aus Marxiana
Die Digitale Revolution wirft einen langen Schatten voraus: Schon hat sie die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit so weit reduziert, dass es im Westen für alle gar nicht mehr genug zu tun gibt. Was für ein Geschenk – als hätte Prometheus den Göttern das Feuer ein zweites Mal gestohlen! Ein zwölftausend Jahre alter Traum der Menschheit geht in Erfüllung: ein Leben lang freie Zeit, ausgefüllt nur mit der Ausbildung meiner eignen Fähigkeiten... wozu? Bloß um sie zu verspielen.Wie kann die gesellschaftliche Produktion dauerhaft darauf beruhen, dass eine schwindende Handvoll Arbeiter länger arbeitet, als zur Reproduktion ihrer Arbeitskraft nötig wäre, wenn die notwendige Arbeitszeit gegen Null tendiert? Wenn der Arbeiter an einem Arbeitstag das Tausendfache von dem produziert, was er im Monat verbraucht? Wenn das Tagespensum des Arbeiters schließlich nur noch in einem Kopfnicken oder Fingerschnippen besteht?
Die absolute Grenze der digitalen Automation wäre erreicht, wenn die Maschinerie nicht mehr mit Kopfdruck, sondern durch einen Denkanstoß, durch bloße Gedankenübertragung in Gang gesetzt werden kann. Das bliebe technologisch unmöglich? Aber viel wird nicht fehlen, und so bleibt das Problem: Bei solch astronomischen Missverhältnissen verliert es allen Sinn, von Mehrarbeit zu sprechen. Die 'Formbstimmung' bleibt unberührt, aber sie bedeutet nichts mehr.
Die Formbestimmung ist nichts anderes als die Begriffe. In den Begriffen ist erfasst, ge fasst das wirkliche Handeln wirklicher Menschen; 'gefasst': das heißt, so dargestellt, als ob es stillestünde, als ob es eingefroren wäre. Wenn sich das, was die Menschen wirklich tun, ändert, dann ändert sich doch nicht der Begriff; er fasst nur nichts mehr. Er wird leer, weil er nun ohne Anschauung ist.
in Der wahre Reichtum besteht in verfügbarer Zeit, 12. 8. 15
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