, dafür müssten weitere Forschungsarbeiten folgen. Mithilfe der bereits gewonnenen Daten könnten dann möglicherweise auch biologische Merkmale, zum Beispiel genetische Marker, identifiziert werden, die mit den Hirnsignalen beim Merkprozess in Verbindung stehen, so die Forschenden.
Die aktuelle Studie ist Teil eines großen Forschungsprojekts. Dessen Ergebnisse sollen ein tieferes Verständnis von Gedächtnisprozessen generieren und langfristig in klinische Anwendungen überführt werden. (Nature Communications, 2023; doi: 10.1038/s41467-023-41380-w)
Quelle: Universität Basel
27. September 2023
von - Claudia Krapp
Mittwoch, 27. September 2023
Verdrängen oder konfrontieren?
NEGATIVE GEDANKEN
Doch lieber verdrängen?
Anstatt sich immer wieder Ängste und Sorgen ins Gedächtnis zu rufen, kann es hilfreich sein, sie aktiv zu unterdrücken. Das steigert womöglich das Wohlbefinden und lindert Symptome psychi-scher Erkrankungen.
von Anna Lorenzen
Während der Covid-19-Pandemie haben Ängste, Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) und Depressionen weltweit zugenommen. Menschen mit solchen Erkrankungen wird in konventionellen Therapien häufig angeraten, ihre Sorgen und Ängste nicht zu verdrängen. Denn diese würden dadurch nur schlimmer. Zulkayda Mamat und Michael C. Anderson von der University of Cambridge wollten diese Sichtweise auf die Probe stellen und fanden das Gegenteil, wie sie in »Science Advances« berichten: Einige Formen der Gedankenunterdrückung könnten demnach tatsächlich hilfreich sein.
Die beiden Forschenden luden 120 Freiwillige aus 16 Ländern, darunter auch Deutschland, zu ihren Experimenten ein und baten sie, sich Zukunftsszenarien vorzustellen, die in den nächsten zwei Jahren auf sie zukommen könnten. Jedem der Teilnehmenden fielen 20 negative Szenarien ein, vor denen er oder sie sich fürchtete, etwa der Verlust eines geliebten Menschen. Außerdem nannten sie jeweils 20 Hoffnungen sowie 36 neutrale Alltagsszenen wie das Aufhängen von Wäsche. Für jedes Szenario mussten die Probandinnen und Probanden ein Stichwort wählen, mit dem der Gedanke hervorgerufen werden konnte – etwa »Atmen« für die Sorge vor einem Krankenhausbesuch der Eltern als Folge von Covid-19.
Die Freiwilligen wurden außerdem gebeten, jeden Gedanken zu bewerten: unter anderem den empfundenen Grad der Angst oder die Intensität des Imaginierten. Die Probanden füllten auch Fragebogen aus, um ihre psychische Gesundheit zu beurteilen. Einige von ihnen hatten Symptome schwerer Depressionen, Angstzustände und pandemiebedingten posttraumatischen Stress.
Mamat und Anderson unterzogen die Gruppe nun einem Training per Zoom – und zwar drei Tage lang für jeweils 20 Minuten. Damit wählten sie eine videobasierte Methode, die auch im »echten« Therapie-Setting gut anwendbar wäre. Die eine Hälfte der Probanden sollte dabei lernen, negative Gedanken zu unterdrücken, die andere, neutrale Gedanken zu verdrängen. Hierfür zeigte das Forscherduo ihnen für einige Sekunden das zuvor festgelegte Stichwort und bat die Freiwilligen dann, sich das Ereignis zunächst lebhaft vorzustellen und dann aktiv abzublocken.
Am Ende des dritten Tages und drei Monate später wurden die Probanden gefragt, wie intensiv und lebhaft sie sich die einzelnen Szenarien noch vorstellen konnten, welche Gefühle diese auslösten und wie es ihnen psychisch ging. Es zeigte sich: Gedanken, die die Teilnehmenden aktiv verdrängt hatten, nahmen sie nun als weniger lebhaft wahr. Das galt zwar für beide Gruppen, jedoch war der Effekt bei denjenigen, die Ängste unterdrückt hatten, stärker ausgeprägt. Diese berichteten auch von weniger negativen Gefühlen, Ängsten und depressiven Symptomen. Die Auswirkungen bestanden auch noch drei Monate nach dem Training.
