Samstag, 17. Februar 2024

Wissenschaft im Zeitalter der Vernunft.

  Wolfgang Dirscherl, Pixelio.de                              zu Philosophierungen

Der Siegeszug der Wissenschaften im 17. Jahrhundert sei "das politische Ereignis par excellence" gewesen, schrieb ich andernorts, er hat im Reich der Parteienkämp-fe ein - kontinuierlich wachsendes - Feld geschaffen, wo nicht länger der Stärkere entscheidet, sondern der geprüfte Grund.
 
Wenn auch faktisch die Physik die treibende Kraft war, betraf diese 'Wissenschaft-liche Revolution' nicht bloß die Naturwissenschaften im Besondern, sondern die Geisteshaltung einer ganzen Zivilisation: Als rational gilt seither nur noch solche Erkenntnis, die eine Er-scheinung als Wirkung einer Ursache darstellen kann; und zwar ein geschichtliches Ereignis nicht minder als ein Laborexperiment. Auch poli-tische Probleme sollten seither, so weit irgend möglich, durch Vernunft lösbar sein, ohne Waffen. (Der Aufstieg der Wissenschaften begann nach dem Ende des 30jäh-rigen Kriegs und der englischen Revolution - in der Hoffnung auf ewigen Frieden, nachdem die Religion Ewige Zwietracht gesät hatte.)

Allerdings beschränkte er sich auf den (seither stets wachsenden) engen Kreis der Gelehr-ten.



Dass es sich im Besondern um Naturgesetze handeln sollte, wurde erst im Lauf des 19. Jahrhunderts deutlich,
als die Siege der Exakten Wissenschaften in Gestalt der technisch-industriellen Revolution auch den Durchschnittsmenschen anzugehen be-gannen. Dass es für alles einen hinreichend Grund geben müsse, scheidet seither den gesunden Menschen-verstand von allen Arten des Irrsinns. (Und seither gewin-nen die 'Geisteswissenschaften' ihr eigenes Profil, weil sich sich gegen die 'harten' Fächer legitimieren müssen.)

Doch das Dogma der Kausalität ist inzwischen zu einem - pragmatisch vertretbaren - Aberglauben des Gesunden Menschenverstands herabgesunken; es begann mit den Revolutionen der Thermodynamik und hat mit der Quantenphysik einen einst-weilen Höhe-, aber längst keinen Schlusspunkt gefunden.

Dass die exakten alias 'Natur'-Wissenschaften an ihren Grundlagen zu zweifeln be-ginnen, ist löblich, aber auch das mindeste, was man erwarten darf. Nun wenden sie sich in neuer Bescheidenheit an die 'weiche' Philosophie zurück. Wobei sie viel Zeit sparen können, wenn sie sich erinnern, dass die Philosophie ihnen schon vor zwei-hundert Jahren in Bescheidenheit vorangegangen ist und sich mit Kants Kopernika-nischen Wende selber die Schranken gezogen hat, die sie von den Realwissenschaf-ten trennen - und die Realwissenschaften von ihr! Erkenntnisfortschritt können beide nur erhoffen, wenn sie die Schranken klug beach-ten und nicht wieder alles miteinander verrühren. Wenn ihr Interesse eben der Andersheit des andern gilt und sie Konsens und Gemeinsamkeit den profanen Alltagsmenschen über-lassen.

25. 6. 16;  zu Ist die Geschichte der Wissenschaft die wahre Geschichte der Menschheit?

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