Mittwoch, 24. Mai 2023

Auf dem Weg zur Sprache?

SChimpansenaus scinexx.de                                                                                            Schimpansen stoßen je nach Situation verschiedene Rufe aus – aber können sie diese auch sinnvoll kombinieren?                                                                                                  zu Jochen Ebmeiers Realien

Schimpansen nutzen auch kombinierte Rufe
Menschenaffen demonstrieren erste Ansätze einer kompositionellen Syntax

Neu kombiniert: Schimpansen könnten schon eine erste Voraussetzung für echte Sprache besitzen, wie Beobachtungen in Uganda nahelegen. Demnach kombinieren die Menschen-affen in bestimmten Situationen zwei Laute mit verschiedener Bedeutung miteinander – und geben ihnen damit eine neue Bedeutung. Diese Fähigkeit zur sinnvollen Kombination, kompositionelle Syntax genannt, könnte demnach schon bei den gemeinsamen Vorfahren von Menschenaffe und Mensch entstanden sein.

Ob mit „Huh“-Rufen, Grunzlauten oder Schreien: Auch Menschenaffen nutzen verschie-denste Lautäußerungen, um zu kommunizieren. Sie drücken damit Aggression, Wohlbe-hagen oder Angst aus und nutzen auch spezielle Alarmlaute, um ihre Artgenossen zu warnen. Ob Gorilla, Schimpanse und Co diese Laute jedoch kontrolliert verändern und kombinieren können oder ob sie rein instinktgesteuert sind, ist strittig – und damit auch, ob Menschenaffen schon das Rüstzeug für eine echte Sprache besitzen.

Ist Fähigkeit zur Bedeutungskombination einzigartig menschlich?

Doch wie sich nun zeigt, beherrschen Schimpansen offenbar doch ein erstes Merkmal echter Sprache: die Fähigkeit, einzelne Laute zu neuen Einheiten zusammenzufügen. Wir nutzen diese kompositionelle Syntax beispielsweise, um einzelne Wörter zu sinnvollen Sätzen zusammenzufügen oder um Dinge näher zu beschreiben – aus „Ball“ wird der „rote Ball“. Wann unsere Vorfahren diese Fähigkeit zur Kompositionalität jedoch entwickelten, ist bisher unklar.


„Der evolutionäre Ursprung dieser Fähigkeit ist umstritten, dabei geht es vor allem um die Frage, ob die kompositionelle Syntax ein einzigartiges Merkmal nur der menschlichen Kommunikation ist“, erklären Maël Leroux von der Universität Zürich und seine Kollegen. Zwar können einige Affenarten unter bestimmten Bedingungen zwei verschiedene Rufe kombinieren. Weil diese aber nicht zu den Menschenaffen gehören, ist strittig, ob dies nicht eine konvergente Entwicklung und damit keine evolutionäre Errungenschaft unserer direkten Affenvorfahren ist.

Das Experiment mit der Schlange


Um dieser Frage nachzugehen, haben Leroux und sein Team wilde Schimpansen in Uganda auf die Probe gestellt. Sie wollten wissen, ob diese Menschenaffen in spezifischen Situationen vielleicht doch eine kompositionelle Syntax nutzen. „Schimpansen produzieren Huu-Rufe, wenn sie überrascht werden, und ein Waa-Gebrüll, wenn sie bei Aggressionen oder bei der Jagd Unterstützung brauchen“, erklärt Leroux. Was aber passiert, wenn die Primaten von einer Bedrohung überrascht werden, bei der sie die Hilfe ihrer Artgenossen benötigen?

Für ihr Experiment versteckten die Biologen eine von einer echten Pythonhaut überzogenen Gummischlange im Gebüsch. Kam ein Schimpanse vorbei, zogen sie an einer Schnur, so dass die Schlange abrupt vor dem Schimpansen auftauchte. Anschließend zeichnete das Team die ausgestoßenen Laute des überraschten Affen auf und beobachtete, wie die Artgenossen auf seine Rufe reagierten.

Alarm- und Hilferufe kombiniert


Es zeigte sich: Beim überraschenden Auftauchen der bedrohlichen Schlange stießen die Schimpansen manchmal nur den Alarmruf Huu aus, in neun von 21 Tests kombinierten sie den Huu-Laut aber mit dem Waa-Ruf nach Unterstützung. „Unsere Beobachtungen legen nahe, dass die Tiere mehrere Rufe kombinieren, wenn sie einer Bedrohung ausgesetzt sind und andere Gruppenmitglieder zur Verteidigung rekrutieren wollen. So zum Beispiel bei der Begegnung mit einer Schlange“, sagt Leroux.

Tatsächlich bewirkte die Huu-Waa-Lautkombination bei den Artgenossenen des rufenden Schimpansen eine spezifische Reaktion: Während sie bei bloßen Alarmrufen meist wegblieben, eilten sie bei der Rufkombination deutlich häufiger herbei. Ähnlich fiel die Reaktion aus, als die Forschenden die verschiedenen Rufe per Lautsprecher ertönen ließen: „Das Playback der Huu-Waa-Kombination rief stärkere Reaktionen hervor, sie schauten beispielsweise länger hin und reagierten schneller als bei bloßem Alarm-Huus“, berichtet das Team.

Erbe schon unserer gemeinsamen Vorfahren?

Nach Ansicht von Leroux und seinem Team deuten diese Beobachtungen darauf hin, dass Schimpansen zumindest erste Ansätze einer kompositionellen Syntax zeigen: Sie kombinieren Alarm- und Hilferufe, ihre Artgenossen sowohl zu warnen als auch ihre Hilfe anzufordern. „Die Bedeutung der Ruf-Kombination ergibt sich damit aus der Bedeutung ihrer einzelnen Teile – damit repräsentiert dies eine der kompositionellen Syntax ähnliche Struktur“, schreiben die Forschenden.

Dies wirft auch neues Licht auf den Ursprung dieser Fähigkeit: „Menschen und Schimpansen hatten vor etwa sechs Millionen Jahren einen gemeinsamen Vorfahren. Unsere Daten deuten also darauf hin, dass die Fähigkeit, sinnvolle Vokalisationen miteinander zu kombinieren, mindestens sechs Millionen Jahre alt ist – wenn nicht sogar älter“, sagt Leroux. Das Kombinieren von Lauten könnte demnach schon vor dem Auftreten einer echten Sprache entstanden sein.

Wenn auch andere Menschenaffen diese Fähigkeit besitzen, dann könnte sie sogar noch weiter zurückreichen und schon beim letzten gemeinsamen Vorfahren von Menschenaffen und Menschen vorhanden gewesen sein. (Nature Communications, 2023; doi: 10.1038/s41467-023-37816-y)


Quelle: Universität Zürich
5. Mai 2023
- von Nadja Podbregar

Nota. - Wenn ich die Zeilen richtig entziffere, ist hier lediglich die Rede davon, dass Schim-pansen Laute mit einer bestimmten Bedeutung aneinanderfügen: dies! und das! Nicht ein-mal auf die Reihenfolge kommt es an.

Das wäre aber das Mindeste, was man unter kombinieren verstehen könnte; von Über- und Unterordnen gar nicht zu reden. Erst das würde man aber unter Syntax verstehen: dass die eine Aussage der andern ihre Rang anweist; nämlich die eine ein Bedeutungsfeld eröffnet, in dem die andere ihren Platz findet. 

Dazu ist das Aneinanderreihen von Sätzen natürlich die Voraussetzung. Aber mehr noch nicht. Da wurde wohl mal wieder ein kleiner empirischer Befund semantisch aufgebläht.
JE

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