Dienstag, 23. April 2024

Große Kunst oder was?



Mikail Akar                                                                                                                         zu Geschmackssachen

Die Frage, ob es Kunst ist, ist eine ganz andere als die, was es ästhetisch taugt. Kunst ist als allererstes eine gesellschaftliche Instanz, die historisch geprägt ist durch die Ausbildung eines Standes von berufsmäßigen Künstlern -  und, in ihrem Tross, von berufsmäßigen Kritikern. Die Kritiker verbinden die Künstler - über die Galerien - mit dem Markt. Dass einer Teil besagter Instanz geworden ist, besagt nichts über sein geschmackliches Urteil noch über das des Publikums - außer, dass sein Werk zu geschmacklicher Beurteilung überhaupt taugt; was freilich selbst schon ein geschmackliches Urteil ist, und so weiter.

Zu geschmacklichem Urteil kann prinzipiell alles taugen, was irgend sinnlich wahr-nehmbar ist: sichtbar, hörbar, schmeckbar (ob auch riech- und berührbar ist eine heikle Frage). Das gilt eigentlich für alles Gegenständliche. Ich meine: alles, was ein Gegenstand ist. Ein farbiges Bild ist ein Gegenstand, selbst ein gleichmäßig einfar-biges.

Yves Klein Monochrome 

Ist es das Artefakt eines Lebenden, folgte seine Erstellung einer mehr oder minder unterbrochenen Reihe von geschmackli-chen Urteilen. Sobald er es einem andern zum Wahrnehmen und also zum Urtei-len vorzeigt, muss es ihm in irgend einer Hinsicht als fertig vorgekommen sein: Das ist das ästhetische Urteil par excel-lence. 

Die obigen Bilder stammen von dem heute siebenjährigen türkischen Jungen Mikail Akar. Das obere hat er gemalt, als er fünf war. Dass er überhaupt malt, zeugt von einer ästhetischen Aufgeschlos-senheit oder wie man es sonst nennen will. Die ist nicht außergewöhnlich. Außerge-wöhnlich ist, dass er nicht bei dem normalen kindlichen Reflex stehengeblieben ist, etwas ab malen und also etwas Bestimmtes darstellen zu wollen (und sich einem Maß zu unterwerfen), sondern seit frühestem Alter "abstrakt-expressionistisch" malt. 

Hat man ihm Bilder von Jackson Pollock & Co. gezeigt, hat man ihn überhaupt willentlich beeinflusst? Bei der ästhetischen Beurteilung spielt das keine Rolle. Bei Pollock ist mehr gestalterische Absicht zu erkennen und natürlich mehr Übung. Doch das mag man so oder so bewerten. An den Bildern selbst ändert es nichts.

Ein Problem für den Betrachter ergibt sich erst daraus, dass man seine Bilder an die Öffentlich-keit gebracht hat, wo man sie selbstverständlich mit Pollock vergleicht und die Frage stellt, ob das (beides)"überhaupt Kunst" ist. Denn wenn es sachlich auch gar nichts zu bedeuten hätte - Einfluss auf (beider) Verkaufspreise hätte es schon. Öffentliche Meinung ist ein hi-storisches und volatiles Ding. Doch momentan urteilt sie absolut und sans appel.
15. 9. 20

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