Montag, 10. Juli 2023

William Kents Rousham Gardens.

aus nzz.ch, 10. 7. 2023                                       Blütenpracht im barocken Küchengarten.                         zu Geschmackssachen

Rousham ist einer der wichtigsten Gärten Englands – man muss ihn nur finden
.

In Rousham lässt sich eines der frühesten Beispiele des englischen Landschaftsgartens besichtigen. Hier findet man keinen Souvenirshop oder gar ein Café. Der Garten ist Attraktion genug.

von Ulla Nolden

Ob man hier parken darf? Es ist niemand da, den man fragen könnte. Das Kopfsteinpfla-ster des Innenhofs ist sauber gefegt, und die umliegenden Gebäude sehen fast zu vornehm aus für Stallungen. Man fühlt sich hier ein bisschen wie ein Eindringling. Aber neben dem hohen Torbogen steht ein Holzschild, das den Weg in den Garten weist.

«Rousham House & Gardens» heisst Gartenbesucher willkommen, nur ohne Souvenirshop oder gar Café. Der Garten ist Attraktion genug.



Der Blick vom Parkplatz. (Bild: Ulla Nolden)



























In Rousham lässt sich eines der frühesten Beispiele des englischen Landschaftsgartens besichtigen, angelegt vor fast 300 Jahren. Doch erst einmal gilt es, diesen Garten zu finden. Den Weg um das imposante Herrenhaus mit der weiten Rasenfläche davor zeigt noch ein weiteres, handgemaltes Schild. Danach wird es schwieriger. Mehrere kleine Trampelpfade verschwinden zwischen Bäumen und Sträuchern, aber welcher führt in den Garten?

Wenn man irgendwann den rechten Weg durch den Wald vorbei an einem klassizistischen Tempel nach unten auf eine weite Lichtung gefunden hat, dann fühlt sich das an, als habe man eine neue Welt entdeckt. Geradeaus liegt ein achteckiger Teich, in den sich ein kleines Rinnsal ergiesst. Wer dessen Quelle erkundet, befindet sich bald auf einem geschwungenen Waldweg. Das Wasser fliesst in einer präzise gearbeiteten, schmalen Steinrinne, die in die feine Schotteroberfläche eingelassen ist.

Die steinerne Rinne.

Geschwungene Rinne


Grazil folgt sie jeder Kurve, und zwar überraschenderweise immer in der Mitte des Weges. Unwillkürlich springt man hin und wieder über das Rinnsal. Hüfthohe, kantig beschnittene Lorbeerbüsche versperren den Blick hinter die nächste Biegung. Und dann weitet sich der Weg plötzlich, und die Rinne mündet in ein achteckiges Bassin voll kristallklarem Wasser. Baumkronen spiegeln sich auf der glatten Oberfläche. Der Ort lädt zum Verweilen ein, vielleicht sogar zu einem kühlen Bad. Auf der gegenüberliegenden Seite des Bassins fliesst das Rinnsal weiter und schlängelt sich in der Mitte des Weges aus dem Blickfeld.

Diese steinerne Rinne ist in ihrer reduzierten Gestaltung extrem modern. Das war sie auch schon, als William Kent sie 1738 entwarf. Sie ist eines der ersten Anzeichen für Veränderung – im Landschaftsdesign, in der Gesellschaft und in der Philosophie –, denn die Rinne ist geschwungen. Anderswo konstruierte man zu der Zeit herrschaftliche Gärten noch mit dem Lineal. Schnurgerade Sichtachsen waren Sinnbild absolutistischer Macht, über Natur und Volk.

Kent experimentierte mit einer Gestaltung, die sich aus einer neuen Art des Denkens ergab, der Aufklärung. Jeder Mensch sollte eigene, individuelle Erfahrungen machen, selbst denken und entscheiden. Hinter jeder Wegbiegung gibt es hier etwas Neues zu entdecken, so konzipierte Kent den gesamten Garten. Immer wieder eröffnen sich überraschende Perspektiven. Statuen verweisen auf Geschichte und Geschichten.

Antike Statuen verweisen auf Geschichte. (Bild: Ulla Nolden)

Hervorragend gepflegt


Gerade wird das Gras geschnitten. Eine der Gärtnerinnen entschuldigt sich für den Lärm der Motorsense. Normalerweise mähen sie später im Jahr, wegen der Artenvielfalt, aber dieses Jahr ist das Gras schon jetzt so hoch, und William Kents Design erfordert ja, dass es kurz gehalten wird. Das ist das Besondere an Rousham. Der Garten ist so hervorragend gepflegt, dass man sich im 18. Jahrhundert glaubt. Dieser glückliche Umstand ist der Tatsache zu verdanken, dass Rousham seit 1635 im Besitz der gleichen Familie ist, und die legt grossen Wert auf den Erhalt jeden Details.


Das Herrenhaus. (Bild: Ulla Nolden)


Das gilt nicht nur für den berühmten Landschaftsgarten. Auf der anderen Seite des Anwesens werden hinter hohen Backsteinmauern in einem barocken Küchengarten nach wie vor Obst und Gemüse angebaut. In den Ecken rankt eine verschwenderische Fülle duftender Rosen. Alles hat Tradition hier. Da überrascht es kaum, dass selbst die Hähne, die über den Rasen vor dem Herrenhaus stolzieren, zu einer uralten Rasse gehören. Ein Spaziergang durch Rousham ist eine Zeitreise. Zurück auf dem Parkplatz wundert man sich fast, dass dort keine Kutsche steht.


Nota. - Frau Nolden hat ganz Recht, William Kent war offenbar viel mehr als nur der Wegbereiter von "Capacity" Brown, der sich stets als sein gelehriger Schüler bekannt hat. Für den süßlichen empfindsamen Gartenstil von Lenné ist er offenbar gar nicht verant-wortlich. Aber ein Nachahmer der Natur war er schon gar nicht. Dem sollte ich nachgehen.
JE


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