Dienstag, 17. Januar 2023

Eine weltgeschichtliche Weichenstellung der Westkirche .

 Sta. Maria in Trastevere                                                           zu öffentliche Angelegenheiten   
aus Tagesspiegel.de, 17. 1. 2023

Verwandtenehe
Bei den alten Griechen blieb es in der Familie 
Cousin oder Cousine zu heiraten ist heutzutage zwar nicht verboten, aber, zurückhaltend formuliert, unüblich. Das war vor 4000 Jahren in Griechenland anders

Cousin oder Cousine zu heiraten kam früher deutlich häufiger vor als heute, und trug meist auch keinerlei Stigma. Selbst Charles Darwin, dem schon damals Hinweise auf mögliche Erbschäden bekannt waren, heiratete seine Cousine Emma

Ein Forscherteam des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig bezeichnet laut Mittelung des Instituts jüngste Analysen von über 100 Genomen bronzezeitlicher Menschen aus der Ägäis laut Mitteilung aber als „völlig unerwartet“.

Wer Verwandte heiratet, hält den Besitz zusammen

Ihr wichtigster, jetzt in Nature Ecology & Evolution publizierter Befund: Auf den griechischen Inseln und dem Festland war vor 4000 Jahren die Familiengründung zwischen Cousin und Cousine ersten Grades nicht nur üblich, sondern wohl eher die Regel.

Die Gründe für den Brauch sind unklar. „Vielleicht wollte man verhindern, dass das geerbte Ackerland immer mehr aufgeteilt wird“, wird Co-Autor Philipp Stockhammer zitiert. „Auf jeden Fall garantierte es eine gewisse Kontinuität der Familie an einem Ort, was eine wichtige Voraussetzung etwa für den Anbau von Oliven und Wein ist.“ 

Stammbaum eines Haushalts

Dem Team gelang es auch, für einen Haushalt einen lückenlosen genetischen Stammbaum zu erstellen. Es ist das erste Mal, dass derlei für Funde aus dem antiken Mittelmeerraum gelungen ist. Die Daten lassen möglicherweise Rückschlüsse auf weitere Aspekte der Sozialstruktur zu. ... (rif)



aus scinexx.de

Kreta: Minoer bevorzugten Verwandtenehe
Heirat von Cousins und Cousinen ersten Grades war in der bronzezeitlichen Ägäis überraschend häufig


Bronzezeitliche Inzucht: Bei den Minoern und anderen bronzezeitlichen Kulturen der Ägäis war es erstaunlich üblich, Cousins und Cousinen ersten Grades zu heiraten. Während diese Form der Verwandtenehe in vielen frühen Kulturen tabu oder zumindest die Ausnahme war, machten solche Paare damals auf den griechischen Inseln 30 bis 50 Prozent aus – ein so hoher Anteil wurde bisher in Analysen alter DNA noch nie ermittelt, wie die Forschen-den berichten.

Das östliche Mittelmeer, Kreta und die Inseln der Ägäis gelten als Wiege der ältesten Hochkulturen in Europa. Vor allem die vor rund 5.000 Jahren wie aus dem Nichts beginnende Zivilisation der Minoer prägte die Entwicklung dieser Region während der Bronzezeit. Sie errichteten komplexe Siedlungen, schufen kunstvollen Schmuck, prachtvolle Fresken und entwickelten mit Linear A eine bis heute nicht entzifferte Schrift.

DNA-Analysen von Menschen aus frühen ägäischen Kulturen

Jetzt zeigt sich, dass die frühen Kulturen der Ägäis auch in einer weiteren Hinsicht ungewöhnlich waren. Für ihre Studie haben Eirini Skourtanioti vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und ihre Kollegen die DNA von 102 Menschen analysiert, die von der Jungsteinzeit bis zu Eisenzeit in der Ägäis und auf Kreta gelebt hatten. Einige dieser Toten gehörten zur minoischen Kultur, andere zur mykenischen sowie zu frühen jungsteinzeitlichen Vorgängerkulturen.

Die Genomanalysen liefern erste Informationen dazu, wie sich die Bevölkerung im östlichen Mittelmeerraum im Laufe der Jahrtausende veränderte und wo ihre Wurzeln lagen. Zudem
Geben sie erstmals Einblicke in die Verwandtschaftsbeziehungen und Heiratspraktiken im minoischen Kreta und dem mykenischen Griechenland.

Vetternehe war die Regel

Das überraschendste Ergebnis: Auf Kreta und in der Ägäis war es vor 4.000 Jahren erstaunlich üblich, seine Cousine oder seinen Cousin ersten Grades zu heiraten. Im Schnitt 30 Prozent aller analysierten Individuen hatten Eltern, die in diesem Maße eng verwandt waren. „Auf kleineren Inseln erreichte diese Verwandtenehe sogar 50 Prozent, aber war in der gesamten Ägäis gängig“, berichten die Forschenden. Dieser Trend zur Vetternehe reichte zudem von der Jungsteinzeit bis in die späte Bronzezeit.