Psychisch besonders stark belastete Probanden profitierten am meisten von dem Training. Und das Verdrängen der negativen Gedanken führte auch nicht zu einem so genannten »Rebound«: Nur eine von 120 Personen erinnerte sich nach dem Training detaillierter an unterdrückte Ereignisse.
Möglicherweise kann es also vorteilhaft sein, Angst machende Vorstellungen zu unterdrücken. Trotzdem könnte das bei manchen Gedanken auch schädlich sein, sagt Mamat. »Es gibt einige Sorgen, über die man versuchen sollte nachzudenken, sie zu verarbeiten und damit umzugehen. Aber es gibt auch andere Gedanken, gegen die man nichts tun kann, und die zu unterdrücken könnte helfen«, so die Kognitionswissenschaftlerin.
Nota. - Eine moderne Selbstverständlichkeit ist, dass seelische Beschwerden auf inneren Konflikten beruhten, die ins Unbewusste verdrängt wurden, weil sie anders zu schmerzlich wären, im Unbewussten aber nun erst recht weiterschwelen, weil sie jetzt unerkannt bleiben dürfen. Na ja, das ist plausibel und leicht vorstellbar, weil es eben nicht die einfachste, son-dern nur die zweit-einfachste Erklärung ist. Wer immer murrt, macht sich als Simpel ver-dächtig oder als Obskurant. Und es ist sicher in den meisten Fällen die Spur, die am wei-testen führt. Noch weiter trüge aber gelegentlich die Vermutung, es sei genauso, wie es aus-sieht. Doch dummerweise ist das keine Spur, die irgendwo hin führt: Was man beobachtet, ist ein Rätsel und bleibt eins.
Ein nahestehender Freund ohne Ambition außer der, helfen zu wollen, würde sagen: Halt' dir die Sachen doch einfach vom Leib, denk an was Fruchtbares, statt dasselbe Ding immer wieder nur aufs Neue durchzukauen. Er könnte Recht haben, aber auf eine fachliche Auto-rität kann er sich nicht berufen; und kein Honorar veranschlagen.
JE
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Zum Lernen braucht man kein Gehirn.
Quallen zeigen: Zum Lernen braucht es kein Gehirn
Trotz ihres einfachen Nervensystems können Würfelquallen aus Erfahrung lernen. Das wirft Fragen über die Evolution kognitiver Funktionen auf
von Karin Krichmayr
Sie sind gerade einmal so groß wie ein Fingernagel, durchsichtig und bestehen fast zur Gänze aus Wasser. Ein zentrales Gehirn haben sie nicht, ebenso wenig ein Herz oder Blut. Vielmehr ist ihr Nervensystem über den ganzen gallertartigen Körper verteilt. Das schlichte Wesen von Quallen spricht daher nicht für besondere kognitive Leistungen, wie Fachleute bisher ihre Schlüsse zogen. Und doch nehmen Karibische Würfelquallen (Tripedalia cystophora) viel mehr wahr, als man gemeinhin glauben würde.
Im Gegensatz zu vielen anderen Nesseltieren, zu denen neben Quallen auch Korallen und Seeanemonen gehören, zeichnet sich T. cystophora durch ein ausgefeiltes visuelles System aus: Während die meisten Artgenossen nur vage Lichtquellen detektieren können, hat die Würfelqualle ganze 24 Augen, die sich in Clustern rund um den Schirm befinden. Das hilft ihnen, um durch das wurzelreiche, trübe Wasser der karibischen Mangrovensümpfe zu navigieren, wo sie Wasserflöhe jagen.
Dennoch: Forschende waren überzeugt, dass Lebewesen ohne Gehirn nicht fähig zu fortgeschrittenen Formen des Lernens wären. Das konnte nun ein Team aus Biologinnen und Biologen der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und der Universität Kopenhagen widerlegen. In einer im Fachblatt "Current Biology" erschienenen Studie konnte die Gruppe erstmals nachweisen, dass Quallen aus Erfahrung lernen können, ähnlich wie der Mensch und andere komplexe Lebewesen.
Überraschend schnelles Lernen
Um herauszufinden, wie viel kognitive Leistung in den unscheinbaren Tieren steckt, simulierte das Forschungsteam ihren natürlichen Lebensraum mit einem Wasserbecken, dessen Wände mit grauen und weißen Streifen als visuelle Stimuli versehen waren. Die grauen Streifen sollten weitentfernte Mangrovenwurzeln darstellen, denen es auszuweichen galt, die weißen Streifen die Wasserumgebung. Da die Tiere die Wurzeln nicht als unmittelbares Hindernis wahrnahmen, stießen sie zu Beginn des Experiments häufig gegen die grauen Streifen. Doch bereits nach 7,5 Minuten prallten sie nur noch halb so oft dagegen. Die Zahl der Drehungen, mit denen sie erfolgreich den vermeintlichen Wurzeln auswichen, hatte sich sogar vervierfacht.
