Freitag, 5. Mai 2023

Vor-Verständnis.


aus spektrum.de, 05.05.2023            
Kognitive Verzerrungen sind systematische Fehler im Denken und Wahrnehmen, die dazu führen können, dass unsere Urteile und Entscheidungen ungenau oder irrational sind.                zuJochen Ebmeiers Realien zu Philosophierungen

Viele Denkfehler folgen demselben Prinzip
Menschen verarbeiten neue Informationen oft so, dass sie in ihr eigenes Weltbild passen. Dieser »Bestätigungsfehler« ist womöglich ursächlich für viele kognitive Verzerrungen.


von Anton Benz

Der Mensch als rationaler Denker? Längst passé! Inzwischen gibt es hunderte Bezeichnungen für die Denkfallen, denen wir Tag für Tag unterliegen. Sie füllen Wikipedia-Listen und ganze Bücher. Doch möglicherweise sind sie gar nicht so ungleich, wie die verschiedenen Namen nahelegen. Aileen Oeberst und Roland Imhoff von der Fernuniversität Hagen argumentieren, dass zumindest 17 der als unterschiedlich gehandelten kognitiven Verzerrungen auf eine einzige zurückzuführen seien: den Bestätigungsfehler.
Menschen neigen nämlich dazu, Informationen so zu verarbeiten, dass sie ihre eigenen Überzeugungen bestätigen. Deshalb kann man sich auch Standpunkte, die das eigene Weltbild stützen, besser einprägen als Gegenargumente. Aileen Oeberst und Roland Imhoff behaupten nun, die von ihnen aufgelisteten – scheinbar verschiedenen – kognitiven Verzerrungen seien allesamt eine Kombination aus Bestätigungsfehler und einer bestimmten Grundüberzeugung. Letztere prägen unser Denken, auch wenn wir uns ihnen häufig nicht gewahr sind. Der Bestätigungsfehler fördert, dass wir sie unhinterfragt lassen, was sich wiederum in Denkfehlern niederschlägt.

Die beiden Forschenden beschreiben sechs solcher fundamentalen Glaubenssätze. So schließt man etwa häufig von sich auf andere, zum Beispiel wenn es um deren Wahrnehmung geht. Gepaart mit dem Bestätigungsfehler ergibt sich den Psychologen zufolge so der »Rampenlicht-Effekt«, nach dem wir davon ausgehen, ein unangenehmer Kaffeefleck müsse allen sofort ins Auge springen, obwohl er den ganzen Tag unbemerkt bleibt. Nach demselben Prinzip funktioniere beispielsweise der bislang unabhängig davon erforschte »falsche Konsensfehler«, also den Hang zu überschätzen, wie viele Menschen unsere Überzeugungen teilen. Ob der Rampenlicht-Effekt und der falsche Konsensfehler tatsächlich demselben Glaubenssatz unterliegen (»Meine Erfahrung ist eine vernünftige Referenz«) lässt sich empirisch untersuchen, so die Autoren. Ihre Argumentation würde bestätigt, wenn beide Denkfallen gehäuft gemeinsam auftreten.


Nota. - Das ist aber nun einmal unvermeidlich. Diskursives Denken - und nur das nennen wir vernünftig - geschieht, indem ich ein Unbekanntes auf ein Bekanntes beziehe und mit ihm vergleiche. "Was heißt beweisen? Es heißt doch wohl bei dem, der sich einen deutlichen Begriff davon macht, die Wahrheit eines Satzes an einen andern anknüpfen. Ich leite die Wahrheit eines Satzes auf einen anderen über", sagt meine Gewährsmann Fichte. Mit andern Worten, den Anfang der Kette kann ich mir durch nichts erweisen: Ich muss ihn einfach "für wahr halten", oder glauben.

Wobei ich zu meinem individuellen Uranfang gar nicht zurück könnte, selbst wenn ich es wollte: So weit reicht mein Gedächtnis nicht. Also werde ich zurückkehren zu dem erstbe-sten Vertrauten, das ich wiedererkenne, und sagen: "Ja, das war's!" Mit andern Worten, ir-gendwo stoße ich auf etwas, dem meine neugewonnene Information ähnlich sieht und bin mit meinem Wissen zufrieden. Na, manch einer gibt sich nicht zufrieden, und spätestens wenn er dieses Verfahren bei einem Mitmenschen beobachtet, wird er sagen: "Na so geht das aber nicht!" So selbstzufrieden einer immer ist, ist er doch immer mit welchen umge-ben, die, wenn schon nicht sich selbst, so doch die andern kritisieren. Denn die Vernunft hat es mit List so eingerichtet, dass diskursives Denken stets in Gesellschaft stattfindet; dort ist es nämlich entstanden.
JE

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