Sonntag, 11. Februar 2024

Was war doch noch gleich Wissenschaft?

  Sowa, Der Verdacht;     zu Philosophierungen 

Es ist löblich, dass Prof. Binswanger so einen Artikel schreibt und dass die Neue Zürcher ihn druckt. Doch Neues ist nicht darin. Für Wissenschaftlichkeit gibt es keinen Lackmus-Test, sie ist keine Ingredienz, die man ihrerseits wissenschaftlich nachweisen könnte. Was Wissenschaft ist und was nicht, erweist sich im wissen-schaftlichen Betrieb. Wissenschaft ist eine gesellschaftliche Instanz, ihr Medium ist Öffentlichkeit. Sie steht - ähnlich wie ihre Schwester, die Kunst - am Rande der bürgerlichen Gesellschaft, Öffentlichkeit sichert ihre Distanz zu den Einzelinter-essen; denn in der Wissenschaft selber konkurrieren Interessen, unter unter den Bedingungen der Öffentllichkeit bleibt es nicht aus, dass die Interessierten mit den Fingern auf einander zeigen. Und das reinigt.

 


Distanz heißt aber nicht Autonomie. Mögen die Wissenschaften als Instanz auch kritisch am Rande der Gesellschaft stehen - die Wissenschaftler ihrerseits leben mittendrin. Im wissenschaftlichen Betrieb konkurrieren die Interessen - Karriere und Renommé - von Individuen und überschaubaren Klüngeln; doch in der Gesellschaft gehören auch die Wissenschaftler großen Gruppen an, und deren Interessen sprechen sich weniger in Theorien und Lehrmeinungen aus, als in Ideologien. Die sind kein spezifisch wissenschaftliches, sondern vielmehr ein politisches Problem: Da mag ein ganzer Wissenszweig als Wissenschaft längst in Grund und Boden kritisiert worden sein; wenn die Interessen, denen er dient, mächtig genug sind, wird er noch Jahrhunderte forleben, obwohl er noch nie ge-konnt hat, was angeblich der Wissenschaft vornehmste Aufgabe ist: Vorhersagen möglich zu machen.

Soviel zur Volkswirtschaftslehre und der "Neutralität des Geldes"; sie dient unmit-telbar der Legitimierung des einen oder andern Regierungshandelns. Dass es sie gibt, ist ein Politikum, wissenschaftlich ist es ohne Belang. Das einzige, was an der Politischen Ökonomie wissen-schaftlich sein kann, ist ihre Kritik

Dass Binswanger den Streit um die Erderwärmung damit auf dieselbe Stufe stellt, zeigt nur, dass er das Problem nicht wirklich verstanden hat. Dass geldwerte Inter-essen im Spiel sind, ist offenkundig, aber die lassen sich nicht restlos identifizieren, solange die empirischen Befunde noch so widersprüchlich sind. Die Masse der Da-ten reicht noch lange nicht aus - und wohl auch die Kapazität der Rechner nicht -, um wirklich aussagekräftige Modelle zu entwickeln. Es ist nicht einmal sicher, ob solche Modelle für das globale Klimageschehen theoretisch überhaupt möglich sind. 

Bei den Wirtschaftswissenschaften ist es anders: Da weiß man, da sollte man wis-sen, dass Modelle schlechterdings nicht möglich sind, jedenfalls nicht für das, was noch geschehen soll, sondern nur für Dinge, die längst geschehen sind. Warum? Weil die Wirtschaft kein Teil der Natur, sondern Teil unserer Geschichte ist, die gehorcht keinem Gesetz, sondern wir machen sie, wennauch unter nicht selbst gewählten Bedingungen, immer noch selber. Und wie, das ist unwägbar. Es hängt auch ein bisschen von den Ideologien ab, die in den Köpfen von Laien und Wis-senschaftlern herrschen.

15. 9. 16




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