Donnerstag, 29. September 2022

Meloni.

                                                           zu öffentliche Angelegenheiten

Faschismus ist nicht eine Form, die man über diesen oder vielleicht auch jenen Inhalt stülpen kann. Faschismus war ein Phänomen des 20. Jahrhunderts: Als in Folge der russischen Revolution und des halbverlorenen Krieges der italienische Staat zerrüttet und die Arbeiterbewegung zwar stark, aber zu revolutionärer Offensive nicht fähig war, trat ein längst bekannter Uomo nuovo in das Vakuum, indem er das desorientierte Kleinbürgertum und das anarchisch gewalttätige Lumpenproleratiat gegen die Schwatzbude und das raffende Kapital auf die Straße zog.

In Europa war die Entscheidung zwischen Revolution und Konterrevolution noch nicht gefallen, aber der kampflose Sieg Mussolinis hatte sie ein gutes Stück vorangetrieben. Faschismus wurde populär als ein "dritter Weg" zwischen kapitalistischer Krise und Diktatur eines Proletariats, das sich zur Ergreifung der politischen Macht nicht zusammenraffen konnte. Das Desaster trat elf Jahre nach Mussolinis Sieg ein, als in Deutschland die Nationalsozialisten zur Herrschaft kamen.

Herrschen konnten sie nicht, indem sie bloß die Spitzen der politischen Personals austauschten. Rechtsstaat und repräsentative Ordnung mussten abgeschafft und dem siegreichen Pöbel der öffentliche Raum als Beute hingeworfen werden.

Der Kernpunkt war aber: die Auslöschung der Arbeiterbewegung, um das Gespenst der Roten Revolution ein für allemal aus der Welt zu schaffen. Der Nationalsozialismus verfolgte dabei einen höheren Zweck: das Ergebnis des Ersten Weltkrieges umzukehren, und Mussolini, der allein nicht einmal mit Abessinien fertigwurde, kroch gern unter Hitlers Schild. Totalitär wurde der Faschismus als totale Mobilmachung für den Zweiten Weltkrieg.

Und nicht zu vergessen: Möglich wurde die Katastrophe durch den Verrat derer, die am ehesten zum Widerstand berufen waren und die ersten Opfer wurden: die Führungen der Arbeiterbewegung. Von der Sozialdemokratie war nichts anderes zu erwarten, nachdem sie erst den Krieg unterstützt und dann der Konterrevolution die Tür geöffnet hatte. Darum war eine Kommunistische Internationale entstanden, die nach dem Versagen der KPD im Oktober 1923 rasant zum willigen Instrument Stalins und seines bürokratischen Machtkartells wurde, das den "Sozialismus in einem Land" zu einem Totalitarismus eigener Art ausbaute.

*

Nichts davon ist in Europa heute gegeben, nicht einmal in Italien. Zu allererst: Die Zeit, als die Treuesten der Treuen noch immer leiser sagen konnten, wir leben in der Epoche der Weltrevolution, ist ein für allemal vorbei. Schon das Reden von einer Arbeiterbewegung wäre ohne Sinn. Was es gibt, ist eine Krise des Systems der politischen Parteien, wie es sich in den Jahrzehntes nach dem Vertrags von Jalta etabliert hatte. Das macht das Regieren weniger bequem als zu Zeiten des Kalten Kriegs, als die Welt noch in Ordnung war. Aus den folgenden Fährnissen sind nicht erst die Fratelli d'Italia hervorgegangen, sondern zuvor die Cinque Estelle und Salvinis Lega, na, und der unverwüstliche Cavaliere höchstselbst.

Unter diesem Gesichtspunkt ist gar nicht Melonis Erfolg das wichtigste Ergebnis der italienische Wahlen, sondern der atemberaubende gemeinsame Absturz von Salvini und Berlusconi: Die wollten die Italiener ganz und gar nicht mehr, und dass man der pp. Linken das Staatsruder besser auch nicht anvertraut, hatten sie oft genug bewiesen. Alle denen gegenüber erscheint nun Meloni als eine Nuova Donna; ganz jungfräulich allerdings auch sie nicht.

Es geht erstmal alles weiter wie gehabt.





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