"Wie schnell diese Quallen gelernt haben, hat uns wirklich überrascht", sagt Jan Bielecki vom Physiologischen Institut der CAU, der die Tiere schon lange erforscht. "Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Quallen durch die Kombination von visuellen und mechanischen Reizerfahrungen lernen können", sagt Anders Garm, Meeresbiologe an der Universität Kopenhagen. Die Fähigkeit, zwei verschiedene Reizarten zu kombinieren und das Verhalten daran anzupassen, ist ein Merkmal des assoziativen Lernens – eine Form des Lernens, die man gehirnlosen Nesseltieren bisher nicht zugetraut hat.
Um mehr über die neurobiologischen Mechanismen dahinter herauszufinden, haben die Forschenden die visuellen Sinneszellen der Quallen, die sogenannten Rhopalia, isoliert. Jedes der vier Zentren, in denen auch die elektrischen Signale zur Bewegungssteuerung erzeugt werden, enthält sechs Augen und in etwa 1.000 Nervenzellen. Bielecki zeigte dem Rhopalium sich bewegende graue Balken, um zu simulieren, dass sich die Qualle einem Hindernis annähert. Zunächst gab es keine Reaktion im Sehsystem. Erst als der Forscher schwache elektrische Stimuli hinzufügte und damit einen Aufprall simulierte, reagierte es und erzeugte Signale, die die Qualle zum Ausweichen brachte. Bielecki geht daher davon aus, dass im Rhopalium die Lernprozesse lokalisiert sind.
Modell für Mustererkennung
"Wenn bereits diese Tiere in der Lage sind zu lernen, könnte es sich um eine grundlegende Fähigkeit von Nervenzellen oder neuronalen Netzwerken handeln", sagt Bielecki. "Das weist darauf hin, dass sie seit dem Beginn der Evolution existiert und damit früher als bisher in der Forschung angenommen." Immerhin leben Quallen schon seit mehr als einer halben Milliarde Jahre auf unserem Planeten und gehören damit zu den ältesten Lebewesen überhaupt.
Dass die Würfelqualle mit so wenigen Nervenzellen Muster erkennen kann, mache sie zu einem idealen Modellorganismus, sagt der Kieler Nanoelektroniker Hermann Kohlstedt. Die Ergebnisse der Studie fließen ein in den von der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereich zum Thema Neuroelektronik. Ziel ist es, elektronische Schaltkreise zu entwickeln, die beispielsweise zur Mustererkennung eingesetzt werden können. "Bisher läuft das über Computersoftware, die dabei aber viel Energie verbraucht", sagt Kohlstedt. "Doch aus der Natur und der Evolution wissen wir, dass es sehr viel energieeffizientere Wege gibt, Informationen zu verarbeiten."
Link zur Studie:
Current Biology: "Associative learning in the box jellyfish Tripedalia cystophora"
Nota. - Das Kreuz mit der Pädagogenzunft ist, dass sie immer, wenn sie "lernen" sagen, belehrtwerden meinen. Soll heißen, ohne die rechtzeitige Bestallung einen kräftigen Standes von Lehrkörpern würden wir Menschen noch heute auf Bäumen hausen.
Nein, ein Mensch braucht zum Lernen keine Lehrer, sondern Einbildungskraft und reizen-de Gelegenheiten. Lehrer braucht er dabei nur unter unglücklichen Umständen.
JE
Dienstag, 26. September 2023
Was Künstlern und Wissenschaftlern gemeinsam ist.
Ob Genie ausreicht, um diese Bedingungen im Einzelfall auch mal zu überspringen? Eine wahre Einsicht kann einem im Traum kommen, ganz ohne Begabung. Dass sie wahr ist, kann der Traum nicht bezeugen: Das muss die Wissenschaft schon erst noch prüfen.
Ebenso wenig wie ein Kunstwerk lässt sich ein Stück Wissenschaft individuell bestimmen. Kunst und Wissenschaft sind en gros regulative Instanzen im Lebenszusammenhang einer Kultur, en détail sind sie die spezifische Tätigkeit eines Berufsstandes. Der steht in Konkur-renz und Austausch miteinander; rechtfertigen und bewähren muss er sich auf längere Sicht vor einer Öffentlichkeit, die ihm einen Markt bietet. Wissenschaftler oder Künstler ist kei-ner für sich allein, sondern wenn, dann für den Rest der Welt.
