Donnerstag, 1. Februar 2024

Sind Systeme schlechthin unsicher?

                                         zu Philosophierungen, zuJochen Ebmeiers Realien 
aus spektrum.de, 16. 1. 2024                                                            Wie sich ein System im Lauf der Zeit entwickelt, ist prinzipiell unsicher   

Neue Art von Unsicherheit in der Physik entdeckt
In der Realität kann man niemals alles ganz genau wissen: Messwerte sind immer ungenau. Bisher kannte man zwei Effekte, die fundamentale Unsicherheit erzeugen. Nun kommt ein dritter hinzu.

Physikalische Gleichungen setzen gemeinhin exakte Werte für physikalische Parameter voraus: Temperatur, Druck oder Geschwindigkeit werden durch einen festen Wert darge-stellt. Doch in der Wirklichkeit kann man die Zahlen nicht beliebig genau bestimmen. Messinstrumente erzeugen kleine Unsicherheiten, ebenso wie zufällige Schwankungen von Punkt zu Punkt oder im Lauf der Zeit. Zu diesen klassischen Ungenauigkeiten kommt nun eine dritte Art von Unsicherheit, die Jan Korbel und David H. Wolpert vom Complexity Science Hub Vienna nun in der Fachzeitschrift »Physical Review Research« beschrieben haben. Wie die beiden Forscher berichten, sind auch die Werte, die die Entwicklung eines physikalischen Systems bestimmen, nicht beliebig genau bestimmbar. Im Gegensatz zu den bekannten Fehlerquellen sei noch völlig unklar, wie man diese Art von Fehler in den mathematischen Verfahren berücksichtigt, schreiben sie.

Wenn man ein reales physikalisches Experiment mathematisch beschreibt, berücksichtigt man bisher zwei Arten von Fehlern. Zum einen kennt man den Zustand des Systems nicht präzise. Deswegen ersetzt man die präzisen Messwerte durch eine Wahrscheinlichkeitsver-teilung. Zum anderen beschreibt man die Wechselwirkungen mit der Außenwelt als einen Zufallsprozess. Die nun beschriebene neue Art der Unsicherheit betrifft die Entwicklung des Systems im Lauf der Zeit. Man beschreibt sie durch eine so genannte Übergangsma-trix – eine Gruppe von Werten, die angibt, wie das System von einem Zustand in den nächsten übergeht. Diese Werte allerdings, argumentieren Korbel und Wolpert, seien ebenso wenig beliebig genau bekannt. Das heißt, die Übergangsma-trix selbst und wie schnell diese Übergänge ablaufen, sind ebenfalls mit einer eingebauten Unsicherheit behaftet.

Diese zusätzliche Unsicherheit über die Dynamik eines physikalischen Systems habe reale Konsequenzen, berichten Korbel und Wolpert. In einer Pressemitteilung des Instituts nennen sie das Beispiel der optischen Pinzette. Dabei halten Laserstrahlen kleine Objekte in der Schwebe. Um die Laser optimal einzustellen, misst man wiederholt den Zustand des Systems, kleine Schwankungen betrachtet man dabei als Ergebnis der Messungenauigkeit. Die Schwankungen können jedoch, so die Forscher, auch das Ergebnis der unbekannten Dynamik des Systems sein – und diese Unsicherheit führe dazu, dass die optimale Ein-stellung der Laser schwieriger werde. Thermodynamisch gesprochen sei sie eine zusätzliche Quelle von Entropie, und damit führe sie dazu, dass man für bestimmte Prozesse mehr Energie aufwenden muss als bisher theoretisch berechnet.

 

Nota. - Praktisch wär's, wenn die Wirklichkeit - und nennten wir sie: die Zeit - digital aus einer Reihenfolge definierter Zustände bestünde, von denen der eine - kausal? - von dem vorangegangenen bestimmt wäre. 

So wurde es vor der Revolution der Thermodynamik aufgefasst. Sie führte, an Stelle der isolierbaren Verursachungsketten, die systemische Betrachtungsweise in die Naturwissen-schaft ein. Die ununterscheidbar einander kreuzenden Verursachungen müssen in macherlei Hinsicht analog ihrerseits als ein Ganzes, als eine Kette augefasst werden - dann folgt nicht Fakt B aus Fakt A, sondern geht der neue Zustand aus dem vorigen hervor. Der 'Zustand' ist nicht definiert - eingegrenzt - als eine endliche Summe von isolierbaren 'Fakten', sondern wird aufgefasst als eine Gegebenheit sui generis, innerhalb derer der Beobachter wenn er Glück hat einzelne 'Momente' unterscheiden und mit ihresgleichen in Verbindung bringen kann. 

Während in der klassischen Naturwissenschaft die 'eigentliche' Wirklichkeit in den Zustän-den bestand, traten mit der Thermonynamik die Übergänge gleichwertig dazwischen: Die Zustände sind Interpunktionen in einer unablässigen Veränderung und fallen bloß eher ins Auge des Betrachters als jene: Sie sind prägnanter - weil sie eben dauern, man kann sie mehrmals ansehen und sie bleiben wie sie sind, während Veränderungen schwinden. In der thermodynamischen Betrachtung kehrt sich das Verhältnis um, hier ist es die Veränderung, die dauert, während die Zustände flüchtig bleiben. 

Was ist, ist, meint Parmenides, aber Heraklit sagt, Alles fließt. Das ist keine Frage, die durch theoretische Analyse klärbar wäre. Das ist eine Prämisse, die, so oder so, vor aller Frage in die Wahrnehmung hineigesteckt wird. Was für eine Philosophie einer wählt, hängt davon ab, was für ein Mensch er ist. Weltanschauungen kann man aus ihnen nicht herleiten, denn sie liegen ihnen zugrunde. Die Kritik kann, umgekehrt, vielmehr die Prämissen aus den Welt-anschauungen herausrechnen. Man kann sie dann wieder zurücktun, aber nun nur, nachdem man sie beim Namen genannt hat.

Ob nun einer die Fiktionen System und Zustand zur Grundlage seiner Weltauffassung macht oder nicht, steht ihm frei; wenn er nur zugibt, dass es so ist.

Es ist hier nobabene von physikalisch realen Systemen die Rede, nicht von den Begriffskon-struktionen der Philosophen. 
JE

 

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