Dienstag, 1. August 2023

Spielen und lachen.


aus Tagesspiegel.de, 1. 8. 2023                                                                                                zuJochen Ebmeiers Realien

Verspieltes Gehirn
Wieso diese Ratte gekitzelt wird
Deutsche Forscher haben Ratten gekitzelt, um herauszufinden, welche Orte im Gehirn für Lachen und Verspieltheit entscheidend sind. Die quietschenden Nager brachten sie auf die Spur eines alten Hirnareals.


Werden Ratten gekitzelt oder spielen sie, dann aktiviert dies einen Teil des Gehirns, der eigentlich Kampf- oder Fluchtreaktionen steuert. Das berichtet eine deutsche Forschungsgruppe im Fachblatt „Neuron“. Damit das funktioniert, müssen die Nager aber in der richtigen Stimmung sein: Denn bei verängstigten Tieren verringert sich die Aktivität der Zellen in diesem Hirnteil.

Schimpansen sind dazu in der Lage, ebenso Pferde, Hunde und Katzen sowie Ratten: Viele Tiere, vor allem Säugetiere, und natürlich Menschen können gekitzelt werden. Warum das möglich ist, ist bislang ungeklärt. Aber was dabei zumindest im Gehirn von Ratten passiert, darauf gab eine 2016im Fachjournal „Science“ veröffentlichte Studie erste Hinweise.


Darin beschrieb eine Gruppe um den Neurobiologen Michael Brecht von der Humboldt-Universität Berlin, dass bei den gekitzelten Nagern Hirnströme aktiv werden, die auch beim Spielen anspringen. Daher vermutete die Gruppe einen Zusammenhang zwischen Spielverhalten und Kitzligkeit.

Vom Kitzeln und Lachen

Bisher konnte bei Schimpansen, Pferden, Hunden und Katzen sowie Ratten nachgewiesen werden, dass sie gekitzelt werden können. Warum das möglich ist, ist ungeklärt. Eine Verhaltensweise, die noch weniger verstanden ist, ist Spielen. Jetzt haben Forschende ein Hirnareal identifiziert, die für die Verspieltheit unerlässlich zu sein scheint.


Dem ist ein Team um Brecht und Natalie Gloveli nun in einer Studie nachgegangen. Ihnen zufolge zählt Spielen zu den am wenigsten verstandenen Verhaltensweisen von Säugetieren – zumindest auf neurobiologischer Ebene. So seien etwa die neuronalen Schaltstellen, die für sexuelles und aggressives Verhalten, Angst oder Belohnung verantwortlich seien, grob bekannt – nicht aber jene, die dem Spielen zugrunde lägen.

Um diesen Schaltstellen auf die Spur zu kommen, kitzelten die Wissenschaftler erneut Laborratten. Zunächst schufen sie eine Umgebung, in der sich die Tiere wohlfühlten: So bekamen diese einige Tage Zeit, um sich an jene Menschen zu gewöhnen, die die Experimente durchführten. Dann spielten die Forschenden mit ihnen und kitzelten sie am Bauch und am Rücken.

Dass Ratten am Bauch besonders kitzelig sind, hatte bereits die Studie in „Science“ gezeigt. Damals berichteten die Wissenschaftler, dass die Tiere darauf mit Freudensprüngen reagierten, der kitzelnden Hand hinterherjagten und in Form von Quietschtönen lachten – in einem Frequenzbereich, der für das menschliche Ohr nicht hörbar ist.

Spielerische Kämpfe

Diese Töne wurden auch in der aktuellen Studie aufgezeichnet, um sicherzustellen, dass die Ratten Spaß hatten. Analysen der Hirnaktivität ergaben, dass sowohl Kitzeln als auch Spielen im Mittelhirn ein Areal im sogenannten periaquäduktalen Grau (PAG) aktivierten. PAG, auch zentrales Höhlengrau genannt, ist ein sehr alter Teil des Gehirns, der auch beim Menschen an grundlegenden Gefühlen wie Schmerz, Angst und Fluchtreflexen beteiligt ist.

Kampf- oder Fluchtreaktionen können demnach nicht nur in bedrohlichen Situationen, sondern auch in spielerischen Kämpfen ausgelöst werden. Dies könnte den Wissenschaftlern zufolge die Rolle des PAG beim Spielen erklären. Hemmten die Autoren bei den Ratten dieses Hirnareal unter anderem mit dem Betäubungsmittel Lidocain, spielten und lachten die Tiere weniger.

Wurden die Versuchstiere in eine einschüchternd gestaltete Umgebung gebracht, hörten sie ebenfalls auf zu quietschen. Die Auswertung der Hirndaten der verängstigten Tiere zeigte zudem, dass die auf Kitzeln und Spielen reagierenden PAG-Zellen ihre Aktivität verringerten.

„Unser Verständnis der neuronalen Mechanismen der Steuerung des Spiels im PAG steckt noch in den Kinderschuhen“, betonen die Autoren. Obwohl die Studie die Rolle der Hirnregion eindeutig belege, sei noch nicht klar, wie Spielen in diesen neuronalen Schaltkreisen ablaufe. Im nächsten Schritt will die Forschungsgruppe untersuchen, ob auch andere Tiere beim Spielen ähnliche Reaktionen in diesem Hirnareal zeigen. Auf diese Weise könnte man die Verspieltheit verschiedener Arten miteinander vergleichen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Blog-Archiv

Pausen sind gut und nötig; der Pausenhof ist ein Übel.

                                                          aus Levana, oder Erziehlehre Die Schule ist ein Ort, der Kinder in einer so ...