Das ist es zugleich, was gegebenenfalls ihr Selbstvertrauen rechtfertigt: Als Angehörige eines streitbaren Standes weiß sich ein jeder unter ständiger Beobachtung durch seinesglei-chen, und wo er sich vergreift, werden die andern schon laut schreien, bevor er es selber merkt. Wissenschaftlich werden sie durch Teilhabe an einer unablässig prozessierenden Kritik.
Und nicht durch eine zünftige Ausbildung noch durch genaues Befolgen der zünftigen Re-geln. Die wird man wohl brauchen, um der Kritik der Andern standzuhalten. Doch nicht auf sie kommt es an, sondern eben - auf die prozessierende Kritik.
Hypertelie.
Welche Fertigkeiten durch welche Mutationen entstehen, ist reiner Zufall. Kein Zufall ist, welche sich davon im Leben der jeweiligen Gattung bewähren - und durch ständige Übung befestigt und ausgebaut und schließlich zum Gemeingut der Gattung werden. Und all die andern neuen Fertigkeiten bleiben ungenutzt und gehen wieder verloren.
Wenn es anders wäre, hätte sich die Familie Homo seinerzeit nicht auf die Hinterbeine ge-stellt und wäre nicht aus ihrer Urwaldnische in eine offene Welt ausgebrochen. Die Fähig-keit zum aufrechten Gang war schon bei manchen Vorläufern entstanden. Es musste noch die Gelegenheit - und in unseren Fall vielleicht die Erfordernis - hinzukommen, sich ihrer zu bedienen. Man sollte annehmen, dass in jeder Gattung mehr Möglichkeiten im Verborge-nen schlummern, als im alltägliche Einerlei zu Tage treten. Hypertelie hat Adolf Portmann das genannt und für ein bestimmendes Merkmal alles Lebendigen gehalten.
Dass wir eine Intelligenz haben, unterscheidet uns nicht von den Tieren; allenfalls, dass unsere weiter reicht. Dass wir nicht nur viel dazulernen, sondern auch wissen können, dass wir etwas wissen; dass wir also reflektieren, unterscheidet uns jedenfalls nicht grundsätzlich von den Japanmakaken. Aber immer noch dies: dass es bei uns eine Fähigkeit der ganzen Gattung geworden, dass es heute habituell und gattungstypisch ist. Bei uns ist das kein Zufall mehr, sondern Ergebnis einer evolutionären Auslese.
Über Emergenz.
Kausalität und Determination sind die beiden begrifflichen Seiten derselben Vorstellung. Ein empirischer Angriff auf beide waren die Unschärfen der Quantenphysik. Ein begriff-licher Angriff war jedoch schon immer die Emergenz; ein Begriff, bei dem man sich cha-rakteristischer Weise nichts vorstellen kann: Ein Zustand geht nicht 'aus dem anderen her-vor', sondern es folgt unvermittelt der eine auf den andern. Sehen kann man es bei der Kristallisation, namentlich bei der Eisbildung. Doch beobachten ließ sich auch da nichts!
Zu Kausalität und Determination gehört zugleich die Vorstellung der Stetigkeit, die späte-stens seit Leibniz - quod natura non fecit saltus - ein modernes Dogma war.
Das hat sich durch obiges Experiment geändert. Denn eine Stetigkeit des Übergangs war auch im Kleinen wieder nur bis zu einem gewissen Punkt zu erkennen, an dem plötzlich der angeblich unmögliche Sprung auftritt; eine wirkliche Zwischenstufe, ein amorpher Klum-pen. Danach gehts wieder stetig weiter: Der Klumpen ordnet sich Schritt für Schritt um zu einem Gitter.
Das widerlegt zwar die 'Ein-Schritt'-Theorie. Aber noch eindeutiger widerlegt es die Vor-stellung von der Stetigkeit.
Kommentar zu Kristall emergiert.JE, 2. 9. 20
Sonntag, 24. September 2023
Dein Gehirn im Default Mode.
Was tut unser Hirn, Wenn wir nichts tun?
