Samstag, 13. April 2024

Nietzsche zur Pädagogik.

                                                  zu  Levana, oder Erziehlehre

Seht das Kind umgrunzt von Schweinen, 
hilflos, mit verkrümmten Zehn.
Weinen kann es, nichts als weinen – 
Lernt es jemals stehn und gehn? 

Unverzagt! Bald, sollt ich meinen, 
könnt das Kind ihr tanzen sehn!
Steht es erst auf beiden Beinen, 
wirds auch auf dem Kopfe stehn.

Die fröhliche Wissenschaft (La gaya scienza), 1882 (ergänzt 1887). Trost für Anfänger

 

Betrachtet man eine Reihe Bilder von sich selbst, von den Zeiten der letzten Kindheit bis zu der der Mannesreife, so findet man mit einer angenehmen Verwunderung, dass der Mann dem Kinde ähnlicher sieht als der Mann dem Jünglinge: dass also wahrscheinlich, diesem Vorgange entsprechend, inzwischen eine zeitweilige Alienation vom Grundcharakter eingetreten ist, über welche die gesammelte, geballte Kraft des Mannes wieder Herr wurde. So erscheint auch das Denken und Empfindungen des Mannes dem seines kindlichen Lebensalter wieder gemäßer...   

Menschliches Allzumenschliches, Nr. 612

 

 

Die erziehende Umgebung will jeden Menschen unfrei machen, indem sie ihm immer die geringste Zahl von Möglichkeiten vor Augen stellt. Das Individuum wird von seinen Erziehern behandelt, als ob es zwar etwas Neues sei, aber eine Wiederholung werden solle. Erscheint der Mensch zunächst als etwas Unbe- kanntes, nie Dagewesenes, so soll er zu etwas Bekanntem, Dagewesenem gemacht werden. Einen guten Charakter nennt man an einem Kinde das Sichtbarwerden der Gebundenheit durch das Dagewesene; indem das Kind sich auf die Seite der gebundenen Geister stellt, bekundet es zuerst seinen erwachenden Gemeinsinn; auf der Grundlage dieses Gemeinsinns aber wird es später seinem Staate oder Stande nützlich.
Menschliches, Allzumenschliches, aus N° 228

Nota. - Der schlechte Witz dabei ist, dass der landläufige Erzieher überzeugt ist, genau das Gegenteil zu tun: denn er erzieht ja nicht nach den Lehren von gestern, sondern nach dem letzten Schrei; und der ist ja wohl noch nie dagewesen! - Doch morgen, wenn das Kind deine Schule verlässt, wird er nur allzu dagewesen sein, denn allzu da ist er ja heute. JE


Besser als ein Mann versteht das Weib die Kinder, aber der Mann ist kindlicher als das Weib.
Im echten Manne ist ein Kind versteckt: das will spielen. Auf, ihr Frauen, so entdeckt mir doch das Kind im Manne!

Also sprach Zarathustra, N° 350

 

(7.) ... Ein Werden und Vergehen, ein Bauen und Zerstören, ohne jede moralische Zurechnung, in ewig gleicher Unschuld, hat in dieser Welt allein das Spiel des Künstlers und des Kindes. Und so, wie das Kind und der Künstler spielt, spielt das ewig lebendige Feuer, baut auf und zerstört, in Unschuld – und dieses Spiel spielt der Neon mit sich. Sich verwandelnd in Wasser und Erde, thürmt er wie ein Kind Sandhaufen am Meere, thürmt auf und zertrümmert: von Zeit zu Zeit fängt er das Spiel von Neuem an. Ein Augenblick der Sättigung: dann ergreift ihn von Neuem das Bedürfniß, wie den Künstler zum Schaffen das Bedürfniß zwingt. Nicht Frevelmuth, sondern der immer neu erwachende Spieltrieb ruft andre Welten in's Leben. Das Kind wirft einmal das Spielzeug weg: bald aber fängt es wieder an, in unschuldiger Laune. Sobald es aber baut, knüpft, fügt und formt es gesetzmäßig und nach inneren Ordnungen.

So schaut nur der ästhetische Mensch die Welt an, der an dem Künstler und an dem Entstehen des Kunstwerks erfahren hat, wie der Streit der Vielheit doch in sich Gesetz und Recht tragen kann, wie der Künstler beschaulich über und wirkend in dem Kunstwerk steht, wie Nothwendigkeit und Spiel, Widerstreit und Harmonie sich zur Zeugung des Kunstwerkes paaren müssen.

Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen. (1873.

 

 

Reife des Mannes: das heißt den Ernst wiedergefunden haben, den man als Kind hatte, beim Spiel.

Jenseits von Gut und Böse, Werke III, Ullstein, Frankfurt/M u. a., 6. Auflage 1969, S. 75, Sprüche und Zwischenspiele, Aphorismus Nr. 94

 

Wie kann der Mensch Freude am Unsinn haben? So weit nämlich auf der Welt gelacht wird, ist dies der Fall; ja man kann sagen, fast überall wo es Glück gibt, gibt es Freude am Unsinn.  

Menschliches, Allzumenschliches, Werke I, Ullstein, Frankfurt/M u. a., 6. Auflage 1969 , S. 480, Erster Band, Aus der Seele der Künstler und Schriftsteller Nr. 213,

 

Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.

Also sprach Zarathustra, Werke II, Ullstein, Frankfurt/M u. a., 6. Auflage 1969 , S. 558, Vorrede 5

 

Und wen ihr nicht fliegen lehrt, den lehrt mir – schneller fallen! 

Also sprach Zarathustra, Werke II, Ullstein, Frankfurt/M u. a., 6. Auflage 1969 , S. 729, DritterTeil Nr. 20

 

Ein Erzieher sagt nie, was er selber denkt: sondern immer nur, was er im Verhältnis zum Nutzen dessen, den er erzieht, über eine Sache denkt. In dieser Verstellung darf er nicht erraten werden; es gehört zu seiner Meisterschaft, dass man an seine Ehrlichkeit glaubt.

Aus dem Nachlaß der Achtzigerjahre, Werke IV, Ullstein, Frankfurt/M u. a., 6. Auflage 1969 , S. 61

 

Kein Sieger glaubt an den Zufall.

Die fröhliche Wissenschaft, Werke II, Ullstein, Frankfurt/M u. a., 6. Auflage 1969 , S. 431, Drittes Buch Nr. 258, 

 

Also darauf allein beruht der Wert des Lebens für den gewöhnlichen, alltäglichen Menschen, dass er sich wichtiger nimmt als die Welt.

Menschliches, Allzumenschliches, Werke I, Ullstein, Frankfurt/M u. a., 6. Auflage 1969 , S. 471, Erster Band, Von der ersten und letzten Dingen, Nr. 33,  

 

Die eigentlichen Epochen im Leben sind jene kurzen Zeiten des Stillstandes, mitten inne zwischen dem Aufsteigen und Absteigen eines regierenden Gedankens oder Gefühls. Hier ist wieder einmal Sattheit da: alles andere ist Durst und Hunger – oder Überdruss.

Menschliches, Allzumenschliches, Werke I, Ullstein, Frankfurt/M u. a., 6. Auflage 1969 , S. 954, Zweiter Band, Der Wanderer und sein Schatten Nr. 193

 

Der Schritt verrät, ob einer schon auf seiner Bahn schreitet […]. Wer aber seinem Ziele nahe kommt, der tanzt. 

Also sprach Zarathustra, Werke II, Ullstein, Frankfurt/M u. a., 6. Auflage 1969 , S. 803, Vierter Teil, Vom höheren Menschen, 17 

 

Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE

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