Freitag, 27. Januar 2023

Mehr als bloß ein Turing-Test.

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aus FAZ.NET, 27. 1. 2023

Turing-Test
Künstliche Intelligenz kann kenntnisreiche Texte über Hegels Logik schreiben. Trotzdem würden wir uns nicht mit einem Algorithmus zum Cappuccino verab-reden. Worin genau unterscheiden sich Apparatur und Mensch?

Ein Kommentar von Jürgen Kaube

Vor Kurzem wurde ein Mitarbeiter von Google entlassen, der sich in eine Form von Künstlicher Intelligenz verliebt hatte. Beschäftigt mit einem Algorithmus, der Antworten auf eingegebene Fragen gibt, schrieb er ihm menschliche Qualitäten zu. Die Maschine schien ihm ein echtes Gegenüber. Das war dem Konzern zu viel der Begeisterung für Künstliche Intelligenz. Womöglich war der Mitarbeiter auch sonst an­stren­gend, und so trennte man sich von ihm.

Das wirft abermals die Frage auf, was die künstlich intelligenten Apparaturen von Menschen unterscheidet. Lange wurde vermutet, die Computer könnten nicht an­spruchs­voll kommunizieren. Die An­nah­me war, wir würden an den Antworten schon merken, dass es sich um Maschinen handelt. Inzwischen ist man sich da nicht mehr so sicher.

Eine Software fertigt Texte an, von denen Professoren sagen, sie könnten sie nicht mehr von den Texten der Studenten unterscheiden. Das liegt zu­wei­len an den Fragestellungen, die den Studenten für ihre Hausarbeiten aufgegeben werden. Man kann sie maschinenhaft bewältigen, also hat die Maschine keine Schwierigkeiten mit ihnen.

Wenn man fragt, welche Probleme es mit dem Anfang von Hegels Logik gibt – eine sehr spezielle Frage –, greift die Künstliche Intelligenz auf alle Texte zurück, die dazu digital verfügbar sind, und schreibt einen Bericht, der sich durch Kenntnis der Literatur auszeichnet. Wo bleibt dann der Mensch, an dem wir rührend festhalten?

Ein Punkt wäre, Originalität im Sinne der Abweichung von im Internet-Archiv vorhandenen Texten zu einer Frage zu erwarten. Für Studenten wäre das allerdings zu viel verlangt. Warum sollten sie denn mehr als den Stand des bislang Gesagten zu einer Fragestellung wiedergeben können? Und das können inzwischen Computer eben auch. Liegt darin eine Kränkung für den Menschen?

Im Grunde sagt die Fähigkeit der Algorithmen, das Internet durchforsten zu können und dann Texte hervorzubringen, die wir zuvor allein Menschen zugetraut haben, vor allem dies: Das Menschliche liegt nicht darin. Der Algorithmus kann Referate zum Anfang von Hegels Lo­gik hervorbringen, aber wir würden uns trotzdem mit ihm nicht auf einen Cappuccino verabreden. Und die Studenten würden in einer mündlichen Prüfung sich deutlich von den Computern unterscheiden, die ihnen Texte geliefert haben.

Will sagen: Die menschlichen Fähigkeiten sind viel stärker in unseren Möglichkeiten verankert, etwas wahrzunehmen, es in Körperbewegungen umzusetzen und spontan zu reagieren, als in Kognitionen und in Wissen, das Texte hervorbringt. Doch wir müssen einschränken: Das gilt einstweilen.


Nota. - Thema verfehlt!

Das Tamtam um die KI spielt nicht mit der Befürchtung, dass sie eines Tages so viel sympathischer als die mehr oder minder intelligenten Lebendigen würde und den Männern die Frauen, den Frauen die Männer und der Queeren die Queeren ausspannen könnte. 

Mancher mag meinen, dass die Paarung im Leben das wichtigste und darum unter Menschen das Menschlichste sei. Kaube jedenfalls meint, das Menschlichste am Menschen sei gerade etwas, das er mit anderen Lebenden teilt. Dass sie uns ausgerechnet darin überrunden könnte, versetzt aber keinen in Sorge; sondern uns überrundet in dem, was an den Menschen das spezifisch Menschliche ausmacht - nämlich ihre Vernunft. Dann würde die KI nicht diesen oder jen*innen die Lebensabschnittsgefährt*innen verknappen, sondern wg. größerer Klugheit die Kontrolle über unsere Lebensbedingungen gewinnen und uns beherrschen können.

Dabei würden Charme, Leidenschaft und manche liebenswerte Schwäche sie ja nur hindern. Hindern nämlich an ihrer Perfektionierung. Die Vernunft lässt sich aber nicht perfektionie-ren, weil sie kein Objektivum, kein Absolutum ist, nichts, das an sich und für sich allein bestehen kann. Von künstlicher Vernunft ist bezeichnenderweise ja nicht die Rede, sondern lediglich von Intelligenz, die nie an sich, sondern immer nur im Verhältnis auftritt: die stets nur dient, nämlich einem Zweck. Intelligenz kann unterscheiden und kombinieren, sie ist rein technisch. Zur Vernunft reicht das nicht. Vernunft ist Intelligenz im Dienst der Urteilkraft. Der Kraft, die nicht nur feststellt, was wirklich ist, sondern aufstellt, was sein soll

Kaube hat nicht Unrecht, wenn er sagt, dass maschinelle Intelligent nicht einmal - und nicht nur einstweilen, sondern definitiv - nicht zu einem Organismus gehört, der selber als deren Teil in reeller unausgesetzter aktiver Wechselwirkung mit der ganzen Welt steht. Und selbst wenn sie es täte, fehlte ihr immer noch das Vermögen, zu urteilen. Doch jenes ist der Grund von diesem. Urteilen ist an sich ästhetisch.
JE

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