G. von Max, Die Kunstrichter aus Geschmackssachen
Was ist Kunst? Der phänomenale Ansatzpunkt für die Beantwortung dieser
belieb-ten Frage ist ein doppelter; erstens hat sich in der bürgerlichen
Gesellschaft in den letzten fünfhundert Jahren ein Stand
ausgebildet, der für die und von der Kunst lebt und in einem
spezifischen Gegensatz zum Arbeitnehmer steht; und zweitens, was
freilich die Voraussetzunge des ersten ist: Die Kunst hat sich in der
bürgerli-chen Gesellschaft zu einer öffentlichen Instanz ausgebildet,
die in Gegensatz und Widerspruch zu jener andern Instanz steht: der
Wissenschaft, und beide rechtfer-tigen sich als Gegensatz zum
Wesentlichen: der Ökonomie.
Das ist eine phänomenale, historische, "übersummative" Beschreibung der Kunst: denn sie ist nicht nur mehr, sondern auch etwas Anderes als die Summe der Werke. Darum taugt sie leider nicht zur Beantwortung der marktrelevanten Frage: "Ist das denn überhaupt Kunst?" Will sagen: Darf ich darauf rechnen, dass der Geldwert erhalten bleibt und hopefully steigt?
Und
an wen geht die Frage? An den Kritiker. Aber im Detail kann die Kritik
das gar nicht beantworten; denn sie ist nicht nur mehr, sondern auch
etwas Anderes als die Summe ihrer Rezensionen. Sie ist öffentliche
Instanz, nämlich immanente Instanz der Kunst selbst. Sie gehören
zueinander, wie seit der Jenaer Romantik aktenkundig ist. Und das im
übrigen nicht erst, seit der Kunstmarkt eine bürgerliche Angelegen-heit
ist: Die Kardinäle, die den Caravaggios ihre Avantgardismen abgekauft
haben, waren zugleich die wahren Kenner und Kritische Instanz; und als
solche bestimm-ten sie wie im Kunstbetrieb unserer Tage den Marktwert.
22. Mai 2016
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