Die Aktivität unseres Gehirns während spezifischen Denkprozessen zu verstehen ist das zentrale Ziel der kognitiven Neurowissenschaften. Doch was spielt sich in unserem Hirn ab, wenn gerade keine genaue Aufgabe vorliegt? Was passiert, wenn wir uns nicht einem äußeren Reiz zuwenden, sondern stattdessen nach innen sehen?
von Florian Walter
Um zu klären, welche Aktivität unser Gehirn im Ruhezustand aufweist, müssen wir erst einmal verstehen, wie dies erforscht werden kann. Verfahren, die uns erlauben, von außen in den Körper zu blicken und etwa Abbildungen des Gehirns zu erhalten, nennt man bildgebende Verfahren. Zu diesen Methoden gehört etwa die Computertomographie oder die Magnetresonanztomographie (MRT). Diese Verfahren spielen eine zentrale Rolle in der Medizin, wenn beispielsweise Hirnverletzungen oder Tumore untersucht werden müssen. Seit ihrer Erfindung wurden diese Techniken kontinuierlich erweitert und verbessert. Eine zentrale Errungenschaft in der bildgebenden Verfahrenstechnik für die Neurowissenschaften ist die Nutzung von Sauerstoff als endogenes Kontrastmittel in der MRT-Bildgebung. Dies bedeutet, dass moderne MRT-Technik uns erlaubt, mit hoher räumlicher Präzision einzuschätzen, welche Hirnareale mit wie viel sauerstoffreichem Blut versorgt werden. Wird dabei ein Hirnareal mehr versorgt als andere, können wir daraus schließen, dass dieses Areal gerade besonders aktiv ist, da hier nun mehr verstoffwechselt wird als sonst. Diese Art von Bildgebung, bei der nicht nur ein Bild des Gehirns aufgenommen wird, sondern die Aktivität über einen gewissen Zeitraum hin gemessen wird, nennt man funktionale Bildgebung (statt der strukturellen Bildgebung) [1].
Die Variante der MRT, die Veränderungen im sauerstoffreichen Blut betrachtet, nennt man funktionales MRT (fMRT) und ist neben Methoden wie dem EEG oder dem PET-Scan das zentrale Werkzeug der kognitiven Neurowissenschaften. Die kognitiven Neurowissenschaften sind ein relativ junges Feld, welches eine Art Bindeglied zwischen Psychologie und Neurowissenschaften darstellt. Hier werden kognitive Tests, wie man sie etwa aus der Neuropsychologie kennt (siehe Hirn und weg vom 24.08.2023), mit funktionaler Bildgebung kombiniert. So soll ermittelt werden, welche Areale für bestimmte psychologische Funktionen zuständig sind. Beispielsweise gibt es Areale auf der menschlichen Hirnrinde, die mit der Aufmerksamkeit verbunden sind, Areale, die für Sprachprozesse zuständig sind oder andere, die mit dem Kurzzeitgedächtnis in Verbindung gebracht werden.
In solchen Experimenten der kognitiven Neurowissenschaften werden meist zweierlei Messungen angestellt. Einmal wird das Hirn aufgenommen, während die Aufgabe oder der Test durchgeführt wird. Zudem werden aber auch Messungen der Hirnaktivität gemacht, ohne dass die Teilnehmenden eine genaue Aufgabe haben. Dies diente ursprünglich vor allem dem Zweck, einen genaueren Eindruck der für die Aufgabe relevanten Areale zu erhalten. Auf diese Weise kann nämlich von der „Aufgabenaktivität“ die „Grundaktivität“ abgezogen werden. So wird ein gewisses Grundrauschen aus der Rechnung herausgenommen und vermieden, dass Hirnaktivität, die nichts mit der eigentlichen Aufgabe zu tun hat, die Ergebnisse verzerrt. Jedoch brachte diese Herangehensweise einen weiteren Aspekt der Hirnaktivität zu Tage, welcher eigentlich kein Ziel der ersten kognitiven neurowissenschaftlichen Experimente war: Im wachen Ruhezustand sind einige Hirnareale aktiver, als wenn ein klares Ziel verfolgt wird [2]!
Hirnaktivität im Ruhezustand
Um diese Ergebnisse besser zu verstehen, wurde ein neues Paradigma eingeführt: Das resting-state imaging, oder auf Deutsch, die Bildgebung im Ruhezustand. Hierbei werden die Methoden der funktionalen Bildgebung genutzt, um im Ruhezustand aktive Hirnareale zu finden. Teilnehmende würden also im Scanner keine Aufgaben lösen, sondern einfach die Augen schließen oder ihren Blick auf einen vorgegebenen Punkt fixieren. Es zeigt sich, dass, ähnlich wie bei höheren kognitiven Funktionen, stets mehr als ein Hirnareal aktiv ist. Die Aktivität in diesen Arealen ist sich dabei oft sehr ähnlich, weshalb man die Areale zu Netzwerken zusammenfasst. Es wurden einige dieser Ruhezustands-Netzwerke gefunden, das wahrscheinlich wichtigste und wissenschaftlich am genausten beschriebene dieser Netzwerke ist das default mode network (DMN) [3].
