Dienstag, 7. Oktober 2025

Vom Sklavenhändler zum Sklaven, und zurück.


aus welt.de, 3. 10. 2025           Das erst 2014 bekannt gewordene Diallo-Porträt              zu öffentliche Angelegenheiten 

Ayuba Suleiman Diallo
Dieser Sklavenhändler wurde selbst als Sklave verkauft

Von Peter Dittmar

Pech gehabt, Glück gehabt: Das gilt für Ayuba Suleiman Diallo, einen Sklavenhänd-ler, der als Sklave verkauft wurde, jedoch freikam und anschließend in seinen alten Beruf zurückkehrte. Das gilt auch für die National Portrait Gallery in London, die seit 2009 ein lange verschollen geglaubtes Gemälde des Afrikaners als Leihgabe zeigen darf. Und für die 
Jamestown-Yorktown Foundation in Virginia mit dem American Revolution Museum in Yorktown, die 2014 ein weiteres, bis dahin unbekanntes Bildnis von Diallo erwerben konnte.

William Hoare of Bath, ein seinerzeit sehr geschätzter Porträtist der höheren Gesellschaft, hatte beide Gemälde im Jahr 1733 geschaffen. Danach entstanden Kupferstiche als Beigabe zur Lebensgeschichte des Afrikaners und in „The Gentlemens Magazine“ von 1750. Dort illustrierten sie ein Leben voller Merkwürdigkeiten und Zufälle.

Ayuba Suleiman Diallo, in England Job ben Solomon genannt, war 1701 oder 1702 in Bondu im Königreich der Fulbe, das sich in Westafrika entlang der beiden Ufer des Senegal-Flusses erstreckte, geboren worden. Die Fulbe (auch Fula oder Fulani genannt), waren bereits sehr früh zum Islam konvertiert und sahen die Araber in Mekka als ihre Vorfahren an. Sie unterscheiden sich durch ihre hellere Haut und die nicht ausgeprägt negroiden Gesichtszüge von den Nachbarvölkern, mit denen sie oft im Krieg lagen.

William Hoares bekanntes Porträt von Ayuba Suleiman Diallo (1701-1773)William Hoares bekanntes Porträt von Ayuba Suleiman Diallo (1701-1773)

Die Diallo – die Häufigkeit des Namens verrät das bis heute – gehörten damals zu den vier großen Clans, die unter den Fulbe den Ton angaben. Sie waren vor allem Krieger, was das lukrative Nebengewerbe des Sklavenhandels mit den Gefangenen einschloss. Diallos Vater, oberster Priester und erster Ratgeber des Königs, bildete da keine Ausnahme. Sein Sohn lernte zusammen mit dem Sohn des Herrschers Arabisch. Da er seinem Vater nachfolgen sollte, war er früh mit dem Koran vertraut, den er als 15-Jähriger bereits auswendig gekonnt haben soll.

Doch zuerst half er ihm bei seinen anderen Geschäften. Und dazu gehörte, im Februar 1730 zwei Sklaven an die Mündung des Gambia-Flusses zu bringen, um sie einem englischen Kapitän zu verkaufen. Doch die Sache ging schief.

Die Mandingos, deren Gebiet er durchqueren musste und die mit den Fulbe verfeindet waren, nahmen ihn gefangen. Da ein Brief an seinen Vater mit der Bitte um Lösegeld nicht rechtzeitig sein Ziel erreichte, schor man ihm wie üblich bei Kriegsgefangenen, die versklavt wurden, Kopf und Bart. Dann wurde er mit seinem Begleiter an jenen Kapitän verkauft, den Diallo eigentlich hatte beliefern wollen. Ziel des Schiffs mit den Sklaven an Bord war Annapolis im amerikanischen Maryland.

Ein Mr. Tolsey kaufte Diallo für seine Tabakpflanzungen auf Kent Island. Doch er machte allerdings kein gutes Geschäft, denn Diallo war – kein Wunder angesichts seiner Herkunft – der Arbeit auf den Feldern nicht gewachsen. Als der Sklave stattdessen das Vieh hüten sollte, nutzte er die Gelegenheit zur Flucht.

Doch Diallo wurde gefangen und im Kent County Courthouse eingesperrt. Dort fiel er dem britischen Juristen Thomas Bluett auf, der erkannte, dass Diallo Muslim sein müsse, weil er etwas in Arabisch aufschrieb und beim Vorlesen „Allah“ und „Mohammed“ betonte. Auch lehnte er Wein, dem man ihm anbot, ab.