In vielen Kulturen sind Paarungen zwischen Cousinen und Cousinen eher die Ausnahme, oft sogar tabuisiert. Doch in der Ägäis war dies offenbar fast die Regel. „Mehr als tausend alte Genome aus den verschiedensten Regionen der Welt sind inzwischen publiziert, aber so ein strenges System der Verwandtenheirat scheint es sonst nirgendwo in der Antike gegeben zu haben“, sagt Skourtanioti. „Das kam für uns alle völlig überraschend und wirft viele Fragen auf.“

Wie diese besondere Heiratspraxis zu erklären ist, kann das Forschungsteam nur mutmaßen. „Vielleicht wollte man auf diese Weise verhindern, dass das ererbte Ackerland immer weiter aufgeteilt wurde?“, vermutet Skourtaniotis Kollege Philipp Stockhammer. „Auf jeden Fall garantierte es eine gewisse Kontinuität der Familie an einem Ort, was etwa für den Anbau von Oliven und Wein eine wichtige Voraussetzung ist.“




Rekonstruierter Familienstammbaum einer mykenischen Familie aus der späten Bronzezeit.


Erster Stammbaum einer mykenischen Familie

Die DNA-Analysen ermöglichten es auch, den ersten Familienstammbaum einer mykenischen Familie zu erstellen. Das genetische Material dafür stammte aus einem Gemeinschaftsgrab in der mykenischen Stadt Mygdalia, in dem während der späten Bronzezeit mindestens acht Kleinkinder auf dem Gelände eines Gehöfts bestattet worden waren. Skourtanioti und ihren Kollegen gelang es mittels DNA-Proben, die Verwandtschaftsbeziehungen dieser Kinder zu ermitteln.

Es zeigte sich: Sechs dieser Kinder waren die Kinder und Enkel eines einzigen Paares. Sie stammten von den drei Söhnen dieses Paares ab, die offenbar auch als Erwachsene noch mit auf dem Gehöft ihrer Eltern lebten. Ein weiteres Kind stammte von einer Cousine einer der Ehefrauen dieser Männer ab. Der Familienstammbaum dieser mykenischen Großfamilie ist der erste, der bislang für den frühen Mittelmeerraum rekonstruiert werden konnte.

„Sicher ist, dass die Analyse alter Genome uns auch in Zukunft fantastische, neue Einblicke in antike Familienstrukturen ermöglichen wird“, sagt Skourtanioti. (Nature Ecology & Evolution, 2023;
doi: 10.1038/s41559-022-01952-3)


Quelle: Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
17. Januar 2023
von Nadja Podbregar


Nota. - Die ursprüngliche Sozialform von Homo sapiens ist die wandernde Verwandten-gruppe. Das Blut wird zunächst keine Rolle gespielt haben, sondern nur, wer direkt hineingeboren wurde. Gelegentlich mochte wohl auch Fremde hinzustoßen, oder bei der Begegnung mit andern Wanderern die Gruppen zu exogenen Paarungen gewechselt werden. Das Totem-System ermöglicht das Zusammenwachsen einander nahestehender Clans zu Stammesverbänden und erleichtert Landnahme und Sedentarisierung. Noch die Staatsbildung in Attika - synoikismós - und in Rom beruhte auf phylei und gentes.

Weshalb die römische Kirche im Westen - anders als wohl im Rest der Welt - so energisch gegen die Verwandtenehe in Stellung gegangen ist, kann nur geraten werden. Eugenische Gesichtspunkte wird man wohl ausschließen können, und der Wunsch, den Kirchenbesitz zusammenzuhalten, kann nur bis zur Einführung des Zölibats eine Rolle gespielt haben. Dem Übergang vom dörflichen Gemeindeeigentum zum System der Einzelhöfe nördlich der Alpen kam es wohl entgegen, mag aber zur Zersplitterung der Parzellen und der Kommendation und damit der Feudalisierung beigetragen haben. 

Eines ist sicher: Das Ideal eines freien Bauern auf freier Scholle hätte im überall (?) sonst herrschenden Clan- und Stammessystem nicht aufkommen können; vom eigenverantwortlichen, selbstbestimmten bürgerlichen Ich gar nicht zu reden. 

Wenn es heißt, der welthistorische Aufstieg des Westens sie dem Christentum geschuldet, ist hinzu zu fügen: nämlich der Westkirche. Das ist aber ein Vorsprung, der nicht von alleine dahinschmilzt. Von alleine ist er ja seinerzeit nicht aufgekommen. JE





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