Zuerst beschrieben wurde dieses Netzwerk von Gordon Shulman und seinem Team [4], die in einem PET-Scan Experiment feststellten, das die Areale des DMN während zielgerichteten kognitiven Aufgaben ihre Aktivität verringerten. Bestärkt wurden diese ersten Ergebnisse von den PET-Untersuchungen von Marcus E. Raichle [5], der wie Shulman an der University of Washington tätig ist. Die Experimente wurden in späteren fMRT- und EEG-Experimenten mehrfach wiederholt. Auch mit diesen Verfahren wurde mehrfach gezeigt, dass die verschiedenen Hirnareale im DMN eng verknüpfte Aktivität aufweisen und Veränderungen innerhalb dieses Netzwerkes meist gleichzeitig erfolgen. Das DMN konnte also mit verschiedenen Methoden und mittlerweile auch sehr vielen verschiedenen Teilnehmenden gefunden werden. Aus diesen Gründen gilt es als sehr gut gesichertes Ergebnis und sozusagen als die Nulllinie der menschlichen Hirnaktivität. Interessanterweise wurden Netzwerke in Affen und Nagern beschrieben, die dem DMN sehr ähnlich sind. Es wird deshalb vermutet, dass es sich um ein speziesübergreifendes Phänomen handelt [2].
Aber wo genau befindet sich denn nun dieses Netzwerk und wozu ist es eigentlich gut?
Räumlich erstreckt sich das DMN über weite Teile der Hirnrinde und umfasst dabei Areale auf dreien der vier Hirnlappen, nämlich dem Parietal-, Temporal- und Frontallappen. Wichtig ist dabei, dass die Areale des DMN stets abseits von den Hirnarealen liegen, die mit direkten sensorischen Eindrücken beschäftigt sind, also klar abgegrenzt von der primären Sinneswahrnehmung [6].
Was die Funktionen des DMN angeht, ist die Frage etwas komplizierter. Schon Shulman und Raichle vermuteten, dass es sich bei den Funktionen des DMN wahrscheinlich um selbst-referentielle Gedanken handele [4, 5]. Das ist natürlich ein spannender Ansatz, da es uns einen Anhaltspunkt dafür geben würde, wie ein so komplexer gedanklicher Prozess wie das Nachdenken über uns selbst in unserem Hirn funktionieren könnte. Ein australisches Team von Forschenden um den kognitiven Neurowissenschaftler Christopher Davey untersuchte diese Hypothese genauer und verglich die fMRT-Aktivität im Ruhezustand mit der Aktivität, die auftrat, wenn man die Teilnehmenden bat, Aufgaben zu erfüllen, die zu selbst-referentiellem Nachdenken anregen sollten. So wurden die Teilnehmenden etwa gebeten, zu entscheiden, ob verschiedene Adjektive ihren eigenen Charakter gut beschreiben würden oder nicht. Gezeigt wurde dabei, dass wichtige Kernregionen des DMN nicht nur im Ruhezustand aktiv sind, sondern während selbst-referentiellen Aufgaben ihre Aktivität sogar noch weiter erhöhen [7]. Interessanterweise waren dies auch die Regionen im DMN, die am besten mit anderen Hirnregionen vernetzt sind, man nennt diese Areale auf der Hirnrinde auch Hubs. Sie sind also bestens vernetzt mit anderen Hirnsystemen, etwa mit solchen, die für das Abrufen von Erinnerungen oder für emotionale Prozesse zuständig sind [6, 7].
fMRT-Aktivität bei selbstreferentiellen Gedanken (grün) überlappt mit dem DMN (blau). Abbildung aus Yeo et al. (2011) in Wikimedia.Auf Basis dieser Ergebnisse gehen die Forschenden um Professor Davey davon aus, dass es sich bei dem DMN um ein Hirnsystem handeln könnte, welches es uns erlaubt, uns bewusst selbst wahrzunehmen. Diese Hypothese hat zwar einigen Rückhalt, doch mehr Forschung wird von Nöten sein, um sie abschließend zu belegen. Dies liegt daran, dass es sich bei Messungen von funktionaler Hirnaktivität meist um sehr kleine Effekte handelt und deshalb Wiederholungen an mehr Menschen, sogenannte Replikationen der Ergebnisse, ein zentraler Bestandteil des Forschungsprozesses sind.