Mr. Tolsey erlaubte ihm daraufhin einen Brief zu schreiben, wahrscheinlich an seinen Vater. Doch das Schreiben landete bei James Oglethorpe, dem Direktor der Royal African Company in London, einer Handelsgesellschaft. Der zahlte Tolsey 45 Pfund, damit Bluett mit Diallo nach London kommen konnte.

Weil er während der Überfahrt einigermaßen Englisch gelernt hatte, fand er in der englischen Gesellschaft bald viel Aufmerksamkeit. Dreimal soll er den Koran ohne Vorlage niedergeschrieben haben (eine Version wird in Oxford aufbewahrt). Dadurch kam er mit Sir Hans Sloane, dem Präsidenten der Royal Society und leidenschaftlichen Sammler, zusammen, der mit seiner Hilfe arabische Dokumente ins Englische übersetzte.

Zudem vermittelte er Sloane, dass Diallo dem König, George II., und der königlichen Familie vorgestellt wurde. Damit galt er in London als gesellschaftsfähig. Davon zeugt der Auftrag an William Hoare, ihn zu porträtieren. Diallo bestand darauf, dass er nicht in den Kleidern der Zeit, die er offenbar gewöhnlich trug, sondern in afrikanischer Tracht gemalt würde, mit einem roten Behältnis vor der Brust, das – als Abwehrzauber? – wahrscheinlich einen Koran enthielt.

Spendenaufruf in der  National Portrait Gallery in London, um das Diallo-Gemälde in Großbritannien zu behaltenSpendenaufruf in der National Portrait Gallery in London, um das Diallo-Gemälde in Großbritannien zu behalten 

Das größere der Bilder mit der Körperwendung nach rechts, das einst dem königlichen Stallmeister gehört haben soll, wurde 2009 von Christie's versteigert. Auf 50.000 Pfund geschätzt, erzielte es erstaunliche 445.000 Pfund, denn es ist das früheste Porträt eines namentlich bekannten Afrikaners. Deshalb sollte es auch im Land bleiben.

Eine Fundraising-Kampagne brachte jedoch nicht genug Geld auf, sodass eine Ausfuhrgenehmigung erteilt werden musste. Die Käufer, die Qatar Museums, überließen das Gemälde nach einer Tournee durch mehrere Ausstellungen trotzdem der National Portrait Gallery als Leihgabe.

Die Popularität, die Diallos Darstellung dadurch gewann, machte dem damaligen Besitzer des zweiten, kleineren Gemäldes bewusst, was er besaß. Wer der Eigner war, zu welchem Preis er verkaufte und wie genau es nach Yorktown kam, verrät die Foundation freilich nicht.

Mit dem Blick nach links und der ovalen Rahmung entspricht es dem Stich, der zuerst in „Some Memoirs of the Life of Job the Son of Solomon“ abgebildet war, der 64-seitigen Lebensgeschichte Diallos, die Thomas Bluett 1734 in Druck gab. Das geschah, nachdem mit erheblicher Mühe die 59 Pfund, sechs Shilling und elf Pence zusammenbekommen waren, um ihn freizukaufen. Wohl ausgestattet und reich beschenkt kehrte Diallo nach Afrika zurück.

Die Briten versprachen sich davon verbesserte Handelskontakte – inwieweit das auch den lukrativen Sklavenhandel betraf, muss offen bleiben. Weil Frankreich dasselbe Ziel in Westafrika verfolgte, musste Diallo 1736 offenbar noch bis zu einem Jahr in französischer Gefangenschaft verbringen. Doch danach trat er das Erbe seines Vaters an, der inzwischen gestorben war – auch als Sklavenhändler. Das blieb er, soweit bekannt, bis zu seinem Tode 1773.

 

Nota. - Ja, das bleibt uns Modernen unbegreiflich: Ein Mann von Bildung bleibt ein Mensch von höherer Abstammung, auch wenn ihn der Zufall zum Sklaven bestimmt hätte. Wir lernen daraus: Eine persönliche Stellung in einer Ständegesellschaft ist etwas anderes als ein gesellschaftlichen Platz in der Klassengellschaft - und hat mit Hautfarben nichts zu tun. Rassenfragen bekommen erst in bürgerlicher Zeit eine Bedeutung, und Berufe auch: Die kann man wechseln, aber der Stand blieb einem angeboren.
JE 


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