aus spektrum.de, 4. 4. 2024 Wassergefüllte Spalten könnten jene Bedingungen geboten haben, unter denen die ersten Lebensvorstufen entstanden. zu Jochen Ebmeiers Realien
Entstehung des Lebens
Gesteinsklüfte sollen Protoleben gefüttert haben
Wie
sammelten sich über Jahrmillionen genau die richtigen Moleküle für die
Vorläufer der Zellen an? Laut einer neuen Hypothese sortierten Spalten
im Gestein und Wärme die Bausteine des Lebens.
Am Ursprung des Lebens steht ein großes chemisches Rätsel. Einst entstanden aus einfachen Molekülen in chemischen Reaktionen die Vorläufer heutiger komplexer Biomoleküle.
Doch wie sammelten sich aus der unüberschaubaren Vielfalt chemischer
Stoffe immer wieder genau jene Bausteine zusammen, aus denen die Urahnen
von Proteinen und Nukleinsäuren entstehen konnten? Ein Team um Christof
B. Mast von der LMU München schlägt jetzt einen Mechanismus vor, der
über Millionen von Jahren immer wieder ähnliche Stoffe unter ähnlichen
Bedingungen anreichern konnte. Wie das Team in der Fachzeitschrift »Nature« berichtet, können Temperaturunterschiede in Rissen und Klüften von Gestein die Bausteine des Lebens sortieren. Solche Kluftsysteme sind auch als Entstehungsort des Lebens im Gespräch.
Die
Vorläufer von RNA, DNA und Proteinen müssen sich über Millionen von
Jahren immer wieder in etwa der gleichen Weise aus ähnlichen Molekülen
gebildet haben, um irgendwann schließlich die ersten Protoorganismen
entstehen zu lassen. Und auch noch lange danach müssen sich die nötigen
Bausteine noch angereichert haben, um die Chemie am Ursprung des Lebens
nicht abreißen zu lassen. Diese über Millionen Jahre stabile Versorgung
mit spezifischen Bausteinen ist schwer zu erklären – Fachleute haben
dutzende mögliche Mechanismen vorgeschlagen, alle mit ihren eigenen Vor-
und Nachteilen.
Die Arbeitsgruppe um Mast hat nun gezeigt, dass schon kleine
Temperaturunterschiede ausreichen, damit sich Bausteine des Lebens in
Kluftsystemen unterschiedlich sortieren. In einem Experiment zeigte sie,
dass zwei chemisch ähnliche Stoffe sich in unterschiedlichen Bereichen
eines dünnen Röhrchens ansammeln, wenn die eine Seite des Röhrchens
15 Grad Celsius wärmer ist als die andere. Einerseits steigt Flüssigkeit
an der warmen Seite auf und sinkt an der kalten ab, und andererseits
werden die Moleküle unterschiedlich stark von der warmen Wand
weggetrieben. Man bezeichnet den zweiten Prozess als Thermophorese.
Beide zusammen führen dazu, dass die Moleküle unterschiedlich lang im
Aufstrom verweilen und entsprechend an den Enden des Röhrchens
unterschiedlich stark angereichert werden.
Um
zu zeigen, dass ein Netzwerk solcher wassergefüllter Spalten Bausteine
des Lebens sortieren kann, bastelte das Team ein System aus drei
Hohlräumen, das auf einer Seite um 16 Grad wärmer war als auf der
anderen. Die Versuche mit Bausteinen von Proteinen, RNA und DNA zeigen,
dass sich dort Stoffe räumlich unterschiedlich anordnen. Außerdem zeigte
sich, dass der Effekt das reaktive Molekül Trimetaphosphat genug
anreichert, dass es eine Reaktion zwischen Aminosäuren antreiben kann.
Der Vorteil der Hypothese des Teams um Mast ist, dass wassergefüllte
Felsspalten auf der jungen Erde überall vorhanden waren, und so die
Anreicherung von Stoffen über Millionen von Jahren in ähnlicher Weise
ablaufen konnte – wo immer eine Wärmequelle in der Nähe war. So lässt
sich erklären, dass über sehr lange Zeit hinweg Bereiche mit stabilen
Bedingungen und ständiger Stoffzufuhr vorhanden waren. Dort konnten
komplexe und später belebte chemische Systeme entstehen.
Nota. - Die Entstehung des Lebens auf der Erde war ein absoluter Zufall mit der Wahrscheinlichkeit von eins zu unendlich. Gab es das ein zweites Mal im Univer-sum? Die Erde selbst ist ein absoluter Zufall von der Wahrscheinlichkeit eins zu unendlich. So unwahrscheinlich das Leben in der einen Größenordnung war, so wahrscheinlich ist es in der andern: Zwei Unendlichkeiten heben einander auf.
Das darf nicht verwirren. Statistische Wahrscheinlichkeit ist eine mathematische Größe und hat mit dem, was wir umgangssprachlich wahrscheinlich nennen, wenig gemein: Die eine ist ein Begriff und die andere eine Vorstellung, die passen nicht auf denselben Nennner. Mit der einen kann man operieren, die andere bloß an-schauen. Der Haken ist: Unendlichkeit kann man nicht vorstellen. Man muss sie denken, indem man immer wieder einen Schritt dazu zählt. Vorstellen mag man eine Grenze; aber nicht keine Grenze.
JE
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