Dennoch ist dies ein höchst spannendes Ergebnis, welches natürlich eine weitere Frage aufwirft:
Was passiert, wenn sich die Aktivität im DMN verändert?
Da dem DMN ja so grundlegende Funktionen zugeschrieben werden, wie unsere Selbstwahrnehmung als Mensch, muss man sich natürlich die Frage stellen, wie verringerte oder erhöhte Aktivität im DMN sich auf uns auswirken könnte. Um diese Frage zu beantworten, kann man sich beispielsweise Krankheiten ansehen, die sich auf die DMN-Aktivität auswirken. So ist es zum Beispiel so, dass die Aktivität im DMN bei Betroffenen der Alzheimer-Demenz gestört ist. In anderen Worten werden die Verbindungen zwischen den verschiedenen DMN-Arealen schlechter. Dies könnte uns dabei helfen, die Alzheimer Demenz besser zu verstehen und zu erklären, wie sich die Erkrankung auf die Selbst-wahrnehmung der Betroffenen auswirkt. Allerdings heißt dies nicht, dass Alzheimer in erster Linie eine Erkrankung von Netzwerken der Hirnrinde ist. Betroffen sind bei Alzheimer durchaus auch Areale außerhalb des DMN. Zudem könnte eine andere Erklärung für die hohe Betroffenheit des DMN sein, dass DMN-Areale einfach zu den aktivsten im Hirn zählen, weshalb sich die für Alzheimer relevanten Proteine dort früher ablagern als anderswo im Gehirn. Jedoch gab es auch Ergebnisse, die darauf hindeuten, dass das DMN bei jüngeren Menschen, die genetische Risikofaktoren für Alzheimer-Demenz tragen, aktiver ist, was evtl. dabei helfen könnte, die Erkrankung schon viele Jahre vor den ersten Symptomen zu erkennen. Aus diesem Grund wird das DMN mit Sicherheit weiterhin ein wichtiges Thema in der Alzheimerforschung bleiben [3].
Eine weitere Krankheit, bei welcher das DMN gestört wird, ist die Schizophrenie. Dies erscheint intuitiv erst einmal sehr logisch, da sich die Schizophrenie häufig stark auf das Ich-Erleben der Betroffenen auswirkt. Allerdings ist bei diesem Störungsbild noch unklar, wie genau der Effekt auf das DMN aussieht. So finden einige Studien eine Erhöhung der Aktivität, während andere verringerte Aktivität im Vergleich zu gesunden Teilnehmenden finden. Klar ist jedoch, dass auch diese Erkrankung sich auf die Stärke der Verbindungen zwischen den DMN-Arealen und vom DMN zu anderen Netzwerken auswirkt [3, 8]. Wie ihr euch wahrscheinlich vorstellen könnt, endet die Liste der Krankheiten, bei denen das DMN involviert ist hier nicht. Auch bei Depressionen, der bipolaren Störung und der Parkinson’schen Erkrankung wurde bereits diskutiert, inwiefern das DMN in Mitleidenschaft gezogen wird.
Neben neuropsychiatrischen Erkrankungen gibt es auch Substanzen, die eine starke Wirkung auf das DMN haben. Allen voran wären hier die klassischen Psychedelika, wie LSD, DMT oder das in vielen Pilzen vorhandene Psilocybin zu nennen. Diese Drogen können während der Dauer ihrer Wirkung die Aktivität im DMN verändern. Auch dies wirkt intuitiv schlüssig, da die Wirkung dieser Substanzen oft mit einer verringerten Selbstwahrnehmung in Verbindung gebracht wird. Spezifisch verringern die Psychedelika die Stärke von Verbindungen innerhalb des Netzwerks, während die Verknüpfungen der DMN-Areale zu anderen Hirnarealen und Hirnnetzwerken vorrübergehend gestärkt werden [9]. Man spricht hier oft davon, dass diese Substanzen die internetwork-connectivity oder auch das globale Netzwerk stärken. Viele Forschende vermuten, dass dieser Effekt zentral für die therapeutischen Wirkungen dieser Substanzen sein könnte, auch wenn dies nicht der einzige relevante Wirkmechanismus der Psychedelika ist. Wichtig ist hierbei vor allem, dass bei Störungen wie der Depression die Verbindungen innerhalb des DMN oft stärker sind, als die Verknüpfungen zwischen verschiedenen Hirnnetzwerken [9, 10]. Somit könnte die antidepressive Wirkung von Psychedelika gut erklärbar sein, da diese ja einen entgegengesetzten Effekt haben und die Verknüpfungen zwischen Netzwerken stärken und somit eventuell freiere und weniger negative Gedanken zulassen. Auch hier ist aber noch viel Forschung notwendig.
Fazit
Das DMN ist ein wichtiges Hirnnetzwerk, dass für unser Erleben als Menschen eine grundlegende Rolle zu spielen scheint. Es ist involviert in Gedanken, die wir uns über uns selbst machen und eine Störung dieses Netzwerkes kann schwerwiegende Folgen haben. Einige Substanzen scheinen in der Lage zu sein, das Netzwerk zu regulieren und uns somit bei verschiedenen Erkrankungen der Psyche Linderung zu verschaffen. Dennoch verstehen wir dieses grundlegende Hirnnetzwerk, wie so vieles in unseren Köpfen, noch lange nicht vollständig. Der Forschungszweig des resting-state functional imaging hat also noch viele spannende Erkenntnisse zu bieten, die uns hoffentlich dabei helfen werden, uns selbst besser zu verstehen.
Literaturverzeichnis
[1] Raichle M. E.: A brief history of human brain mapping. Trends in neurosciences 32, 118–126 (2009).
[2] Raichle M. E.: The brain’s default mode network. Annual review of neuroscience 38, 433–447 (2015).
[3] Rosazza C., Minati L.: Resting-state brain networks: literature review and clinical applications. Neurological sciences : official journal of the Italian Neurological Society and of the Italian Society of Clinical Neurophysiology 32, 773–785 (2011).
[4] Shulman G. L., Fiez J. A., Corbetta M., Buckner R. L., Miezin F. M., Raichle M. E., Petersen S. E.: Common Blood Flow Changes across Visual Tasks: II. Decreases in Cerebral Cortex. Journal of cognitive neuroscience 9, 648–663 (1997).
[5] Raichle M. E., MacLeod A. M., Snyder A. Z., Powers W. J., Gusnard D. A., Shulman G. L.: A default mode of brain function. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 98, 676–682 (2001).
[6] Smallwood J., Bernhardt B. C., Leech R., Bzdok D., Jefferies E., Margulies D. S.: The default mode network in cognition: a topographical perspective. Nature reviews. Neuroscience 22, 503–513 (2021).
[7] Davey C. G., Pujol J., Harrison B. J.: Mapping the self in the brain’s default mode network. NeuroImage 132, 390–397 (2016).
[8] Hu M.-L., Zong X.-F., Mann J. J., Zheng J.-J., Liao Y.-H., Li Z.-C., He Y., Chen X.-G., Tang J.-S.: A Review of the Functional and Anatomical Default Mode Network in Schizophrenia. Neuroscience bulletin 33, 73–84 (2017).
[9] Gattuso J. J., Perkins D., Ruffell S., Lawrence A. J., Hoyer D., Jacobson L. H., Timmermann C., Castle D., Rossell S. L., Downey L. A., Pagni B. A., Galvão-Coelho N. L., Nutt D., Sarris J.: Default Mode Network Modulation by Psychedelics: A Systematic Review. The international journal of neuropsychopharmacology 26, 155–188 (2023).
[10] Thomas K., Malcolm B., Lastra D.: Psilocybin-Assisted Therapy: A Review of a Novel Treatment for Psychiatric Disorders. Journal of psychoactive drugs 49, 446–455 (2017).
Abbildungsquellen
Graner, John; Oakes, Terrence R.; French, Louis M.; Riedy, Gerard (2013): Functional MRI in the investigation of blast-related traumatic brain injury. In: Frontiers in neurology 4, S. 16. DOI: 10.3389/fneur.2013.00016.
Yeo, B. T. Thomas; Krienen, Fenna M.; Sepulcre, Jorge; Sabuncu, Mert R.; Lashkari, Danial; Hollinshead, Marisa et al. (2011): The organization of the human cerebral cortex estimated by intrinsic functional connectivity. In: Journal of neurophysiology 106 (3), S. 1125–1165. DOI: 10.1152/jn.00338.2011.
[Nota. - Vielleicht ist das Mysterium der Reflexion im Wechselspiel von Default mode und Vorstellungstätigkeit zu suchen? JE]
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